Eine Fotostrecke zur Einweihung der Marienkapelle finden Sie hier
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
im Namen des Pfarrgemeinderats St. Stephan begrüße ich Sie sehr herzlich in unserer Kirche. Die Gemeinde darf heute einen Festtag begehen - am letzten Tag des Marienmonats wird gleichsam als Höhepunkt die neugestaltete Marienkapelle eingeweiht.
Zunächst möchte ich denen sehr herzlich danken, die in besonderer Weise dazu beigetragen haben, dass wir dieses freudige Ereignis begehen können.
Ich danke Ihnen, Herr Peter E. Eckes, für Ihre erneut gezeigte Großzügigkeit, der wir die materielle Basis zu verdanken haben. Ohne Ihre bemerkenswerte Unterstützung wäre dies nicht gelungen.
Ich danke Ihnen, Herr Professor Thomas Schmitz, für Ihre künstlerische Kreativität, die der Kirche ein neues Kunstwerk gebracht hat.
Ich danke Ihnen, Herr Pfarrer Schäfer, für Ihre Anregungen und Anstöße.
Ich danke besonders auch Ihnen, Herr Diözesanadministrator Prälat Giebelmann, dass Sie trotz Ihrer umfangreichen Verpflichtungen zu uns gekommen sind und mit uns diese Andacht feiern.
Unser Kirchengebäude ist durch Lage, Geschichte und Kunstschätze ein besonderes Kleinod dieser Stadt - beinahe hätte ich gesagt, dass es das bedeutendste der Stadt ist, aber bescheiden, wie wir in St. Stephan sind, geben wir dem Dom noch einen kleinen Vorsprung. Wer ein solches Erbe empfangen hat, hat auch die Verpflichtung, es zu bewahren und zu pflegen, um es künftigen Generationen weitergeben zu können. Dazu fühlen auch wir uns verpflichtet: Erhaltung des Erbes und Weitergabe an die künftigen Generationen.
Das schließt Veränderungen und neue Akzente durchaus ein. Das haben Menschen zu allen Zeiten so getan, diese Kirche war selbstverständlich einmal barockisiert - und sie sah vor dem Krieg anders aus als jetzt. Jede Generation muss ihr Bestes dazu beitragen. Auch das Beste und Schönste ihrer Kunst. In der Begegnung mit dieser Kunst entsteht Neues, werden Anstöße und Impulse gegeben, auch zur Vertiefung des Glaubens.
Ein Kirchengebäude muss vielen Aufgaben genügen, den unterschiedlichen Anliegen entsprechen, die Gläubige und andere zum Besuch des Gotteshauses bewegen; selbstverständlich spielen dabei Gottesdienste eine herausragende Rolle, aber es geht auch um individuelle Frömmigkeit, die innere Sammlung, das Gespräch mit Gott, die Fürbitte für sich selbst und andere. Dafür braucht man Rückzugsräume, zum Beispiel eine Kapelle, die dazu einlädt.
Unsere Kirche geht auf Willigis zurück. Aber in ihrer heutigen Gestalt ist sie eine gotische Hallenkirche. Aus der Spätgotik, dem 14. und 15. Jahrhundert, kennen wir eine Reihe bedeutender Darstellungen mit dem Titel „Maria im Rosenhag", ich erinnere an Martin Schongauer, an Stefan Lochner, aber auch an Mathias Grünewalds Gemälde, das wir bei unserem Besuch in Colmar vor knapp zwei Jahren bewundern konnten. Einen Rosenhag für unsere Marienkapelle hat unser Künstler in modernen Formen und aus modernem Material gestaltet. Die goldenen Symbole der Rosen glänzen im Licht der Kerzen, die vor der Madonna aufgestellt wurden. Wieder spielt Licht eine besondere Rolle - wie das Licht, das die Kirche durchflutet, das Licht, das die Farben Marc Chagalls zum Leuchten bringt, das Licht, das auf die Orgel fällt und die Farben sich auf dem Orgelkörper spiegeln lässt.
Vor diesem Rosenhag steht die Schutzmantelmadonna aus unserer Kirche. Sie ist eine Arbeit der Nachkriegszeit, allerdings unverkennbar eine Nachbildung der Ravensburger Schutzmantelmadonna aus den Jahren 1480 bis 1490. Damit sind wir wieder in der Spätgotik, in der das Motiv der Schutzmantelmadonna verbreitet war. Der Schutzmantel, unter dem auf jeder Seite Marias 5 Menschen Zuflucht gesucht und gefunden haben, erinnert wahrscheinlich nicht nur mich an das Lied „Maria, breit den Mantel aus", denn das ist genau die Geste, die wir hier sehen. Dieser Mantel, so heißt es weiter, deckt die ganze Christenheit, mehr noch „die weite, weite Welt". Er bietet allen Menschen Schutz und Sicherheit - allen!
Mit dem Rosenhag und der Schutzmantelmadonna wird zweimal ein Bogen in die Geschichte geschlagen, werden Traditionen aufgegriffen und lebendig gehalten.
Und nicht zuletzt kommen nun auch zwei andere Schätze unserer Kirche besser zur Geltung: Anna Selbdritt (ca. 1500) und das Fenster von Erhardt Klonk (1961).
Insgesamt ist aus meiner Sicht ein schöner, geschlossener und konzentrierter Ort entstanden, der zur Vertiefung, zur Stille und zum Gebet einlädt. Mögen viele diese Chance nutzen.
Dafür allen Mitwirkenden nochmals meinen herzlichen Dank!