Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler - der Seelsorger und seine Hirtenbriefe

Vortrag von Kardinal Karl Lehmann im Rahmen der Bischof-von-Ketteler-Tagung zum 200. Geburtstag am 25./26. November 2011 im Erbacher Hof in Mainz
(Vortrag: 25.11.2011, 19 Uhr nach der Buchübergabe der Neuherausgabe der Hirtenbriefe durch die Präsidentin der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz, Frau Prof. Dr. Elke Lütjen-Drecoll - Link zur Nachricht der Pressestelle)

Wir haben mannigfaltigen Anlass, in dieser Tagung am 25. und 26. November auf Bischof Freiherr Wilhelm Emmanuel von Ketteler (1811-1877) zurückzukommen, und zwar auch und gerade in diesem Dom. Wir feiern am Weihnachtstag, 25. Dezember 2011, den 200. Geburtstag. Es ist mir eine große Freude, dass wir in diesem Zusammenhang den Band mit den Hirtenbriefen Kettelers von der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz, überreicht bekommen. Vielleicht darf ich in diesem Zusammenhang auch erwähnen, dass Papst Benedikt XVI. bei seinem jüngsten Staats- und Pastoralbesuch in Deutschland bei der ersten Ansprache nach der Landung beim Bundespräsidenten am 22. September 2011 sagte: „Es bedarf aber für unser Zusammenleben einer verbindlichen Basis, sonst lebt jeder nur noch seinen Individualismus. Die Religion ist eine dieser Grundlagen für ein gelingendes Miteinander. ‚Wie die Religion der Freiheit bedarf, so bedarf auch die Freiheit der Religion.' Dieses Wort des großen Bischofs und Sozialreformers Wilhelm von Ketteler, dessen zweihundertsten Geburtstag wir in diesem Jahr feiern, ist heute nach wie vor aktuell."[1]

I.

Es mag im Blick auf die 200 Jahre seit der Geburt Kettelers zunächst sinnvoll sein, seine Lebensgeschichte in einigen Strichen in Erinnerung zu rufen. Ich beschränke mich auf wenige Eckdaten:

  • Am 25. Dezember 1811 wurde Wilhelm Emmanuel von Ketteler als sechstes Kind des Maximilian Friedrich Freiherr von Ketteler und der Clementine Freifrau von Ketteler, geb. Freiin von und zu Wenge-Beck, in Münster/Westfalen geboren und bald danach in der St. Lamberti-Kirche zu Münster getauft. Die Kinderjahre mit Unterricht verbrachte er auf Schloss Harkotten, dem Familienbesitz der Freiherren von Ketteler und von Korff.
  • Von 1824 bis 1829 war er Zögling des Jesuiteninternats zu Brigg im Wallis (Schweiz). Er blieb ein Leben lang von den Patres der Gesellschaft Jesu geprägt.
  • Von 1829 bis 1833 studierte er Rechtswissenschaften in Göttingen, Berlin, Heidelberg und München.
  • Von 1833 bis 1838 war er als Jurist im Staatsdienst tätig, weitgehend in der Stadt Münster.
  • 1838 schied er aus Protest gegen die Verhaftung des Kölner Erzbischofs Clemens August von Droste-Fischerling aus dem Preußischen Staatsdienst aus.
  • 1839 ging er für ein Jahr nach München und wurde Mitglied des Kreises um Joseph Görres, des politisch-publizistischen Zentrums des katholischen Widerstandes gegen die preußische Kirchenpolitik.
  • Von 1841 bis 1843 studierte Wilhelm Emmanuel nach einer qualvollen Zeit innerer Unruhe in Eichstätt und München Katholische Theologie. Sein Entschluss stand fest, Priester zu werden.
  • Im Oktober 1843 stellte sich Wilhelm von Ketteler der Aufnahme-Prüfung im Priesterseminar zu Münster.
  • Am 1.7.1848 erfolgte die Priesterweihe in Münster in Westfalen.
  • Daraufhin wurde er als dritter Kaplan in die St. Stephanus-Pfarrei nach Beckum geschickt (1844-1846, wo er bereits einen tief mitfühlenden Blick für die Not und das Elend seiner Mitmenschen entwickelte - Gründung eines eigenen Krankenhauses).
  • Zum Allerheiligenfest des Jahres 1847 wurde er Pfarrer in Hopsten, Kreis Tecklenburg, wo ihn eine sehr herausfordernde soziale und pastorale Situation erwartet. Er blieb bis zum Jahr 1849.
  • Ketteler wurde, obwohl er ganz und gar „Bauernpastor" sein und bleiben wollte, 1848 gedrängt, Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung in der Paulskirche zu werden. Er wurde in diesem Jahr vor allem durch vier Dinge sehr bekannt: 1. die Reden als Abgeordneter (z. B. am 18.9. über die Schulfrage); 2. die berühmte Leichenrede in Frankfurt a.M. am Grab ermordeter Abgeordneter am 21.9.; 3. die Rede auf dem ersten Deutschen Katholikentag in Mainz (4.10.1848); 4. sechs Adventspredigten vom 19.11. bis 20.12.1848 im Mainzer Dom über „Die großen sozialen Fragen der Gegenwart".
  • 1849 wurde von Ketteler Propst an St. Hedwig in Berlin und Fürstbischöflicher Delegat von Brandenburg und Pommern.
  • Am 15.3.1850 Ernennung Kettelers zum Bischof von Mainz; sie wurde am 29.3. dem Domkapitel, am 4.4. Ketteler mitgeteilt.
  • Am 25.7.1850 erfolgte seine Weihe zum Bischof von Mainz.
  • 1851 Wiedereröffnung des Mainzer Priesterseminars.
  • 1862 Herausgabe der Schriften „Freiheit, Autorität und Kirche" sowie „Die Arbeiterfrage und das Christentum".
  • 1869 (25.7.) Rede auf der Liebfrauenheide bei Offenbach vor Tausenden von Arbeitern über „Die Arbeiterbewegung und ihr Streben im Verhältnis zu Religion und Sittlichkeit".
  • Bischof von Ketteler legte 1869 (26.7.) der Fuldaer Bischofskonferenz einen umfassenden Bericht vor über „Die Fürsorge der Kirche für die Fabrikarbeiter" („Magna Charta der christlichen Arbeiterbewegung").
  • 1869 bis 1870 Teilnahme am Ersten Vatikanischen Konzil in Rom.
  • 1871 bis 1872 Abgeordneter des ersten deutschen Reichstages für den Wahlkreis Tauberbischofsheim (Reden über die Religionsfreiheit, Verhandlungen mit Bismarck).
  • 1871 Beginn des Kulturkampfes, Kirchenfeindliche Gesetze.
  • 1872 Ketteler legte sein Mandat im Reichstag nieder.
  • Am 25./26.7.1875 feierte Ketteler sein 25-jähriges Bischofsjubiläum.
  • Vom 8.5. bis zum 3.6.1877 ging der Bischof zum letzten Mal nach Rom.
  • Bei der Rückkehr von Rom starb der erkrankte Bischof am 13.7.1877 im Kapuzinerkloster Burghausen an der Salzach.
  • Am 19.7.1877 wurde er in der Marienkapelle des Mainzer Doms beigesetzt.

Als Ketteler stirbt, war er nach Anschauung vieler zur wichtigsten Figur des deutschen Katholizismus, zum Sprecher der kath. Kirche und zu ihrem sozialen Gewissen geworden. Man muss sich immer wieder die radikalen Veränderungen dieser Zeit vor Augen halten, um die ungewöhnliche ökonomische Ausrichtung der Kirche und ihrer Priester sowie der Bischöfe zu verstehen. Die industrielle Revolution war seit der Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden und ist vor allem durch die folgenden Stichworte gekennzeichnet: „Industrialisierung, Binnenwanderung und Verstädterung. An die Stelle des vorindustriellen Pauperismus, der Verarmung der ländlichen Unterschichten auch durch Bevölkerungsvermehrung, war eine Verproletarisierung der neuen Industriearbeiterschaft getreten."[2] Ohne diesen Hintergrund wäre die katholische Sozialbewegung von Laien, Priestern und Bischöfen, besonders nach 1841 kaum denkbar.[3] Dazu gehört freilich auch die Sozialbewegung, die unmittelbar von der Kirche ausging, z. B. beim Gesellenvater Adolph Kolping und den verschiedenen Pionieren in einzelnen Regionen z. B. dem seligen Paul Josef Nardini[4] im Bistum Speyer. Man darf aber in diesem Kontext herausragende Laien vor allem im Südwesten Deutschlands nicht vergessen, wie z. B. Franz Joseph von Buß (1803-1878), Peter Reichensperger (1810-1892), Adam Müller (1779-1829), Georg von Hertling (1843-1919), Ludwig Windthorst (1812-1891), Franz von Baader (1765-1841) usw.[5] Bischof Ketteler hat eine besonders sensible Witterung für die Zeichen dieser Zeit.

 

II.

 

Den Auftakt für die sozialen Aktivitäten bilden die Adventspredigten von 1848 im Mainzer Dom über „Die großen sozialen Fragen der Gegenwart", die er noch als Pfarrer von Hopsten bei Rheine gehalten hat.[6] In der Frühzeit sieht Ketteler die Lösung der sozialen Frage in einer Gesinnungsänderung des Menschen, die vom christlichen Glauben ausgehen soll. Diese Gesinnung sieht Ketteler vor allem im rechten Verständnis des Eigentumsrechtes: Dieses steht voll und ganz nur Gott zu; den Menschen ist nur ein Nutzungsrecht zugestanden; der Mensch ist verpflichtet, bei der Benutzung die von Gott gesetzte Ordnung anzuerkennen. Er ist in dieser Zeit überzeugt, dass eine Rückkehr zum Christentum auch sozialverträgliche Verhältnisse wieder herstellt.

Ketteler macht wie manche andere Sozialreformer des 19. Jahrhunderts in diesen Anschauungen eine Wandlung durch. Er vollzieht eine Verlagerung der Arbeiterfrage von der religiös-sittlichen und caritativen auf die gesellschaftspolitische Ebene. Ketteler war aufgegangen, dass er die Situation zu sehr vereinfachte, wenn er meinte, mit der Übung der Nächstenliebe sei schon die Lösung der sozialen Frage gegeben. Es ist aber nicht zu übersehen, wie sehr Ketteler sozial konkret wirkte, z. B. durch den Bau von Krankenhäusern, Häuser für Waisenkinder und ein Invalidenhaus, durch ein so genanntes Rettungshaus für Frauen, durch die Übernahme des Schulunterrichtes und der Krankenpflege auf dem Lande, durch die Gründung vor allem der „Schwestern von der Göttlichen Vorsehung". Er sorgte sich für das bis heute brennende Problem der Resozialisierung entlassener Strafgefangener. Wirksam förderte er in Kontakt mit Adolph Kolping - mit dem er in München studierte - die Gesellenvereine.

Bischof von Ketteler ließ sich ab ca. 1860 einnehmen für die Konzeptionen des Arbeiterführers Ferdinand Lassalle, vor allem wegen dessen Kritik am Liberalismus, der Betonung des so genannten „ehernen Lohngesetzes" und dessen Idee der Produktivassoziationen. Die Frucht der Überlegungen und Studien Kettelers war das 1864 erschienene Buch „Die Arbeiterfrage und das Christentum". Mit der notwendigen Gesinnungsreform, d. h. der Rückkehr zum Christentum und zur tätigen Nächstenliebe, ist für Ketteler also noch nicht unmittelbar ein sozialpolitisches Programm gegeben. Ketteler tritt für die Errichtung von Produktivassoziationen ein, d. h. Teilnahme und Verteilung des Geschäftsgewinns der Unternehmen. Der Arbeiter wäre zugleich Miteigentümer. Ketteler lehnt aber im Gegenzug zu Lassalle eine Staatsfinanzierung ab. Er hoffte, dass von privater Seite die nötigen Mittel zusammengebracht werden könnten. Ketteler musste im Laufe der Zeit freilich erkennen, dass diese Idee, die bis heute immer wieder verteidigt und empfohlen wird,[7] doch nur auf längere Frist verwirklicht werden kann. Ketteler bleibt bis zum Lebensende bei seiner Vision, wird aber zugleich auch immer skeptischer im Blick auf die Realisierung von Produktivassoziationen.

So ließ die Erfahrung Ketteler auch immer mehr zur Erkenntnis erlangen, dass der Weg der Sozialpolitik energischer eingeschlagen werden muss. Dies bedeutet, dass er einen gewerkschaftlichen Zusammenschluss der Arbeiter und eine Einschaltung der staatlichen Gesetzgebung zur Ordnung und Humanisierung der industriellen Arbeitswelt fordert. Im Jahre 1865 formuliert er in einer Predigt in Mainz: „Aber auch Religion und Sittlichkeit allein reichen nicht aus, um die Arbeiterfrage zu lösen. Gewiss, der Staat muss mithelfen, die Kirche muss helfen, die Gemeinde muss helfen. Alles muss die Hand dazu reichen, um den Stand (der Arbeiter) vor dem Verderben zu schützen, vor dem der Zahl nach alle anderen Stände zusammengenommen beinahe verschwinden und der durch seine Bedeutung in der Gesellschaft jedem anderen Stande völlig gleichkommt."[8] „Damit wies Ketteler auch den Weg von einer systemändernden Sozialreform zu einer auf Einzelmaßnahmen gerichteten Sozialpolitik bei prinzipieller Anerkennung der modernen kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Nicht durch eine romantische Verteufelung von Industrie und Kapitalismus war dem Arbeiter zu helfen. Das kapitalistische System war hinzunehmen, und bei kritischer, aber auch ideologiefreier Betrachtung waren seine Möglichkeiten zu nutzen. Nicht gegen, sondern innerhalb dieses Systems hatte nach Ketteler fortan der Katholizismus an der Gestaltung der sozialen Welt mitzuarbeiten."[9] Immer stärker forderte Ketteler den Zusammenschluss der Arbeiter in Organisationen nach dem Beispiel der englischen Gewerksvereine (Trade Unions). Er formuliert hier auch im Einzelnen klare Forderungen.[10]

Immer stärker konzentriert Ketteler diese Forderungen: Erhöhung des Arbeitslohns, Verkürzung der Arbeitszeit, Gewährung von Ruhetagen, Verbot der Fabrikarbeit von Kindern, Abschaffung der Fabrikarbeit von Müttern und auch von jungen Mädchen. Immer deutlicher wird für ihn, dass die soziale Frage das schwierigste und wichtigste Problem der Gegenwart ist. Trotz aller Schwierigkeiten hat die Kirche die Pflicht zu helfen, denn die soziale Frage ist mit ihrem Hirten- und Lehramt ganz eng verbunden.[11] Ketteler wird nicht müde, dies in eine konkrete Sozialpolitik umzusetzen. Ein letztes Zeugnis dafür ist die Schrift „Die Katholiken im deutschen Reiche. Entwurf zu einem politischen Programm aus dem Jahr 1873".[12] In dieser Programmschrift erweist sich Ketteler endgültig als pragmatisch-realistischer Sozialpolitiker. Dennoch ist der resignative Ton nicht zu übersehen.

Nach 1873 äußert sich Ketteler nur noch sporadisch zur sozialen Frage.[13] Er begibt sich endgültig auf den Boden der staatlichen Sozialgesetzgebung, wie schon dargelegt wurde. Die Einführung der Sozialversicherungen gegen Unfall, Krankheit und Alter, die Arbeiterschutzpolitik überhaupt, hatte Ketteler zwar vorbereitet, konnte ihre Einführung aber selbst nicht mehr konkret erleben. Inzwischen hatte freilich auch der Kulturkampf begonnen. Der Kampf um die „Freiheit der Kirche" verlangte alle Kräfte.

 

III.

 

Es dauerte in der Forschung einige Zeit, bis man Bischof Ketteler auch in seiner Bedeutung für die „Freiheit der Kirche" stärker entdeckte. Man sieht ja bereits in seiner frühen Jugendzeit, als er seinen Dienst in der Justiz aufgibt, wie sehr ihm die Freiheitsrechte des Menschen und die Freiheit der Kirche am Herzen liegen.

Die Freiheitsrechte waren damals eingeschränkt durch die spätabsolutistischen Praktiken vieler deutscher Staaten, die Freiheit der Kirche durch einen zunehmend unduldsam werdenden weltanschaulichen Liberalismus. Auch seine berühmte Rede in der Paulskirche 1848 ist schon von diesem Kampf gegen jede Form des „Polizeistaates" bestimmt. „Ketteler sympathisierte anfangs mit den Bestrebungen des Liberalismus. Doch nachdem sich der Liberalismus zunehmend intolerant der Kirche gegenüber gebärdete, wandelte sich Kettelers Einstellung zu den Liberalen."[14] Dies zeigt sich z. B. in der Rede Kettelers beim Katholikentag 1871 in Mainz. Der Liberalismus „hat zu seinem Entsetzen gesehen, dass auch die Kirche, dass auch das christliche Volk die Freiheit zu benutzen weiß und dass das christliche Leben, seitdem die alten Beschränkungen teilweise entfernt sind, wunderbaren Aufschwung nimmt. Darum sehnt er sich wieder nach der Polizei, nicht zwar für sich, aber für die Kirche und das christliche Volk."[15]

Auch in der Schrift „Freiheit, Autorität und Kirche" aus dem Jahr 1862 wird diese „Heuchelei" gegeißelt.[16] So fordert Ketteler immer wieder Meinungs- und Pressefreiheit, Versammlungs- und Koalitionsfreiheit, Lehr- und Lernfreiheit, Religionsfreiheit, Freiheit für die Kirche. Programmatisch heißt es in der Freiburger Katholikentagsrede von 1875: „Das höchste Gut eines Volkes ist neben der Religion die Freiheit ... Die Freiheit gehört zu den großen idealen Gütern der Menschheit. Je materialistischer die Zeit, desto mehr verliert sie die Liebe zu den idealen Gütern, desto mehr neigen sich die Menschen dahin, alles unter dem Gesichtspunkt des Geschäftes zu betrachten und auch den Ideen, ja der Freiheit zu entsagen, wenn man damit ein gutes Geschäft machen kann." Auf die Frage, was die Freiheit in Wirklichkeit und am Ende sei, antwortet Ketteler: „Die Freiheit ist vor allem eine persönliche. Wahre Freiheit ist wesentlich freie Selbstbestimmung. Wo die freie Selbstbestimmung auf allen berechtigten Gebieten dem Manne genommen ist, ist es Torheit, von Freiheit zu sprechen."[17]

Ketteler hat besonders im Südwesten, vor allem für die Oberrheinische Kirchenprovinz, unentwegt für diese Selbstbestimmung der Kirche gekämpft. Zwei Denkschriften an die Regierungen von 1851 und 1853 atmen seinen Geist. Im Jahr 1854 schließt er die so genannte Mainz-Darmstädtische Konvention, die über Jahrzehnte ein einigermaßen erträgliches Verhältnis zwischen Kirche und Staat in Hessen sichert.[18] So ist Ketteler auch in diesem Kampf um die Freiheit eine wegweisende Gestalt im katholischen Deutschland seiner Zeit.[19]

 

IV.

 

Wenigstens kurz soll das Thema Bischof von Ketteler und das Erste Vatikanische Konzil angesprochen werden. Dazu gibt es eine Fülle von Dokumenten. Der gesamte Band 3 (Abteilung I) „Schriften, Briefe und Materialien zum Vaticanum I 1867 bis 1905" (1982) mit über 1000 Seiten enthält diese Texte.[20] Diese Texte zeigen, dass Bischof von Ketteler persönlich immer von der Unfehlbarkeit und dem Primat des Papstes überzeugt war, aber gegen eine Dogmatisierung Bedenken hatte, weil er die damit zusammenhängenden Fragen noch nicht nach allen Seiten hin ausreichend diskutiert und in Schrift und Tradition belegt fand. Da das Mainzer Priesterseminar mit den dort lehrenden Professoren seit Beginn des 19. Jahrhunderts als eine Hochburg des Ultramontanismus und der neuen scholastischen Theologie galt, ist man über diese Haltung Kettelers verwundert.[21] „Um so mehr erstaunt es auf den ersten Blick, dass Ketteler, der in seiner Gesamthaltung gemäßigt ultramontan eingestellt war, auf dem Konzil zu den dezidierten Gegnern einer Dogmatisierung der Unfehlbarkeit des Papstes in der von der Mehrheit vertretenen Form gehörte."[22]

Man hat dies oft auf die Tatsache zurückgeführt, dass Ketteler in München bei Johann Joseph Ignaz von Döllinger, dem bekannten Kirchenhistoriker, studierte. Dies dürfte aber nicht der entscheidende Einfluss sein. Schließlich war Ketteler ein Gegner der Agitationen Döllingers gegen den päpstlichen Primat. Die Situation verschärfte sich, als Pius IX. im April 1870 mitteilte, die Darstellung des Primates und der Unfehlbarkeit des Papstes solle vom Gesamtschema über die Kirche getrennt werden und gesondert behandelt werden. Wie aus den Dokumenten hervorgeht, war Bischof Ketteler an dieser Stelle besonders enttäuscht und verfasste eine Protestnote, die von 71 weiteren Bischöfen unterzeichnet wurde. Er war in seinem Kirchenbild von Johann Adam Möhler, den er zwar in München nicht mehr gehört hatte, sehr geprägt. Dies bedeutet, dass die Kirche als ein lebendiger Organismus verstanden wird. Ketteler konnte sich über die schon genannten Argumente hinaus schlecht vorstellen, dass die Aussagen über den Papst aus dem organischen Gesamtgeflecht der Lehre über die Kirche herausgelöst werden sollen. In einer viel beachteten Rede brachte er dies am 23.5.1870 leidenschaftlich vor dem Konzil zum Ausdruck: „Eindringlich beschwor er aus seinem organischen Kirchenverständnis heraus die Wahrung bischöflicher Rechte und die Kollegialität von Primat und Episkopat. Er grenzte sich damit scharf gegen einen absolutistischen Unfehlbarkeitsbegriff ab, wie er von kurialen Kreisen und von Vertretern der Majorität verfochten wurde."[23] Auch weitere Versuche, sogar unmittelbar vor der Abstimmung bei Pius IX. selbst, scheiterten. So reiste Ketteler am Vorabend der Abstimmung (18.7.) mit anderen Bischöfen ab.

Die näheren Umstände brauchen hier nicht weiter verfolgt zu werden. Nach der Rückkehr in das Bistum Mainz ließ Ketteler die Verlautbarung des Konzils im Kirchlichen Amtsblatt vom 20.8. veröffentlichen. Er bekannte sich damit ohne Abstriche zu den Entscheidungen des Konzils. Im März 1871 erschien mit der Schrift „Das unfehlbare Lehramt des Papstes nach der Entscheidung des Vatikanischen Konzils" die letzte größere Äußerung Kettelers.[24] Darin behandelt er wiederum das rechte Mit- und Ineinander des unfehlbaren Lehramtes des Papstes mit dem der Kirche bzw. des Episkopats. „Er gibt seiner Hoffnung Ausdruck, dass dieses Verhältnis klarer hervortreten werde, wenn das ja nur unterbrochene Konzil erst seine Arbeit fortgesetzt habe und eine vollständige Konstitution über die Kirche verkündet sei. Das 2. Vatikanische Konzil hat mit der ‚Dogmatischen Konstitution über die Kirche' diese Hoffnung 1964 erfüllt, und zwar auf tiefere und gründlichere Weise, als es 1870 möglich gewesen wäre."[25] Da Ketteler von der Wahrheit der päpstlichen Unfehlbarkeit überzeugt war, freilich an der „Opportunität" der Dogmatisierung zweifelte, er selbst auch offen für seine Auffassung bis zuletzt kämpfte, aber eben mit seinen Forderungen mit der Mehrheit der deutschsprachigen Bischöfe nicht durchgedrungen ist, kann man ihm nicht der Heuchelei und der Feigheit bezichtigen, wie man es immer wieder getan hat und tut.[26]

 

V.

 

Obgleich vor allem der langjährige Sekretär Bischof Kettelers, der spätere Domdekan Dr. Johann Michael Raich (1832-1907)[27], wichtige Werke nach dem Tod des Mainzer Bischofs herausgab, vor allem die Predigten (2 Bände, Mainz 1878), die Briefe (Mainz 1879) und besonders die Hirtenbriefe (Mainz 1904), waren viele Schriften, die zu Lebzeiten Kettelers eine große Verbreitung fanden, nicht mehr leicht zugänglich. Die großen Biografien von Otto Pfülf[28] und die freilich ganz anders ausgerichtete von Fritz Vigener[29] teilten in Auszügen viele Texte mit. Im Jahre 1911/1924 erschien eine dreibändige Auswahl „Wilhelm Emmanuel von Kettelers Schriften", hrsg. von Johannes Mumbauer, die gewiss wissenschaftlichen Ansprüchen nicht genügte, aber auf über 1000 Seiten doch der Nachwelt einen ersten Überblick verschaffte.[30] Den unhaltbaren Zustand beschreiben E. Iserloh und Chr. Stoll beim 100. Todestag im Jahr 1977 folgendermaßen: „An Büchern über Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler ist kein Mangel. Die Bedeutung seiner Schriften und Ansprachen wird gerühmt, doch gelesen werden sie kaum. Sie sind nicht einmal verfügbar; allenfalls werden sie in Antiquariaten angeboten."[31]

Dies sollte sich jedoch bald nach dem Zweiten Weltkrieg ändern. Das wissenschaftliche Interesse an Ketteler war nach 1945 gewachsen, was zweifellos mit der stärkeren, auch praktischen Bedeutung der kirchlichen Soziallehre zusammenhing. 1963 erhielt der Mainzer Professor für Kirchengeschichte und Patrologie Dr. Ludwig Lenhart (1901-1971) von der Akademie den Auftrag, „eine bislang noch ausstehende Gesamtausgabe der staats- und sozialpolitischen Schriften des Mainzer Bischofs ... vorzubereiten".[32] Lenhart, der seine Kenntnis Kettelers in drei Bänden, die in den Jahren 1966 bis 1968 erschienen[33], belegte, dachte zuerst an die „Herausgabe dieser gesammelten Schriften in zwei Bänden von ca. je 15-20 Bogen".[34] Bald musste man erkennen, dass das Lebenswerk Kettelers sehr viel umfangreicher war, sodass man eine kritische Gesamtausgabe plante, die jedoch wegen finanzieller Schwierigkeiten bald nicht mehr fortgesetzt werden konnte.[35] Dabei ist es aufschlussreich, dass die Herausgabe der staats- und sozialpolitischen Schriften durch den bekannten Kirchenhistoriker Hubert Jedin (1900-1980) veranlasst wurde.[36] Erwin Iserloh baute eine Arbeitsstelle im Mainzer Akademiegebäude aus, sodass die Editionsarbeiten zügig fortgesetzt werden konnten.[37] Die ersten beiden Bände der Gesamtausgabe konnten so pünktlich zum Jubiläumsjahr 1977, in das Kettelers 100. Todestag fiel, im Mainzer Verlag von Hase & Koehler erscheinen.

Neben den gedruckten Arbeiten Kettelers enthält die Ausgabe einen Großteil des gesamten handschriftlichen Nachlasses sowie den reichen Briefwechsel des Bischofs, soweit er in ca. 40 in- und ausländischen staatlichen kirchlichen und privaten Archiven nachgewiesen werden konnte. Die Ausgabe besteht aus zwei Teilen: Die Abteilung I enthält Schriften, Aufsätze und Reden aus den Jahren 1848 bis 1877, dem Todesjahr des Bischofs, in fünf Bänden. Die II. Abteilung enthält Briefe und öffentliche Erklärungen in sechs Bänden. Diese Abteilung zeigt, in welch hohem Maß Bischof Ketteler briefliche Beziehungen unterhielt. Gewiss ist dieser überreiche Briefwechsel noch nicht genügend für das Verständnis von Kettelers Leben und Wirken herangezogen worden.

In diesem Zusammenhang wurde auf eine Veröffentlichung der Gesamtheit der Predigten und anderer Texte verzichtet. Sie gehören auch gewiss nicht zu den staats- und sozialpolitischen Schriften des Mainzer Bischofs. Man hat auch darauf hingewiesen, dass z. B. die Predigten leicht zugänglich seien.[38] Schließlich stieß man wieder auf finanzielle Grenzen. Es war aber im strengen Sinn nicht exakt, unter Weglassung dieser und anderer Schriften bzw. Verlautbarungen, die Edition zu bezeichnen mit dem Titel „Sämtliche Werke und Briefe". Von den Hirtenbriefen, die immerhin mit über 70 Stücken einen Band mit fast 1000 Seiten füllen, ist überhaupt nicht die Rede. Immerhin konnte das geplante Gesamtwerk im Jahr 2001 mit dem letzten Band der Briefabteilung (II/6) abgeschlossen und 2002 der Öffentlichkeit übergeben werden. In der Zwischenzeit hatte Prof. Dr. Klaus Ganzer, Würzburg, als Vorsitzender der Kommission die Betreuung des Unternehmens übernommen. Der Gesundheitszustand von Prof. Iserloh hatte sich in den 90er Jahren zunehmend verschlechtert. Prof. Lenhart, der wichtige Vorarbeiten übernommen hatte, war bereits 1971 verstorben. K. Ganzer[39] schreibt in diesem Zusammenhang: „Die entscheidende Arbeit der Edition leisteten von Anfang an die wissenschaftlichen Mitarbeiter. Es waren dies von den ersten Bänden an bis zum Abschluss die Herren Dr. Norbert Jäger und Christoph Stoll und bei einzelnen Bänden die Herren Dr. Emil Valasek, Dr. Bernd Goldmann und Frau Dr. Angelika Senge. Die Texterfassung besorgte Frau Ellen Sippel." Für den neuen Band I/6 (Mainz 2011) ist mit Dr. Norbert Jäger noch Frau Sieglinde Becker zu nennen.

Als ich 1983 Bischof von Mainz wurde und immer mehr auch mit dem Leben und Wirken Bischof Kettelers, einschließlich seiner Veröffentlichungen, zu tun bekam, war ich mit dem völligen Ausfall der gewiss zunächst pastoral orientierten Verlautbarungen Kettelers unzufrieden. Die Vernetzung der gesamten Tätigkeit Kettelers mit seiner Hirtenaufgabe als Bischof von Mainz und die Bedeutung dieses Hintergrundes für seine sozial-politisch orientierte Aktivität konnten auf die Dauer nicht faktisch ausgeblendet werden, wie es mindestens durch den Verzicht auf die Hirtenworte geschehen konnte. Einzelne wichtigere Hirtenbriefe sind, übrigens wie einige Predigten, in die Gesamtausgabe übernommen worden. Es sind 15 Stücke. In enger Zusammenarbeit mit der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz ist es nach vielen Jahren gelungen, die Hirtenworte in einem eigenen Band zu veröffentlichen und als Band 6 in die I. Abteilung des Gesamtwerkes einzufügen.[40] Über die Gründe, warum schließlich die Hirtenbriefe in der früheren Konzeption zwar ins Auge gefasst wurden, aber dann doch nicht veröffentlicht werden konnten, geben Herr Dr. Norbert Jäger und ich im Vorwort und im Geleitwort dieses Bandes ausführlicher Rechenschaft, sodass ich es hier nicht im Einzelnen darlegen muss.[41]

Ich freue mich sehr, dass es - nun unmittelbar vor dem 200. Geburtstag von Bischof von Ketteler - gelungen ist, den Band „Hirtenbriefe" in einer Neubearbeitung vorzulegen. Ich danke dem Bearbeiter, Herrn Dr. Norbert Jäger und für die Mitarbeit Frau Sieglinde Becker herzlich für das Zustandekommen dieses Bandes. Einen besonderen Dank möchte ich der Präsidentin der Akademie, Frau Prof. Dr. Elke Lütjen-Drecoll, und dem Generalsekretär, Herrn Prof. Dr. Claudius Geisler, sagen, die sich für die Realisierung des Vorhabens eingesetzt haben. Herrn Olaf Meding danke ich auch für die Betreuung der Drucklegung. In Herrn Dr. Jäger konnten wir einen Mitarbeiter der ersten Stunde gewinnen, der zugleich auch die Gewähr bot für eine ebenbürtige Neubearbeitung der Hirtenbriefe, sodass um so mehr eine Integration in den Gesamtplan verantwortet werden konnte. Ich möchte Herrn Dr. Jäger auch für die sehr gute persönliche Zusammenarbeit einen ganz besonderen Dank sagen.

 

VI.

 

Warum ist der Band mit den „Hirtenbriefen" so wichtig? Zuerst einige Stichworte zur Bestimmung dieser eigenen Gattung kirchlicher und bischöflicher Verlautbarungen: Hirtenbriefe von katholischen Bischöfen gehen auf die Briefe der Apostel und die Schreiben an die frühchristlichen Gemeinden in nachapostolischer Zeit zurück. Berühmt sind ferner die Osterfestbriefe der Bischöfe von Alexandria. Der große Mailänder Erzbischof Karl Kardinal Borromäus (1538-1584), der für Bischof von Ketteler immer ein großes Vorbild war, hat den Brauch von Hirtenbriefen als Instrument der Seelsorge erneuert. Sie sind bestimmt zur Verlesung auf der Kanzel, und zwar zur Österlichen Bußzeit („Fastenhirtenbriefe"). Sie dienen aber auch als Stellungnahmen zu lehramtlichen, pastoralen und aktuellen Herausforderungen. Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts wurden diese Hirtenbriefe auch in Deutschland mehr und mehr eingeführt. Es gibt gemeinsame Rundschreiben versammelter Bischöfe oder auch von Bischofskonferenzen. Ich vermute, dass Bischof Ketteler in den Hirtenbriefen ein ganz wichtiges Medium der bischöflichen Verkündigung sah und sich deswegen auch sehr oft dieser Rundschreiben bediente. Die Zahl der Hirtenbriefe, die freilich viele Gattungen enthalten: vom kurzen Aufruf bis zum ausführlichen Lehrschreiben, beträgt in der Ausgabe von Domdekan Dr. Raich 71 Texte. Diese Zahl dürfte außerordentlich hoch sein, wenn man sie mit den veröffentlichten Verlautbarungen anderer Bischöfe vergleicht.

Zur Arbeitsweise Kettelers bemerkt sein Biograf Otto Pfülf: „Ketteler pflegte seine Bücher, Hirtenschreiben, wie auch den größeren Teil seiner Briefe zu diktieren, unterzog aber dann das Diktat einer eigenhändigen Korrektur. Damit war die Sache abgemacht. Während des Druckes wurde kaum mehr etwas geändert."[42] Er ließ sich bei aller Selbstständigkeit gerne helfen: „Der selige Bischof gab in der Regel nichts in Druck, ohne dass er es zuvor seinem Domdekan (Prof. Dr. J. B. Heinrich) zur Durchsicht gegeben hätte, und er fügte sich dessen Korrektur wohl ausnahmslos." So Kettelers Nachfolger Bischof Prof. Dr. Paul Leopold Haffner.[43]

In den frühen 60er Jahren wurden die Hirtenbriefe Kettelers, die zuerst für das Bistum Mainz gedacht waren, immer mehr auch anderswo gelesen. So erschienen sie ab 1963 als gedruckte Veröffentlichungen auch im Buchhandel. Bei der Stellung Kettelers in der Gemeinschaft der deutschen Bischöfe hat Ketteler manche Hirtenbriefe und Denkschriften verfasst, die die deutschen bzw. preußischen Bischöfe sich zu eigen gemacht haben. So sind es in der Ausgabe sechs Hirtenbriefe, die über das Gebiet des Bistums Mainz hinaus grundsätzliche Gültigkeit erlangt haben. Sie sind deshalb auch schon von Dr. Raich in den Band der Hirtenbriefe von 1904 aufgenommen worden. Im Übrigen lagen auch drei Gemeinden der Diözese Mainz (Bad Homburg, Kirtorf und Rödelheim) seit 1866 auf dem Gebiet des preußischen Staates, so dass Ketteler sich mit den anderen preußischen Bischöfen äußern konnte.[44]

Wenn man auf die Anlässe der Hirtenbriefe schaut, ist man sehr überrascht, wie viele Themen auf fast allen Ebenen der Kirche angesprochen werden. Es geht nicht nur um die Gemeinden und das eigene Bistum, sondern um die Oberrheinische Kirchenprovinz, die Kirchenpolitik von Preußen, die Gesamtheit der Bischöfe und der Kirche in Deutschland, die Kurie, die Weltkirche und den Papst. Auch die Ökumene spielt eine Rolle, was m. W. noch nicht genügend erforscht ist. In diesem Sinne ist auch das Ortsregister aufschlussreich (vgl. 724f.). Bischof Ketteler ist bei aller Konzentration auf das Bistum Mainz bestrebt, die Gläubigen am reichen, vielschichtigen Leben einer Weltkirche teilnehmen zu lassen. Auch dies geht im allgemeinen über sonstige Hirtenbriefe hinaus. Hier begegnet uns ein sehr universales Kirchenverständnis.

In ähnlicher Weise gilt dies auch für die Themen. Zwar gibt es einzelne Begebenheiten, in denen Bischof Ketteler sehr konkret bestimmte Anliegen im Bistum anspricht. Dies gilt z. B. für die Gründungen von Waisenhäusern („Knabenanstalt", „St. Marienhaus"), wenn er z. B. in jedem Jahr eine Kirchenkollekte für diese Einrichtungen verlangt. „Am Sonntage vorher ist hiervon der Gemeinde Kenntnis zu geben. Über den Erfolg der Kollekte muss innerhalb vierzehn Tagen nach derselben dem bischöflichen Ordinariate Bericht erstattet werden. Die Einsendung der Beiträge selbst kann gelegentlich und später erfolgen ... Die angeschlossenen Exemplare des Hirtenbriefes sind noch vor Abhaltung der Kollekte in den Gemeinden zweckmäßig zu verteilen."[45] Der Mainzer Bischof ruft mit sehr konkreten Aufforderungen die Bistumsangehörigen auf, ihm für bestimmte Initiativen volle, konkrete Unterstützung zu leisten. Dabei fällt auf, dass bei aller Wichtigkeit die sozialen Anliegen keinen sehr großen Anteil haben. Aber wenn er solche Forderungen hat, fasst er sie ziemlich kategorisch zusammen, wie z. B. der Hirtenbrief Nr. 17 aus dem Jahr 1859 „Über die Unterstützung der geistlichen und karitativen Einrichtungen der Diözese" aufweist.[46] So existieren im Bistum Mainz noch manche Einrichtungen, die unmittelbar auf solche Bitten und Wünsche des Bischofs zurückgehen.[47] In diesem Sinne benutzt Bischof von Ketteler die Hirtenbriefe in einem hohem Maße als Instrumente seines pastoralen Wirkens.

Die Hirtenbriefe sind im Übrigen für die Gläubigen eine erstaunliche Zumutung. Ob sie immer ganz gelesen worden sind, abgekürzt wurden oder nicht, sie sind jedenfalls mitunter nicht nur sehr lang, sondern sie verlangen auch eine große geistige Aufmerksamkeit und ein erhebliches Differenzierungsvermögen. Dies gilt z. B. für die sehr frühen Hirtenbriefe über den sogenannten „Deutschkatholizismus" aus den Jahren 1851/52.[48] Manchmal geraten die Hirtenbriefe zu geradezu ausführlichen Abhandlungen, so z. B. der Text Nr. 69 vom 1. Februar 1877 - es ist der letzte Hirtenbrief des Bischofs - „Über die christliche Arbeit" mit 18 Druckseiten.[49] Bischof von Ketteler spricht besonders aber auch Themen der Oberrheinischen Kirchenprovinz (1851, 1853) und der deutschen Bischöfe überhaupt an (1848, 1869, 1872), ganz abgesehen von den zahlreichen Hirtenbriefen über die Beziehungen zum Papst und zu Rom (Papstjubiläum, Peterspfennig, Kirchenstaat usw.). Insgesamt reist er fünfmal nach Rom.

Ich bin der Meinung, dass Bischof Ketteler bewusst die Hirtenbriefe zur argumentativen Information und auch zur verstärkten Bildung der Katholiken benutzt. Dabei ist kaum ein Thema ausgeschlossen. Er möchte wirklich gebildete und urteilsfähige Schwestern und Brüder des Glaubens haben. Partizipation im Sinne des gemeinsamen Priestertums aller Gläubigen wird dadurch ein konkretes Thema. Er öffnet Augen, Ohren und Herzen der Katholiken auch für die Fragestellungen und Nöte außerhalb des Bistums. Kettelers Hirtenbriefe sind wirklich katholisch im ursprünglichen Sinne des Wortes.

Dies darf nicht blind machen für die vielen konkreten Themen im Leben der Kirche und ihres Wirkens in der Gesellschaft.[50] Ketteler hat z. B. ein hohes Interesse an der Wiedererweckung des „Großen Gebetes", am Gottesdienst überhaupt, an den Heiligen des Bistums (z. B. Bonifatius, Gottfried von Ilbenstadt), den Ordensgemeinschaften und Klöstern, der Kinderbeichte, den Konvikten, den Krankenhäusern, dem Priesterseminar, der Sonntagsheiligung und besonders auch an den Medien usw. Einen sehr hohen Stellenwert hat die Sorge des Bischofs - was bisher wohl viel zu wenig beachtet worden ist - für Ehe und Familie, die Kindererziehung, die Schule, den Religionsunterricht, aber auch für „gemischte Ehen", die Ausbildung und das Leben der Priester, die Begräbniskultur, die Bedeutung des Kirchenaustritts. Aber auch für Hirtenbriefe eher etwas abseits liegende Themen werden erörtert: Ablass, Altkatholiken, Herz-Jesu-Verehrung, Indifferentismus, Krieg, Mission, Konzil, Revolution, Toleranz, politische Wahlen. Immer wieder steht die Liebe zur Kirche im Mittelpunkt, wobei ihre Sendung zu den Menschen in der Kirche und in die zerrissene Welt hinein sehr ausgewogen erscheint.

Um Kettelers Einsatz als „Sozialbischof" und auch um seinen Kampf für die „Freiheit der Kirche" ausreichend in ihren Wurzeln zu verstehen, muss man auch einen Blick auf den Bischof und Seelsorger Ketteler richten. Die Botschaft des Evangeliums für die Armen und Bedrängten und das Zeugnis für es in der weltweiten Kirche sind und bleiben der Hintergrund für die säkularen Dimensionen des kirchlichen Handelns von Ketteler. Diese dürfen nicht losgetrennt werden vom Wurzelboden der gelebten Kirche, die immer wieder der Stärkung bedarf. Insofern ist es problematisch, die staats- und sozialpolitischen Schriften zu sehr von den spirituellen, pastoralen und theologischen Zeugnissen abzukoppeln. Deshalb ist auch Vorsicht geboten, wenn man die Begriffe Sozialreformer, Sozialpolitiker usw. für Ketteler verwendet. Darum gehören die „Hirtenbriefe" in die „Sämtlichen Werke".

Es gibt noch viele Themen, die im Bereich der Pastoral einer eigenen Darstellung bedürften. Ich erinnere z. B. an das Aufblühen der Ordensgemeinschaften nach Kettelers Dienstantritt. Seine Sorge für die Ausbildung der Priesterkandidaten und für das Leben der Priester wurde schon erwähnt. Aber auch sein hoher, manchmal verkannter Einsatz für die Sanierung des Mainzer Domes muss genannt werden.[51] Von einer Wertung der theologischen Argumentation bei Ketteler im allgemeinen und im besonderen bei den Hirtenbriefen muss hier ganz abgesehen werden. Ketteler verwendet jedenfalls in den Hirtenbriefen zwar relativ wenige, aber sorgfältig ausgesuchte, treffende Texte der klassischen theologischen Tradition. Bei ihrer Auswahl darf man wohl die Handschrift von J. B. Heinrich vermuten.

Als Propst Ketteler von Berlin im Jahr 1850 nach Mainz kam, spürte man noch überall die Wunden des alten untergegangenen Erzbistums Mainz. Mühsam entdecken wir heute, wie der erste Bischof des kleinen Bistums Mainz, Joseph Ludwig Colmar, mit großer Mühe die arg am Boden liegende Kirche Schritt für Schritt aufbaute.[52] Er wurde wegen seiner Herkunft aus dem Elsass, seiner Ernennung durch Napoleon und nicht zuletzt seiner Bischofsweihe in Paris lange Zeit abgewertet. Heute erblicken wir ihn eher in seiner sehr konstruktiven Aufbauarbeit des freilich immer noch armen Bistums Mainz. Vor allem der Klerus musste erneuert werden. Aber auch Gottesdienst und Frömmigkeit waren schwach. Das Jahr 1848 brachte hier eine bedeutsame Wende. Der erste Mainzer Katholikentag 1848 verstand sich im Anschluss an die Deutsche Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche als „geistiges Parlament des katholischen Volkes". Die zentralen Forderungen der Katholiken bezogen sich auf die Freiheit der Kirche und das Assoziationsrecht. In diesem Kontext rückte Wilhelm Emmanuel von Ketteler, damals noch Pfarrer in Hopsten, die soziale Frage als Kernproblem des Jahrhunderts in den Vordergrund. Er griff das Thema so packend an, dass er vom Mainzer Dompfarrer Joseph Nickel (1802-1855) gebeten wurde, die bevorstehenden Adventspredigten im Mainzer Dom zu halten.

Damit schließt sich der Kreis. Über die Predigten und Hirtenbriefe hinaus hat sich gezeigt, dass das Bild Bischof von Kettelers nicht verkürzt werden darf auf die üblichen Stichworte des „Arbeiterbischofs" und des Kampfes um die „Freiheit der Kirche", aber auch nicht auf seine wichtige Stellung beim Ersten Vatikanischen Konzil, gewiss auch nicht auf sein teilweise recht schwieriges Verhältnis zum Domkapitel.[53] Er muss immer wieder vom Zentrum der tätigen Verkündigung des Evangeliums Jesu Christi durch die Kirche verstanden werden.

(c) Karl Kardinal Lehmann

 

Abdruck - auch in Auszügen - nur nach vorheriger Absprache mit dem Sekretariat des Bischofs gestattet.

 

Anmerkungen, Literaturhinweise und Fußnoten

[1] Apostolische Reise Seiner Heiligkeit Papst Benedikt XVI. nach Berlin, Erfurt und Freiburg, 22.-25.9.2011. Predigten, Ansprachen und Grußworte = Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls, Nr. 189, 24. (Der Papst verweist auf die Rede Kettelers vor der ersten Versammlung der Katholiken Deutschlands 1848 in Mainz; der Text findet sich in Wilhelm Emmanuel von Ketteler, Sämtliche Werke und Briefe, hrsg. von E. Iserloh u.a., Abteilung I, Bd. 1, Mainz 1977, 18.) Künftig wird die Ausgabe „Sämtliche Werke und Briefe" Kettelers abgekürzt mit Angabe der Abteilung und des Bandes sowie der Seitenzahl, also im vorliegenden Fall: I/1, 18. Der Papst hat Bischof von Ketteler bereits in seiner ersten Enzyklika „Deus caritas est" vom 25.12.2005 in Nr. 27 zitiert: „Man muss zugeben, dass die Vertreter der Kirche erst allmählich wahrgenommen haben, dass sich die Frage nach der gerechten Struktur der Gesellschaft in neuer Weise stellte. Es gab Wegbereiter; einer von ihnen war zum Beispiel Bischof Ketteler von Mainz (+1877)", Gott ist die Liebe, Freiburg i. Br. 2006, 56.

[2] R. Morsey, Franz Hitze (1851-1921). Sozialreformer und Sozialpolitiker des Zentrums, Münster 2001, 13.

[3] Vgl. dazu H.-U. Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, fünf Bände, Band 3 (1849-1914), München 1995; Th. Nipperdey, Deutsche Geschichte. 1800-1866. Bürgerwelt und starker Staat, München 1983; ders., Deutsche Geschichte, zwei Bände, Band I (1866-1918): Arbeitswelt und Bürgergeist; Band II: Machtstaat vor der Demokratie, München 1990/92; W. J. Mommsen, Das Ringen um den nationalen Staat. Die Gründung und der innere Ausbau des Deutschen Reiches unter Otto von Bismarck 1850-1890 = Propyläen Geschichte Deutschlands 7/I, Berlin 1993; H. Kaelble, Sozialgeschichte Europas. 1945 bis zur Gegenwart, München 2007; M. Weber, Arbeiterfrage und Arbeiterbewegung. Vorlesungen 1895-1998, hrsg. von R. Aldenhoff-Hübinger = Max Weber Gesamtausgabe, Abt. III/4, Tübingen 2009. Zur kirchlichen Entwicklung vgl. u.a. H. Grebing, Geschichte der sozialen Ideen in Deutschland. Sozialismus - Katholische Soziallehre - Protestantische Sozialethik. Ein Handbuch, Essen 2000; A. Langner, Katholische und Evangelische Sozialethik im 19. und 20. Jahrhundert. Beiträge zu ideengeschichtlichen Entwicklungen im Spannungsfeld von Konfession, Politik und Ökumene, Paderborn 1998 (ausführliche Darstellung zu Ketteler: 154-201 u.ö.). Einen guten Überblick erhält man auch durch Th. Nipperdey, Religion im Umbruch. Deutschland 1870-1918, München 1988; M. Peters, Franz Hitze und die Sozialpolitik des politischen Katholizismus im Deutschen Kaiserreich, Münster 2009. Aus der früheren Literatur vgl. E. Michel, Soziale Geschichte der industriellen Arbeitswelt, Ihrer Krisenformen und Gestaltungsversuche, Frankfurt 1947; F. X. Arnold, Zur christlichen Lösung der sozialen Frage, 2. Auflage, Stuttgart 1949.

[4] Dazu R. Bauer, Paul Josef Nardini. Ein Leben für Benachteiligte, München 2006. - Für die soziale Lage damals in Mainz vgl. F. Dumont u.a. (Hg.), Mainz. Die Geschichte der Stadt, Mainz 1998, 375ff., 429ff., 651ff., 770ff., 899ff.; Mainz und die soziale Frage  in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Zum 100. Todestag von Oberbürgermeister Wallau und Bischof Ketteler. Katalog zur Ausstellung im Rathausfoyer Mainz, 4.8.-4.9.1977 (vgl. Inhalt: 111).

[5] Viele Texte sind in Auswahl zugänglich in der Reihe „Quellentexte zur Geschichte des Katholizismus", hrsg. von A. Rauscher, zu Ketteler vgl. E. Iserloh (Hg.), Wilhelm Emmanuel von Ketteler 1811-1877, Paderborn 1990.

[6] Vgl. I/1, 22-87. Dazu J. Höffner, W. E. von Ketteler und die katholische Sozialbewegung im 19. Jahrhundert = Institut für Europäische Geschichte Mainz, Vorträge Nr. 34, Wiesbaden 1962; E. Iserloh, Die soziale Aktivität der Katholiken im Übergang von caritativer Fürsorge zu Sozialreform und Sozialpolitik, dargestellt an den Schriften Wilhelm Emmanuel von Kettelers, Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Abhandlungen der „Geistes- und sozialwissenschaftlichen Klasse", Jahrgang 1975, Nr. 3, auch in: E. Iserloh, Kirche - Ereignis und Institution, Bd. 1, Münster 1985, 266-284, J. Höffner, Bischof Kettelers Erbe verpflichtet = Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz 5, Bonn o. J. (1977), auch in: J. Höffner, In der Kraft des Glaubens, Bd. II, Freiburg i. Br. 1986, 423-453. In den Sammelbänden von E. Iserloh und J. Höffner finden sich weitere Beiträge zu Ketteler. Vgl. auch K. Gabriel/H.-J. Grosse Kracht (Hg.), Joseph Höffner (1906-1987), Soziallehre und Sozialpolitik, Paderborn 2006, Texte Höffners: 107-254.

[7] Vgl. dazu den Sammelband Beteiligung am Produktivvermögen, hrsg. vom Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland und vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Hameln 1993; vgl. auch: Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit. Wort des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz  zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland. Eingeleitet und kommentiert von M. Heimbach-Steins und A. Lienkamp, München 1997, Nr. 24, 145, 218.

[8] I/1, 687f.

[9] E. Iserloh, Die soziale Aktivität der Katholiken, in: Kirche - Ereignis und Institution I, 280.

[10] Vgl. dazu die schon genannten Zeugnisse der Rede von 1869 auf der Liebfrauenheide bei Offenbach (I/2, 406-428) und die Referate/Gutachten aus demselben Jahr für die Fuldaer Bischofskonferenz (I/2, 429-468).

[11] Vgl. außer den schon genannten Veröffentlichungen von J. Höffner und E. Iserloh: K. Brehmer, Wilhelm Emmanuel von Ketteler (1811-1877), Arbeiterbischof und Sozialethiker, Regensburg 2009, 30ff., 108ff., bes. 119ff.; H.-J. Grosse Kracht, Wilhelm Emmanuel von Ketteler. Ein Bischof in den sozialen Debatten seiner Zeit, Kevelaer 2011, 89ff., 100ff., 114ff.; vgl. auch Chr. Stoll, Mächtig in Wort und Werk. Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler = Mainzer Perspektiven aus der Geschichte des Bistums 1, Mainz 1997, 26ff. u.ö.

[12] Vgl. I/4, 186-262.

[13] Vgl. freilich: Kann ein katholischer Arbeiter Mitglied der sozialistischen Arbeiterpartei sein?, in: I/5, 502-516.

[14] K. Ganzer, Bischof Wilhelm Emmanuel Freiherr von Ketteler. Zum Abschluss der Werk- und Briefedition, Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Jahrgang 2002, Nr. 1, Stuttgart 2002, 11.

[15] I/4, 25.

[16] Vgl. I/1, 314.

[17] Die Zitate finden sich in I/4, 534, 532, 525; sie sind der Rede beim Freiburger Katholikentag am 1.9.1875 über die wahre Freiheit und ihre Gefahren entnommen. Die Zitation dieser Äußerung bei E. Iserloh, Wilhelm Emmanuel von Ketteler - sein Kampf für Freiheit und soziale Gerechtigkeit, Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, Jahrgang 1987, Nr. 8, Stuttgart 1987, bezieht sich fälschlich auf die Schrift „Freiheit, Autorität und Kirche" aus dem Jahr 1862.

[18] Vgl. I/1, 121ff., 133ff., 197ff.; vgl. auch I/5, 353-393.

[19] Die Thematik des Liberalismus kann in diesem Zusammenhang nicht weiter verfolgt werden. Vgl. dazu A. M. Birke, Bischof Ketteler und der deutsche Liberalismus. Eine Untersuchung über das Verhältnis des liberalen Katholizismus zum bürgerlichen Liberalismus in der Reichsgründungszeit, Mainz 1971. Immer noch unentbehrlich ist F. Vigener, Ketteler. Ein deutsches Bischofsleben des 19. Jahrhunderts, München 1924; L. Gall, Liberalismus und „bürgerliche Gesellschaft", in: ders., Liberalismus, 2. Auflage, Königstein 1980, 162-186. K. Petersen, „Ich höre den Ruf nach Freiheit". Wilhelm Emmanuel von Ketteler und die Freiheitsforderungen seiner Zeit, Paderborn 2005.

[20] Zum Thema vgl. K. J. Rivinius, Bischof W. E. v. Ketteler und die Infallibilität des Papstes, Bern 1976; K. Schatz, Kirchenbild und päpstliche Unfehlbarkeit bei den deutschsprachigen Minoritätsbischöfen auf dem ersten Vatikanum, Rom 1975; ders., Vaticanum I. 1869-1870 (3 Bände), Paderborn 1992-94.

[21] Vgl. dazu R. Lill, in: Handbuch der Kirchengeschichte (hrsg. von H. Jedin), Band 6/1, Freiburg i. Br. 1971, 290ff.

[22] K. Ganzer, Bischof Wilhelm Emmanuel Freiherr von Ketteler, 12.

[23] E. Iserloh, Wilhelm Emmanuel von Ketteler - sein Kampf für Freiheit und soziale Gerechtigkeit, 18.

[24] Vgl. I/3, 821-899, vgl. die Zusammenfassung ebd., 889.

[25] E. Iserloh, Wilhelm Emmanuel von Ketteler - sein Kampf für Freiheit und soziale Gerechtigkeit, 19.

[26] Vgl. dazu K. Schatz, Vaticanum I, 3. Band, 172ff., 207ff., 275ff.; vgl. das dramatische Ringen bei F. Vigener, Ketteler, 565-611.

[27] Dazu in Kürze: S. Duchhardt-Boesken, Johann Michael Raich, in: Biografisch-bibliografisches Kirchenlexikon 7 (1994), 1275f.

[28] Bischof von Ketteler (1811-1877). Eine geschichtliche Darstellung, 3 Bände, Mainz 1899.

[29] Ketteler. Ein deutsches Bischofsleben des 19. Jahrhunderts, München 1924.

[30] Die erste Auflage erschien in München 1911, die zweite unverändert 1924.

[31] E. Iserloh / Chr. Stoll, Bischof Ketteler in seinen Schriften, Mainz 1977, 7 (Vorwort). - Immer wieder erschienen in kleineren Ausgaben ausgewählte Texte von Ketteler, und zwar: F. Schmitz, Für Gerechtigkeit und Wahrheit, Würzburg 1962; E. Iserloh/Chr. Stoll (Hg.), Bischof Ketteler in seinen Schriften, Mainz 1977; W. E. von Ketteler, Getragen vom Willen zur Gerechtigkeit, bearbeitet von H. Budde, Kevelaer 1988; W. E. von Ketteler 1811-1877, hrsg. von E. Iserloh = Beiträge zur Katholizismusforschung, Reihe A, Band 4, Paderborn 1990; Chr. Stoll, Mächtig in Wort und Werk. Bischof W. E. von Ketteler = Mainzer Perspektiven aus der Geschichte des Bistums 1, Mainz 1997; R. Kard. Marx; Christ sein heißt politisch sein. Wilhelm Emmanuel von Ketteler für heute gelesen, Freiburg i. Br. 2011.

[32] Jahrbuch der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, 1963, 176.

[33] Bischof Ketteler: Staatspolitiker - Sozialpolitiker - Kirchenpolitiker (Band 1), Mainz 1966; Bischof Ketteler: Als Theologe der Gesellschaftsreform und des Ersten Vaticanums (Band 2), Mainz 1967; Bischof Ketteler: Papsttum und Bischofsamt vom Ersten zum Zweiten Vaticanum, Mainz 1968.

[34] Jahrbuch der Akademie 1963, 177.

[35] Vgl. Jahrbuch der Akademie 1964, 150.

[36] Jedin wurde 1951 Mitglied der Akademie. Er übernahm 1958 die Leitung der Kommission für Kirchengeschichte. Die Herausgabe der Schriften Kettelers wurde von der Kommission 1962 beschlossen. E. Iserloh wurde 1971 Mitglied und 1979 Kommissionsvorsitzender.

[37] Vgl. zu diesen Anfängen: Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz 1949-1989, Stuttgart/Wiesbaden 1989, 496-499 (E. Iserloh).

[38] Vgl. dazu Akademie der Wissenschaften und der Literatur 1949-1989, 498; K. Ganzer, Bischof Wilhelm Emmanuel Freiherr von Ketteler, 6f.

[39] Bischof Wilhelm Emmanuel Freiherr von Ketteler, 7.

[40] Hirtenbriefe 1850-1877, bearbeitet von Dr. Norbert Jäger, Mainz 2011 (von Hase & Koehler), 729 Seiten.

[41] Vgl. I/6, VIII-XIV.

[42] Band II, 161, Anm.1.

[43] Zitiert bei O. Pfülf II, 326 mit Anm.1.

[44] Vgl. dazu U. Hummel, „Durch Papst Leo XIII. entschieden: St. Johannes (Kirtorf) und St. Marien (Homburg) kommen zum Bistum Limburg.", in: Jahrbuch des Hochtaunuskreises 2010, 150-167.

[45] Nr. 27 vom 19. März 1863: I/6, 319-325, Zitat: 325.

[46] I/6, 212-222.

[47] Über Einrichtungen, die mit dem Namen Bischof Kettelers verbunden sind, im heutigen Mainz vgl. J. Strickstrock, In den Fußstapfen von Bischof Ketteler, in: Mainz 31 (2011), Heft 4, 48-53.

[48] I/6, 13-31; 32-51.

[49] I/6, 701-719.

[50] Ich verzichte hier auf eine umfangreiche Angabe der Fundstellen und verweise auf das ausführliche Sachregister: 726-729.

[51] Vgl. die Nachweise bei „Der verschwundene Dom. Wahrnehmung und Wandel der Mainzer Kathedrale im Lauf der Jahrhunderte, Katalog zur Ausstellung des Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseums Mainz vom 15. April bis 16. Oktober 2011, Mainz 2011, 22f., 44ff., 98ff., 338ff.

[52] Vgl. dazu ausführlicher G. May, Bischof Joseph Ludwig Colmar (1760-1818) als Seelsorger, Mainz 2010.

[53] Vgl. die Zusammenfassung bei K. Ganzer, Bischof Wilhelm Emmanuel Freiherr von Ketteler, 16-22.

Buch-Hinweis: 

Eine Neupublikation der Hirtenworte Bischof Kettelers ist am 25. November in Mainz vorgestellt worden: Wilhelm Emmanuel Freiherr von Ketteler: Sämtliche Werke und Briefe. Band 6 -Hirtenbriefe 1850-1877. Herausgegeben von der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz, bearbeitet von Norbert Jäger. Verlag von Hase und Koehler, Mainz 2011. 729 Seiten, 75,00 Euro. ISBN 978-3-7758-1410-2. (Link)