Beobachtungen in der Natur spielen in Jesu Gleichnissen eine große Rolle. In der Sommerzeit draußen Gottes Herrlichkeit wahrzunehmen, dazu lädt Bischof Peter Kohlgraf im „Wort des Bischofs“ in der aktuellen Ausgabe der Kirchenzeitung anhand eines Liedtextes ein.
In den neutestamentlichen Gleichnissen erzählt Jesus immer wieder von Beobachtungen in der Natur, von Wachsen und Reifen, von Säen und Ernten. Es gelingt ihm, seinen Zuhörerinnen und Zuhörern Vorgänge in der Natur als Bilder der Gottesherrschaft zu erschließen. Die Gleichnisse laden ein, die Schöpfung wahrzunehmen und sie als einen Ort der Glaubenserfahrung zu verstehen. Solche Chancen können besonders der Sommer und die Urlaubszeit eröffnen. Ein Berggipfel, der Weg, den man beschreitet, das Meer, dessen Weite fasziniert, großartige Städte mit ihrer Kultur: All dies kann ein Ort der Glaubenserfahrung sein. Ich lade dazu ein, mit wachen Sinnen die Sprache der Schöpfung neu verstehen zu lernen, in der sich Gottes Herrlichkeit ausdrückt. Das Lied Nummer 465 aus dem Gotteslob regt ein solches Verständnis an. Der Text stammt von Detlev Block aus dem Jahr 1978. „Das Jahr steht auf der Höhe“ lautet der Beginn des vierstrophigen Liedes. Das Jahr steht in der Mitte, der Dichter schaut auf die erste Hälfte des Wachstums und die kommenden Monate der zunehmenden Dunkelheit des Jahres. Auffällig ist, dass ein Sommerlied bereits die kommende Zeit der Vergänglichkeit thematisiert. Obwohl es kaum zur Stimmung des Urlaubs und der lichtvollen Monate zu passen scheint, macht genau diese Ambivalenz das Lied interessant. Die verschiedenen Phasen des Jahres deuten auf die verschiedenen Lebenserfahrungen hin: Zum Leben gehören Wachsen und Gedeihen, Neubeginn, Hoffnung und Licht. Der Blick auf die vergehende Zeit, auf Herbst und Winter, Dunkelheit und Kälte, ist allerdings ebenso notwendig. Das Lied will das Bewusstsein dafür schärfen, dass Gott in allen Phasen des Lebens seine Begleitung anbietet. Er ist nicht nur in lichtvollen Augenblicken da, sondern auch in den Phasen der Dunkelheit und in Zeiten der Sorge. Wie es der zweiten Strophe des Liedes zu entnehmen ist, begegnet er unseren Ängsten mit seiner Liebe. In der dritten Strophe übt sich der glaubende Mensch darin, sich von den Tagen und der Vergänglichkeit freizumachen, um sich auf das große Ziel zu fokussieren, das Gott selbst ist. Das Lied lädt uns dazu ein, in den nächsten Monaten eine Haltung der Demut einzunehmen. Die vierte Strophe greift einen Satz Johannes des Täufers auf: Christus müsse wachsen, er selbst müsse kleiner werden (Johannes 3,30). Die Zeit geht dahin, Christus bleibt und der Mensch darf mit ihm leben. Das Lied ist keineswegs sentimental. Es setzt den Menschen und sein Leben in die Gesamtheit der Schöpfung, er ist Teil einer großen Ordnung, die von Gott geschaffen ist. Angesichts der Zeitläufe erinnert der Dichter an die Ewigkeit, die sich in allem ausdrückt.
Auch wenn nach den Ferien wieder der Alltag beginnt, können wir darauf vertrauen, dass Gott in allen Phasen bei uns ist. Ich wünsche Ihnen allen, dass die Sommermonate für Sie Zeiten lichtvoller und hoffnungsfroher Erfahrungen sind, die Sie durch den Alltag begleiten. Gehen Sie mit wachen Sinnen durchs Leben, denn in aller Wirklichkeit kann Gottes Wirklichkeit aufleuchten.
Ihr Peter Kohlgraf
Diesen Artikel und noch viel mehr lesen Sie in der neuesten Ausgabe von Glaube und Leben vom 6.August 2023. Gibt's was Neues bei Ihnen, lassen Sie es uns wissen! Anruf - 06131/28755-0 - oder E-Mail: info@kirchenzeitung.de