Die Ingelheimer Säule

Karl der Große hat auch in St. Stephan Spuren hinterlassen

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Datum:
Di. 24. Juni 2014
Von:
Siegfried Kirsch
1200 ist eine große und sehr runde Zahl. Und vor genau so vielen Jahren ist Karl der Große gestorben: 814. Für Mainzer Geschichtsfreunde ist dieses Jubiläum ein gefundenes Fressen und Anlass, daran zu erinnern, dass der fränkischer Herrscher auch in Mainz seine Spuren hinterlassen hat, indirekt auch in St. Stephan.
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Einsam und verlassen steht eine Säule im Kapitelsaal des Kreuzgangs. Zur Zeit noch nicht einmal sichtbar, hinter einer Bauwand, die die linke Hälfte des Raumes verdeckt, wo seit Jahren Baumaterial gelagert wird.

Der Sockel ist sechsfach gekehlt. Bis zum Ansatz der Steinrippen ist sie nur 1.50 m hoch, im Durchmesser 50 cm, rot-weiß angestrichen, an die Farbe der Halle angepasst. Sie steht in der Mitte; aus ihrem oberen Teil streben acht Steinrippen in die Höhe und münden in vier Kreuzrippengewölben. Die ganze Deckenlast ruht auf ihr.

Und das seit mehr als 500 Jahren, seit der Bauzeit des Kreuzgangs. Das Strohut-Epitaph am Ende des Ostflügels stammt aus dem Jahr 1485, und einige Jahre vorher müssen die Bauarbeiten von der Kirche her am Kapitelsaal angekommen sein.

Die Herkunft der Säule verwundert, denn sie stammt aus der Ingelheimer Pfalz Karls des Großen. Dort stand sie mit mindestens 32 Geschwistern - in poetischen Texten ist von 100 die Rede - in einer langen Reihe eines halbkreisförmigen Säulenganges. Dieser war Teil eines prächtigen Palastes, den sich Karl der Große nach antiken Vorbildern in Ingelheim hatte bauen lassen. Auf seinen Inspektionsreisen durch sein riesiges Reich machte er dort immer wieder mit seinem Gefolge Station.

Aus dem Odenwald oder aus Italien 

Da das Stift St. Stephan seit 1270 den Zehnten von Nieder-Ingelheim verlangen konnte, ist es wahrscheinlich, dass diese Steuerabgabe  – anstelle von Getreide oder Wein oder anderen Naturalien – in Form eines Architekturteiles gezahlt wurde. Unentschieden ist die Frage, ob der Stein ursprünglich im Felsenmeer bei Bensheim im Odenwald gehauen wurde, und zwar vor den Römern schon - und nicht zur karolingischen Zeit - und ob die Säule aus anderen römischen Bauwerken am Rhein stammt oder ob das Material über die Alpen gebracht und den Rhein hinunter geschifft wurde.

Fest steht nur, dass von den vielen Säulen nur noch ein gutes Dutzend existieren, sechs davon im Hof des Heidelberger Schlosses. Und fest steht auch, dass die unsere schon große Tage erlebt hat, wenn vor mehr als 1200 Jahren der große Karl mit seinem Gefolge in Ingelheim Hof hielt.

Höchste Zeit also, dass die Baumaterialien ihre Lagerstätte im Kapitelsaal wieder frei geben und das alte schöne Stück wieder bewundert werden kann!

 

 

 

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