AUF DEM WEG ZUR EINHEIT

Predigt von Monsignore Klaus Mayer zur "Gebetswoche für die Einheit der Christen", 21./22.01.2017

Monsignore Klaus Mayer (c) Bistum Mainz / Blum
Monsignore Klaus Mayer
Datum:
Do. 2. Feb. 2017
Von:
Pfarrbüro

Im Abschiedsgebet am Vorabend seines Leidens fleht Jesus: "Alle sollen eins sein: "wie du, Vater in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast" (Joh 17,21). Jesus denkt dabei nicht nur an seine Jünger damals, sondern: "Ich bitte nicht nur für diese hier, sondern für alle,
die durch ihr Wort an mich glauben" (17,20). Das sind wir.

Das ist die Strategie des Bösen in der Welt: Einheit zerstören, spalten, was spaltbar ist:
Abspaltung des Menschen von Gott, Spaltung der Menschen untereinander, Spaltung der Harmonie der Schöpfung durch Raubbau, Vergiftung, Missbrauch der Erde. Auch wir Christen sind in der Geschichte der Versuchung zur Spaltung zu oft, zu lang, zu verletzend, gewalttätig erlegen.

Zu den beglückenden Entwicklungen der Nachkriegszeit und des Zweiten Vatikanischen Konzils gehört, dass das Bemühen um die Einheit im Glauben an Fahrt zugenommen hat, sich ein Quantensprung ereignet hat.

Als ich 1965 als Pfarrer nach Mainz gekommen bin, gab es schon ökumenisches Bemühen. Höhepunkt war die alljährliche Gebetswoche für die Einheit der Christen vom 18. – 26. Januar, in diesem Jahr unter dem Leitwort: "Versöhnung - Die Liebe Christi drängt uns (2 Kor 5,14). Ich erinnere mich an ökumenische Bibelabende,
abwechselnd im Kath. Lehrlingshaus, Breitenbacher Straße und in Altmünster. Nach Gründung der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen stand eindrucksvoll im Zentrum der ökumenische Gottes¬dienst, wechselweise im Dom und der Christuskirche mit sich an¬schließendem Beisammensein der Repräsentanten der christlichen Kirchen und Religionsgemeinschaften. Ich denke an ökumenische Trauungen, auch hier in St. Stephan. Alljährlich trafen sich die evangelischen und katholischen Seelsorger der Stadt an einem Nachmittag zu gemeinsamem Gebet, Beisammensein und Gespräch über gemeinsame Anliegen im Stadtbereich, abgesehen von persön¬lichen, freundschaftlichen Beziehungen.

Ich denke dankbar und froh an die Feierlichkeiten zum Empfang unserer Kirchenfenster von Marc Chagall und Charles Marq.


Immer waren der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche Hessen-Nassau der Propst für Rheinhessen, der Präses und Dekan der Stadt eingeladen, immer mit einem Grußwort der evangelischen Kirchenleitung. Wie beglückend, dass seit 1978 evangelische Kirchengemeinden und Einrichtungen um Meditationen zu den Chagallfenstern nachsuchen! Wie schön jetzt die enge Verbundenheit zwischen St. Stephan und Altmünster! Ganz wichtig war auch die gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre 1999 in Augsburg. Gelebtes und erlebtes ökumenisches Bemühen auf dem Weg zur Einheit - Dank sei Gott!

"Erinnerung heilen - Jesus Christus bezeugen" ist Titel des gemeinsamen Wortes der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Katholischen Deutschen Bischofskonferenz vom 16. September 2016.
Wir lesen: "Am 31. Oktober 2017 jährt sich zum 500. Mal der Tag, der als Beginn der Reformation gilt."
Dass dazu ein gemeinsames Wort der Evangelischen und Katholischen Kirche aufruft - das gab es noch nie!
Das ist Wirken des Heiligen Geistes.
Wir lesen weiter: "Die Heilung der Erinnerung macht uns frei, noch intensiver und noch glaubwürdiger gemeinsame Boten des Evangeliums zu sein. Sie stärkt uns, 2017 gemeinsam als Christusfest zu begehen." Die Erinnerung an die Reformation vor 500 Jahren gemeinsam als "Christusfest" zu feiern, das ist Wirken des Heiligen Geistes.
In einem gemeinsamen Buß- und Versöhnungsgottesdienst am 11. März 2017 in der Michaeliskirche in Hildesheim werden wir für unsere Kirchen unsere Schuld vor Gott aussprechen, ihn und einander um Vergebung bitten und uns
im Angesicht Gottes auf die weitere Vertiefung unseres Miteinander verpflichten - ein weiterer Meilenstein im Prozess der Heilung der Erinnerungen.
Das ist Wirken des Heiligen Geistes.

Dem gemeinsamen Wort folgte die gemeinsame Pilgerreise des Ratsvorsitzenden der EKD mit dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz und weiteren evangelischen und katholischen Pfarrern in das Heilige Land, das Land Jesu und der Bibel zu den Quellen unseres gemeinsamen Glaubens - beeindruckendes Zeichen der gemeinsamen Suche nach Einheit im Glauben, einzigartiger Einstieg in das gemeinsame Christusfest 2017. Wirken des Heiligen Geistes!
Ein weiteres Zeichen setzte die Evangelische Kirche am Tag des Beginns des Reformationsjahres, dem 31. Oktober 2016. Kardinal Karl Lehmann empfängt als Dank für seine großen Verdienste um die Ökumene von dem Ratsvorsitzenden, Bischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm, als erster katholischer Christ, die Luthermedaille,
die höchste Auszeichnung der Evangelischen Kirche.

Und am gleichen Tag, 31.10., ist, eingeladen vom Lutherischen Weltbund, Papst Franziskus am Gründungsort 1947 in Lund, Schweden zum Auftakt des Lutherjahres. Dort, im ökumenischen Gottesdienst, umarmt der Papst zum Friedensgruß die evangelische Erzbischöfin von Uppsala Antje Jackelén. Welch´ anrührende, menschlich warme Geste! Das Bild geht um die Welt. Am 1. November, Allerheiligen, bei einem Gottesdienst im Swedbank-Stadion in Malmö, ruft Papst Franziskus auf zur "Revolution der Zärtlichkeit".

Schon tags zuvor in Lund machte Franziskus den Protestanten eine "Liebeserklärung", wie im Pressebericht der "Zeit" zu lesen war. Der Papst sagte über Jesus: "Wir können hören, wie sein Herz in Liebe zu uns pocht, und seinen sehnlichen Wunsch spüren, dass alle, die an ihn glauben, eins seien." Franziskus mahnt: "Wir dürfen uns nicht mit der Spaltung und der Entfremdung abfinden.. Es gilt, nicht von den Unterschieden, sondern von den Gemeinsam¬keiten her zu denken." Franziskus betet: "Gewähre uns das Geschenk der Einheit."

In den fast 72 Jahren nach Kriegsende ist auf dem Weg zur Einheit der Christen mehr geschehen als in den Jahrhunderten zuvor. Ein Quantensprung hat sich ereignet. Aber wir sind noch nicht am Ziel.

Gott wird die Einheit schenken. An den christlichen Kirchen wird sich erfüllen, was im Bildwort aus dem Buch Ezechiel von den zwei Hölzern - damals im Blick auf das Nordreich Israel und das Südreich Juda, heute für uns gesagt ist: "So spricht Gott, der Herr: Ich nehme das Holz Josefs, das in der Hand Efraims ist, und der mit ihm verbündeten Stämme Israels, und lege es auf das Holz Judas.
Ich mache sie zu einem einzigen Holz, und sie werden eins in meiner Hand" Ez 37,19). Einheit der Christen heißt nicht Einförmigkeit, sondern, wie in allen Bereichen der Schöpfung, Einheit in Vielfalt: Einheit in gemeinsamem Glaubensbekenntnis, durchaus mögliche Vielfalt in der Ausgestaltung, etwa dem Ritus, der Liturgie.

Einheit der Christen ist zuerst, aber nicht nur Geschenk Gottes. Einheit bedarf auch unseres Mittuns. Dazu braucht es, so Paulus im Brief an die Philipper 2,1-5: "Zuspruch aus Liebe, eine Gemeinschaft des Geistes, herzliche Zuneigung und Erbarmen. Macht meine Freude dadurch vollkommen, dass ihr eines Sinnes seid, einander in Liebe verbunden, einmütig und einträchtig ...
Seid untereinander so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht."

Aber alle Worte der Bibel, die die Einheit als Gabe Gottes und unsere Aufgabe verkünden, gipfeln im flehentlichen Gebet Jesu: "Heiliger Vater, alle sollen eins sein: wie du, Vater, in mir und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast." und dann nochmals verstärkt: "Sie sollen eins sein, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir. So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast und die Meinen ebenso geliebt hast wie mich" (Joh 17,21-23). Die Einheit der Jünger ist nach Jesu Wort Kennzeichen, Gütezeichen, Markenzeichen, "damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast."
Wir schulden die Einheit dem Dienst an der Welt.

Wir sind noch nicht am Ziel, aber mit guter Fahrt auf dem Weg in das im Heiligen Geist begonnene Christusjahr, Reformationsjahr Lutherjähr 2017. Auf gemeinsamer Fahrt! Dazu ruft das gemeinsame Wort der Evangelischen Kirche Deutschlands und der Katholischen Bischofskonferenz: "auf dem Weg zur vollen Einheit der Kirche entschieden weiterzugehen." Jesu Flehruf ist unser gemeinsames, flehentliches Gebet:

"Vater unser im Himmel, alle sollen eins sein."
A m e n .

Klaus Mayer