Da ist ein wichtiges Wort im Evangelium, das der Erklärung bedarf. Jesus spricht von „lebendigem Wasser“. Mit der samaritischen Frau fragen wir Jesus: „Woher hast du das lebendige Wasser?“ (Joh 4,11).
Da wird zunächst in der Ersten Lesung die Wichtigkeit von Wasser an einer Begebenheit auf dem Wüstenzug Israels veranschaulicht: „An jenen Tagen dürstete das Volk nach Wasser und murrte gegen Mose: Warum hast du uns aus Ägypten hierher geführt? Um uns, um mich und meine Söhne und mein Vieh vor Durst sterben zu lassen?“ (Ex 17,3). Wasser ist lebenswichtig.
Auch Jesus, Mensch wie wir, dürstet. Am Jakobsbrunnen in Sychar bittet er eine Samariterin: Gib mir zu trinken! (Joh 4,7)
Und weil das, was Jesus zu bieten hat, ebenfalls lebenswichtig ist, bedient er sich zur Veranschaulichung des Wassers. Er sagt zur Frau am Brunnen: Wenn du wüsstest, worin die Gabe Gottes besteht und wer es ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, dann hättest du ihn gebeten, und er hätte dir lebendiges Wasser gegeben“ (Joh 4,10).
Was ist „lebendiges Wasser“? Im Buch Ezechiel 36,25 finden wir das Gotteswort: „Ich gieße reines Wasser über euch aus, dann werdet ihr rein … Ich gebe euch ein neues Herz und einen neuen Geist gebe ich euch.“
In Psalm 36,10 beten wir: „Bei dir ist die Quelle des Lebens“ und in Psalm 87,7: „Alle meine Quellen entspringen in dir“.
Auch Paulus bedient sich im Römerbrief 5,1.2.5 des Bildes von „Lebendigem Wasser“: „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“.
Und verbunden mit der Liebe wird uns gesagt: “Gerecht gemacht aus Glauben haben wir Frieden mit Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn.“ Wir sind „gerecht gemacht aus Glauben“, weil der Glaube uns recht macht, richtige Sicht von Gott her schenkt auf ihn, den Schöpfer und seine Schöpfung, auf Zeit und Ewigkeit. Und weil beschenkt mit „lebendigem Wasser“ der Liebe und des Glaubens, „rühmen wir uns unsere Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes“ (Röm 5,1.2.5).
„Lebendiges Wasser sind die „Worte des lebendigen Gottes“. „Lebendiges Wasser“ sind die Heilsgeheimnisse Gottes, angefangen vom Wasser der Taufe. „Lebendiges Wasser“ sind Glaube, Hoffnung, Liebe.
Jesus selbst erklärt der Samariterin am Brunnen: „Wer von diesem Wasser trinkt, wird wieder Durst bekommen; wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm gebe, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, deren Wasser ewiges Leben schenkt“. (Joh. 4,13f) Mit der Samariterin bitten wir: „Herr, gib mir dieses Wasser“ (Joh 4,15).
Das „lebendige Wasser“ des Wortes Jesu im Evangelium heute erinnert an eine Wirklichkeit, die in der Geschichte der Kirche unverständlicher und tragischer Weise ausgeblendet, vergessen wurde, zu Antijudaismus führte, die Wirklichkeit: Jesus ist Jude.
Die Samariterin am Jakobsbrunnen erkennt sofort, dass Jesus Jude ist: „Wie kannst du als Jude mich, eine Samariterin, um Wasser bitten? Die Juden verkehrten nämlich nicht mit den Samaritern“ (Joh 4,9). Und im Lauf des Gesprächs sagt ihr Jesus: „Wir beten an, was wir kennen, denn das Heil kommt von den Juden“ (Joh 4,22).
Jesus ist Jude, Sohn der jüdischen Mutter Maria. Jesus wird beschnitten (Lk 1,21), im Tempel dargestellt. Zwölf Jahre alt, der Zeitpunkt der Bar Mizwä, zieht Jesus mit Maria und Josef zum Paschafest nach Jerusalem hinauf. Dort verlieren sie Jesus (LK 2,41.42). Nach drei Tagen des Suchens finden sie ihn im Tempel; er saß mitten unter den Lehrern (Lk 2,46).
Nach der Versuchung in der Wüste „kehrte Jesus, erfüllt von der Kraft des Geistes, nach Galiläa zurück … Er lehrte in den Synagogen und wurde von allen gepriesen (Lk 4,14.15). Nach seiner Verhaftung sagte Jesus: „Tag für Tag saß ich im Tempel und lehrte und ihr habt mich nicht verhaftet“ (Mt 26,55).
Und über seinem Kreuz steht geschrieben: „Jesus von Nazaret, der König der Juden“ (Joh 19,18).
Jesus ist Jude. Papst Johannes Paul II. hat diese Realität auf den Punkt gebracht: „Jesus ist Jude und er ist es für immer“. Marc Chagall verkündet sie im Bild, in dem er dem Gekreuzigten als Lendentuch den jüdischen Gebetsschal (Talit) gemalt hat.
Jesus ist Jude. Nirgendwo ist jüdische-christliche Verbundenheit so sehr konzentriert als in dem Juden Jesus selbst. Deshalb wer Juden verfolgt, verfolgt damit immer zugleich auch den Juden Jesus Christus. Ein Jude hat uns erlöst. Mit der Samariterin bekennen wir von dem Juden Jesus: „Er ist wirklich der Retter der Welt“ (Joh 4,42).
Wir sind getränkt mit „lebendigem Wasser“, das Jesus uns heute und in jedem Gottesdienst gibt. Heute wird uns von ihm und über ihn gesagt: Jesus ist Jude. Viele Samariter kamen damals zum Glauben an Jesus. „Und er blieb dort zwei Tage. Und noch viel mehr Leute kamen zum Glauben an ihn aufgrund seiner eigenen Worte“ (Joh 4,40.41).
Heute sind wir zu Jesus gekommen. Jetzt sind wir es, die beschenkt sind mit seinen Worten und anderen der Heiligen Schrift. Heute bitten wir mit den Samaritern: „Bleibe bei uns!“ Dein Wort ist uns unentbehrlich. Dein Wort erleuchtet, beseelt, trägt und führt uns. Mit der samaritischen Frau bitten wir voll Verlangen:
„HERR, GIB MIR DIESES, DEIN LEBENDIGES WASSER!“
(Klaus Mayer)