Bei der UNO in New York, in Frankreich in den Kathedralen Metz und Reims, in Jerusalem im Krankenhaus der Universität, in der Schweiz im Züricher Fraumünster und in Deutschland in St. Stephan in Mainz: An diesen Orten hat der jüdische Maler Marc Chagall seine biblische Botschaft in Glas hinterlassen. Dass viele Mainzer nichts von dieser Ausnahmestellung ihrer Heimatstadt wissen, geschweige denn die neun Kirchenfenster des jüdischen Malers vom Kirchenraum aus schon gesehen haben, ist erstaunlich, aber bei manchem Gespräch zu erfahren.
Diesem kulturellen Defizit soll jetzt abgeholfen werden. Sicher, jeder kann zu fast jeder Zeit in die Kirche gehen, um Chagalls Farbenpracht zu bestaunen. Ertragreicher aber ist es, bei einer fachkundigen Einführung Näheres zu erfahren: von der schweren Beschädigung der Kirche im Krieg, von ihrer Wiederherstellung, von den Bemühungen des jüngst verstorbenen Pfarrers Klaus Mayer in den siebziger Jahren, von Chagalls Zögern und seiner Zustimmung zu einer Anfrage nach zwei Jahren, von seinen Aquarellen als Werkstattentwürfen, von der technischen Herstellung der 177 Quadratmeter großen gebrannten und bemalten Glasfläche in einer Werkstatt in Reims.
Attraktivität Nr. 1
Nicht umsonst kommen jährlich Hunderttausende von Besuchern nach Mainz und St. Stephan, denn die Darstellung der Gestalten und Ereignisse des Alten Testaments steht auf vielen Tagesprogrammen vieler Reiseveranstalter im In- und Ausland. Genauso oft aber besuchen Tagestouristen die Kirche auf dem Berg, Vereine und andere Gruppierungen wie Schulklassen, Familien oder Betriebsangehörige, die nicht nur die Weinstadt Mainz kennenlernen wollen, sondern auch diejenige Attraktion der Stadt, die bei Tripadvisor, einer Internet-Plattform für Besucherkommentare, die höchste Punktzahl erzielt und zur „Nr. 1 der Aktivitäten in Mainz" gekürt wurde.
Damit Mainzer Kunstfreunde auch einzeln die Chagall-Fenster näher kennenlernen, können sie das bei zwei Führungs-Formaten tun. Zum einen erläutert ein Gemeindemitglied nach der sonntäglichen Elf-Uhr-Messe (gegen zwölf Uhr) die wichtigsten Szenen aus den drei Mittelfenstern. Der Führung voraus geht ein Werk der Orgel-Literatur, gespielt auf der nun zehn Jahre alten großen Klais-Orgel.
Zum anderen lässt eine einstündige, ausführlichere Führung den Besucher der Kirche eintauchen in die Welt des Stammvaters Abraham, in das Paradies mit Adam und Eva oder in die Arche Noah bei der Sintflut. Diese Führung findet im August am 17.8. statt;
Im September ist das der 13.9. und im Oktober der 11.10., jeweils ein Mittwoch um 17 Uhr. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Nicht nur Chagall
Ein ähnliches Angebot macht die Gemeinde für den fünfhundert Jahre alten Kreuzgang, der vor kurzem zwei Bänke bekommen hat, von denen aus man die spätgotisches Architektur des Sandsteinquadrats studieren kann. Eine ebenfalls einstündige Führung erschließt dem spontanen Besucher die Bauweise und religiöse Bedeutung; im September ist das am 4.9, im Oktober am 2.10., jeweils der erste Montag um 17 Uhr.
Die dritte Sehenswürdigkeit von St. Stephan, den Turm, kann man ebenfalls an einem Termin im Monat kennenlernen. Die 204 Stufen führen zunächst zur Glockenstube, wo die vier bronzenen, fünf Tonnen schweren Klangkörper ihre teils fünfhundert Jahre alte Geschichte verraten, drei davon ein Geschenk der Firma Schott zu ihrem 125-jährigen Betriebsjubiläum vor fünfzehn Jahren. Ziel der Turmbesteigung ist die Türmerwohnung, wo der Besucher einen weiten Blick über Mainz und den Rhein genießt und sich aus dem Leben der Türmer erzählen lässt, die bis 1911 in einsamer Höhe über das Wohl der Stadt wachten. Diese Führung findet immer am letzten Freitag im Monat statt; eine Anmeldung im Pfarrbüro ist erforderlich (Tel. 23 16 40 oder pfarrbuero@st-stephan-mainz.de).