Der 1. Mai ist der "Tag der Arbeit". Am Vorabend findet im Mainzer Dom und im Erbacher Hof der traditionelle Gottesdienst und Empfang für die Arbeitnehmer statt. Im Jahr 2011 stand beides im Gedenken an Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler. (Zum Bericht der Bischöflichen Pressestelle). Wir dokumentieren die thematische Hinführung und Besinnung im Gottesdienst am 30. April im Mainzer Dom:
Am 25. Dezember dürfen wir den 200. Geburtstag von Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler feiern. In diesem Gottesdienst wollen wir des großen Sozialbischofs gedenken, dessen Wegweisung auch uns Mut macht, uns der sozialen Frage heute und den heutigen sozialen Herausforderungen zu stellen:
Er wurde am ersten Weihnachtsfeiertag 1811 in Münster als sechstes von neun Kindern einer westfälischen Adelsfamilie geboren. Er studierte Jura und wurde Gerichtsreferendar. Nach dem sog. „Kölner Ereignis", der Verhaftung des Kölner Erzbischofs, verlässt Ketteler den Staatsdienst, denn einem Staat, der die Aufopferung seines Gewissens forderte, wollte er nicht dienen. Nach inneren Unruhen und Ungewissheit studierte er in Eichstätt und München Theologie und wurde 1844 in Münster zum Priester geweiht. 2 Jahre später wurde er Pfarrer im westfälischen Hopsten.
Die Begegnung mit der bitteren Armut der Dorfbevölkerung und die Erkenntnis, dass die Not der Menschen auch ihre Ursachen in strukturellen Fehlern hat, forderten ihn zum politischen Engagement. Er wurde 1848 Abgeordneter für die erste deutsche Nationalversammlung in der Paulskirche.
Ebenfalls 1848 war der erste deutsche Katholikentag in Mainz. Hier hielt Ketteler eine Rede zu den sozialen Fragen der Gegenwart und übernahm dann in diesem Jahr die Adventspredigten im Mainzer Dom. 1849 wurde er Probst in Berlin und schon 1850 Bischof von Mainz.
Als Bischof engagierte er sich immer mehr in der Sozialpolitik. In einer Rede vor 10.000 Arbeitern auf der Liebfrauenheide bei Offenbach forderte er den Staat auf, durch Gesetzgebung den Schutz der Arbeiter vor den Übeln des Kapitalismus sicherzustellen. Er forderte dabei die Erhöhung des Arbeitslohnes und die Verkürzung der Arbeitszeit, die Gewährung von Ruhetagen und ein Verbot der Kinderarbeit in den Fabriken. Ketteler machte deutlich, dass private Mildtätigkeit nicht ausreicht. Er wollte keinen Fürsorgestaat, sondern einen Sozialstaat. Es geht um Gerechtigkeit, nicht um Almosen. Und ohne Religion verfielen alle dem Egoismus, egal ob arm oder reich, Kapitalist oder Arbeiter.
Bischof Ketteler war auch Teilnehmer des ersten vatikanischen Konzils. Er sorgte sich dabei sehr um die Schwächung der Stellung des Bischofs durch das geplante Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes. Er gehörte zu jener Minderheit, die das Konzil vor der formellen Schlussabstimmung verließ, um nicht gegen das Dogma der Unfehlbarkeit stimmen zu müssen, beugte sich aber dann dem Votum der Mehrheit.
Am 13. Juli 1877 starb er in Burghausen auf der Rückreise eines weiteren Rombesuchs. Sein Grab befindet sich hier im Mainzer Dom.
Wilhelm Emmanuel von Ketteler hat die sozialen Probleme seiner Zeit erkannt. Er sagt selbst: „Wollen wir die Zeit erkennen, so müssen wir die soziale Frage zu ergründen suchen. Wer sie begreift, der erkennt die Gegenwart, wer sie nicht begreift, dem ist Gegenwart und Zukunft ein Rätsel."
Kyrie
Im Kyrie treten wir bewusst vor unseren Herrn Jesus Christus. Mit einem Wort von Bischof Ketteler und einem Zitat aus dem Wort der Kirchen „Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit" (1997) bringen wir unsere Welt in die Gegenwart des Herrn.
„Unsere Religion ist nicht wahrhaft katholisch, wenn sie nicht wahrhaft sozial ist....Nur dann, wenn unsere Kirche eine wahrhaft soziale Kirche ist, ist sie eine wahrhaft katholische Kirche."
„Die Christen können nicht das Brot am Tisch des Herrn teilen, ohne auch das tägliche Brot zu teilen. Ein weltloses Heil könnte nur eine heillose Welt zur Folge haben." (Nr. 101)
Liedruf: GL 021 Herr erbarme dich (Chor St. Seb. / Gemeinde)
„Um die sozialen Übel zu heilen, genügt es nicht, dass wir einige Arme mehr speisen und kleiden und dem Armenvorstand einige Taler mehr durch unsere Dienstboten zusenden, das ist nur der allerkleinste Teil unserer Aufgabe, sondern wir müssen eine ungeheuere Kluft in der Gesellschaft, einen tief eingewurzelten Hass zwischen Reichen und Armen ausgleichen."
„Tiefe Risse gehen durch unser Land: vor allem der von der Massenarbeitslosigkeit hervorgerufene Riss, aber auch der wachsende Riss zwischen Wohlstand und Armut oder der noch längst nicht geschlossene Riss zwischen Ost und West. Doch Solidarität und Gerechtigkeit genießen heute keine unangefochtene Wertschätzung." (Nr. 2)
Liedruf: GL 021 Herr erbarme dich (Chor St. Seb. / Gemeinde)
„Der Arbeiter mit seiner Kraft wurde ....isoliert, die Geldmacht dagegen wurde zentralisiert.......Die Gottlosigkeit des Kapitals, das den Arbeiter als Arbeitskraft und Maschine bis zur Zerstörung ausnützt, muss gebrochen werden. Sie ist ein Verbrechen am Arbeiterstand und eine Entwürdigung desselben...... Aber auch die Gottlosigkeit der Arbeiter muss vermieden werden".
„Das ökonomische Denken tendiert dazu, das menschliche Leben auf die ökonomische Dimension einzuengen und so die kulturellen und sozialen Zusammenhänge menschlichen Lebens zu vernachlässigen." (Nr. 129)
Liedruf: GL 021 Herr erbarme dich (Chor St. Seb. / Gemeinde)
(c) Referat Berufs- und Arbeitswelt im Bistum Mainz