Mainz. „Als Bischof Ketteler stirbt, war er nach Anschauung vieler zur wichtigsten Figur des deutschen Katholizismus, zum Sprecher der katholischen Kirche und zu ihrem sozialen Gewissen geworden.“ Das sagte der Mainzer Bischof, Kardinal Karl Lehmann, am Freitagabend, 25. November, im Mainzer Dom.
Sein Vortrag stand unter der Überschrift „Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler- der Seelsorger und seine Hirtenbriefe". Professorin Dr. Elke Lütjen-Drecoll, Präsidentin der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz, übergab an diesem Abend im Mainzer Dom die neu herausgegebenen Hirtenbriefe von Ketteler aus den Jahren 1850 bis 1877 an Kardinal Lehmann. Es sei Kardinal Lehmann zu verdanken, dass die Herausgabe der Hirtenbriefe erfolgen konnte, sagte Lütjen-Drecoll.
Lehmann sprach zum Auftakt einer zweitägigen Akademieveranstaltung im Vorfeld des 200. Geburtstages von Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler (25. Dezember). Die Tagung stand unter der Überschrift „Freiherr Wilhelm Emmanuel von Ketteler - der unmodern Moderne (1811-1877). Zum 200. Geburtstag des wirkmächtigen Mainzer Bischofs". Veranstalter war die Bistumsakademie Erbacher Hof in Zusammenarbeit mit der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz.
Die Ausgabe der „Sämtlichen Werke und Schriften" Kettelers, die in elf Bänden ist in den Jahren 1977 bis 2001 an der Akademie der Wissenschaften und der Literatur durchgeführt worden (Herausgeber war der 1996 verstorbene Kirchenhistoriker Erwin Iserloh), wurde jetzt durch den Band mit den Hirtenbriefen aus den Jahren als Mainzer Bischof (1850-1877) ergänzt. Die Neuerscheinung enthält 56 von Kettelers 71 Hirtenbriefen. Die übrigen sind bereits in den „Sämtlichen Werken und Schriften" publiziert. In seinem Geleitwort zu der Neuerscheinung schreibt Kardinal Lehmann zu dem Band: „Ich freue mich, dass wir damit nicht nur ein lange gehegtes Desiderat erfüllen konnten, sondern diesen neu bearbeiteten Band zum 200. Geburtstag von Bischof von Ketteler am 25. Dezember (1811-2011) der Öffentlichkeit übergeben können. Er wird sicher auch der Forschung neue Anstöße geben, besonders über den Zusammenhang von sozialem Engagement und pastoraler Verantwortung."
In seinem Referat wies Lehmann darauf hin, dass Ketteler „die Hirtenbriefe in einem hohen Maße als Instrument seines pastoralen Wirkens" benutzt hat. Wörtlich heißt es: „Ich vermute, dass Bischof Ketteler in den Hirtenbriefen ein ganz wichtiges Medium der bischöflichen Verkündigung sah und sich deswegen auch sehr oft dieser Rundschreiben bediente." Und weiter: „Ich bin der Meinung, dass Bischof Ketteler bewusst die Hirtenbriefe zur argumentativen Information und auch zur verstärkten Bildung der Katholiken benutzt. Dabei ist kaum ein Thema ausgeschlossen. Er möchte wirklich gebildete und urteilsfähige Schwestern und Brüder des Glaubens haben. Partizipation im Sinne des gemeinsamen Priestertums aller Gläubigen wird dadurch ein konkretes Thema. Er öffnet Augen, Ohren und Herzen der Katholiken auch für die Fragestellungen und Nöte außerhalb des Bistums. Kettelers Hirtenbriefe sind wirklich katholisch im ursprünglichen Sinne des Wortes."
Zu Beginn des Abends hatte der Intendant des Ludwigshafener Pfalzbaus, Professor Hansgünther Heyme, Auszüge aus der ersten Adventspredigt gelesen, die Ketteler im Jahr 1848 im Mainzer Dom gehalten hat. Er rezitierte von der Kanzel des Mainzer Doms, die liturgisch nicht mehr genutzt wird. Den musikalischen Rahmen gestaltete Domorganist Daniel Beckmann. Anschließend fand im Mainzer Haus am Dom ein Empfang zu Ehren Kettelers statt.
Wilhelm Emmanuel von Ketteler wurde am 25. Dezember 1811 als sechstes von Maximilian Friedrich Freiherr von Ketteler und Clementine Freifrau von Ketteler in Münster in Westfalen geboren. Ab 1824 war er Schüler des Jesuiteninternats Brig in der Schweiz, wo er auch sein Abitur machte. Es folgte ein rechtswissenschaftliches Studium in Göttingen, Berlin, Heidelberg und München, bevor er 1833 Gerichtsreferendar am Land- und Stadtgericht Münster wurde. 1835 wurde er Regierungsreferendar in Münster. Im Jahr 1838 schied er aus Protest gegen die Verhaftung des Kölner Erzbischofs Clemens August von Droste-Fischering aus dem preußischen Staatsdienst aus.
Von 1841 bis 1843 studierte Ketteler Theologie in München. Am 1. Juli 1844 wurde er in Münster in Westfalen zum Priester geweiht. Seine erste Stelle als Kaplan übernahm er in Beckum in Westfalen. Ab 1847 war er Pfarrer in Hopsten im Kreis Tecklenburg. Im Jahr 1848 wurde er Abgeordneter der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche. Nach Niederlegung des Mandats wurde er 1849 Propst in St. Hedwig in Berlin. Am 15. März 1850 wurde er zum Bischof von Mainz ernannt und am 27. Juli durch den Freiburger Erzbischof Hermann von Vicari zum Bischof geweiht. 1870 wird er Abgeordneter für den Wahlkreis Tauberbischofsheim im ersten deutschen Reichstag. Er war Mitbegründer der Deutschen Zentrumspartei. Ketteler legt sein Mandat kurz nach Beginn des Kulturkampfes im Jahr 1872 nieder. Am 13. Juli 1877 stirbt Ketteler im Kapuzinerkloster Burghausen an der Salzach. Er wird am 18. Juli 1877 in der Marienkapelle des Mainzer Domes beigesetzt.
Besonders berühmt geworden sind Kettelers sechs Adventspredigten im Mainzer Dom, die er 1848 über „Die großen sozialen Fragen der Gegenwart" gehalten hat sowie seine Rede auf der Liebfrauenheide bei Offenbach vor Tausenden von Arbeitern unter der Überschrift „Die Arbeiterbewegung und ihr Streben im Verhältnis zu Religion und Sittlichkeit".
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