25. Sonntag im Jahreskreis -

Pfr. Stefan Schäfer

Datum:
So. 30. Sept. 2018
Von:
Pfr. Stefan Schäfer

Liebe Schwestern und Brüder,

begonnen hat es als Angebot für Schüler der benachbarten Grundschule. Inzwischen haben einige von ihnen ihr Abitur gemacht oder einen Ausbildungsplatz gefunden:
Seit Jahren bietet ein engagierter Kreis von Ehrenamtlichen zwei Mal wöchentlich im Pfarrhaus von St. Stephan eine Hausaufgabenhilfe für Kinder und Jugendliche an, deren Familien sich schwertun, sie in schulischen Belangen zu unterstützen und zu fördern. Es sind vor allem, aber nicht ausschließlich, Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund, die dieses Angebot wahrnehmen.
Ich selbst habe an diesem Projekt nur geringen Anteil.
Aber ich gestehe: Wenn ich einmal benennen müsste, worauf ich wirklich stolz bin, weil es in meiner Amtszeit als Pfarrer realisiert worden ist – mir würde zuerst und vor allem die Hausaufgabenhilfe im Pfarrhaus von St. Stephan einfallen.
Andere Projekte mögen mehr Glanz ausstrahlen und größere Aufmerksamkeit bewirken und es macht immer Freude zu sehen, wie etwas gelingt. Hier aber, das ist das Unterscheidende, in dieser unauffälligen Initiative, um die nicht viel Aufhebens gemacht wird, sind wir, da ist für mich kein Zweifel möglich, ganz unmittelbar mit dem verbunden, was Jesus selbst gewollt und getan hat und seinem Auftrag für unsere Zeit tatsächlich treu.

Es fällt von daher gar nicht so schwer, 2000 Jahre zu überbrücken und uns dem heutigen Evangelium zuzuwenden:

Menschlich, allzu menschlich geht es, so wird uns da berichtet, zunächst im Kreis der Jünger Jesu zu. Sie überlegen und diskutieren, wer unter ihnen wohl den ersten Platz einnimmt.
Nicht anders, als wir das eben auch immer wieder tun: wenn wir uns mit anderen vergleichen, besser sein wollen, eine Rangordnung erstellen und den Platz anstreben, der uns endlich die verdiente Anerkennung verheißt.
Die Jünger Jesu scheinen immerhin zu spüren, dass das alles in Gegenwart ihres Meisters nicht so recht passend ist. Als Jesus sie nämlich zur Rede stellt, da verschweigen sie lieber, über welches Thema sie unterwegs gestritten haben.

Und dann spielt sich jene kleine Szene ab, um derentwillen diese ganze Geschichte vom Rangstreit der Jünger überhaupt aufbewahrt und überliefert worden ist.
Der Theologe Eugen Drewermann sieht in ihr eine Art „Evangelium in der Nussschale".
Er schreibt:
„Auch wenn uns aus dem Leben Jesu nichts weiter überliefert wäre als nur diese eine Szene des Markusevangeliums, so würden wir doch alles, was Jesus war und wollte aus diesem Wenigen bereits auf das Vollkommenste zu begreifen vermögen."

Jesus stellt ein Kind in die Mitte – ein Straßenkind vielleicht, das zerlumpt und verlassen an der Ecke steht- und umarmt es.

Und dann braucht es keine lange Predigt mehr.
Zwei Sätze genügen, um diese Handlung zu einem Zeichen werden zu lassen, in dem anschaulich wird und weiterwirkt, worin seine Botschaft besteht:
„Wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf.
Wer aber mich aufnimmt, der nimmt nicht nur mich auf, sondern den, der mich gesandt hat."

Jesus verkündet einen Gott, der herabsteigt, sich entäußert und klein macht, um uns „in Augenhöhe" zu begegnen,
der in die Knie geht, wie wir es vor einem Kind tun müssen, wenn wir uns ihm wirklich und nicht von oben herab zuwenden,
der auch dem Kleinsten und auch uns, in dem, worin wir klein sind und manchmal erbärmlich, noch nahekommen will.
Und dem wir begegnen, wenn wir uns selbst in diese Bewegung des Abstiegs aus Liebe und in der Hingabe an den andern hineinziehen lassen.

Jesus stellt ein Kind in die Mitte. Man kann darin in der Tat das Ganze des Evangeliums gebündelt sehen. Die Mitte der Botschaft Jesu – so wird sie anschaulich:
Die Kleinen ins Zentrum zu stellen und ihnen in wirklicher Anteilnahme, mit Empathie zu begegnen, heißt nicht weniger, als Gott bei sich aufzunehmen.

Uns ist diese Szene überliefert und heute ans Herz gelegt.
Sie wird einer Welt zum Gericht, in der Kinder tot an den Strand gespült werden. 2015 weckte das Bild des syrischen Jungen Aylan Kurdi am Strand von Bodrum, ertrunken im Mittelmeer auf der Flucht nach Europa, die Welt vorübergehend auf. Inzwischen ist, so scheint es, bei vielen das Mitleid ermüdet. Stattdessen macht der Egoismus der Abgestumpften und der immer schon Stumpfen sich breit und droht laut und mächtig zu werden.

In dieser Situation fragt uns die kleine Szene des heutigen Evangeliums, in der es ums Ganze geht, auf welcher Seite wir stehen.

Wie damals die Jünger, so soll sie auch uns in unserer Angst um uns selbst in Frage stellen, die auch uns immer wieder in den Kampf um Rang, Position und Besitzstände treibt. Und uns erkennen lassen, dass in der Hingabe an den Anderen, der Anteilnahme und Zuwendung, der Weg ins Leben erschlossen ist:

Jesus stellt ein Kind in die Mitte.
Und darin ist in der Tat seine Botschaft auf „das Vollkommenste" zu begreifen:

Bis ans Ende der Zeiten sind die „Kleinen" und Hilflosen Gottes Statthalter auf Erden.
Die Bekehrung zu den „geringsten" unserer Brüder und Schwestern sind der Weg, der einzige Durchgang, um in Gemeinschaft mit ihm zu leben.

Amen