Seit genau 50 Jahren ist Anne-Marie Seelig Mitarbeiterin von Monsignore Mayer. St. Stephan ist sie noch länger verbunden: nach dem Abitur bei den „Englischen Fräulein“ in Bingen machte sie eine Ausbildung zur Medizinisch-Technischen Assistentin und legte 1950 das Staatsexamen ab. Anschließend arbeitete sie an der Universität Mainz und wohnte in der Walpodenstraße, wo sie als regelmäßige Besucherin der Werktagsmessen vom damaligen Stephanspfarrer Jäger „entdeckt“ wurde: Anne-Marie Seelig engagierte sich von da an in der Legio Mariae, einer in Irland gegründeten Laienapostolatsbewegung, und besuchte u.a. Neuzugezogene, Fernstehende und Ausgetretene. Weil sich der damalige Pfarrer von Gau-Bickelheim für diese Arbeit interessierte, versprach sein Amtskollege Jäger, „jemanden hinzuschicken“: Anne-Marie Seelig begegnete Pfarrer Klaus Mayer und baute nun als Präsidentin gemeinsam mit ihm in der dortigen Pfarrei eine neue Gruppe auf. Wenig später wagte sie nach dreizehn Jahren an der Universität den Schritt in eine neue berufliche Zukunft und wurde hauptberuflich Mitarbeiterin von Pfarrer Mayer.
Nach einem Jahr Landpfarrei folgte für Anne-Marie Seelig die Rückkehr nach Mainz, als Pfarrer Klaus Mayer im Mai 1965 seine neue Stelle in St. Stephan antrat. Hier gehörte sie schon dem ersten, 1968 gewählten Pfarrgemeinderat an. Am lebhaftesten ist die Erinnerung an den Punkt „Verschiedenes“, bei dem in den 1970er Jahren regelmäßig die gefürchtete Frage „Herr Pfarrer, wie weit ist es mit den Fenstern?“ kam – und lange vertröstet werden musste, weil Marc Chagall bei den Besuchen in Frankreich „immer umwerfend freundlich, aber unverbindlich“ gewesen war. Anne-Marie Seelig hat dieses Projekt von Anfang an begleitet und als Absolventin eines neusprachlichen Gymnasiums ihre Französischkenntnisse eingebracht. Oft begleitete sie Pfarrer Mayer nach Saint-Paul-de-Vence: „Wir sind immer zuerst in die Kirche zum Beten gegangen. Dann ging er zu Chagall und ich in das Café de la Place, wo ich einen Tee bestellt und mich so gesetzt habe, dass ich die Tür im Blick hatte. Wenn er dann kam, wusste ich schon, wie es ausgegangen war.“ Die erlösende Nachricht, dass Chagall mit der Arbeit für St. Stephan begonnen hatte, stand dann in einem Brief Vava Chagalls, den Anne-Marie Seelig sofort nach dem Eintreffen in die Sakristei brachte.
Die Sakristei war einer der Haupttätigkeitsorte von Anne-Marie Seelig: hier hat sie nicht nur die Messdiener und später auch Messdienerinnen betreut – wie viel Freude ihr das machte, merkt man ihr noch heute beim Erzählen an – hier hat sie auch geküstert, wenn keine Studenten zur Verfügung standen (einen hauptamtlichen Küster gab es damals nicht). Mehr als vierzig Jahre hat Anne-Marie Seelig den Blumenschmuck der Kirche gestaltet und bis heute ist sie die Chronistin der Pfarrei: sechs Bände hat sie in wunderschöner (und die Kirchenhistorikerin vermerkt es dankbar: gut lesbarer) Schrift vollgeschrieben, mit Fotografien und Zeitungsausschnitten das Leben in der Pfarrei dokumentiert.
Auch die Chagallfenster beschäftigen Anne-Marie Seelig bis heute: „wenn über 3000 Meditationen gehalten wurden, dann habe ich ebenso viele Briefe geschrieben – sicher noch mehr, weil ja oft mehrere Gruppen an den Meditationen teilnehmen.“ Fragt man Monsignore Mayer, was Frau Seelig für ihn bedeutet, dann nennt er sie „ein Geschenk des Himmels“ und fügt hinzu: „sie war immer meine beste und schärfste Kritikerin – und das ist gut.“
„Direkt und indirekt“ hat Anne-Marie Seelig ein halbes Jahrhundert in St. Stephan Gemeinde gestaltet. Pfarrer und Mitarbeiterinnen, Pfarrgemeinderat und Gemeinde Sankt Stephan danken ihr vor Herzen für dieses Engagement, wünschen ihr Gesundheit und Gottes Segen zu ihrem 85. Geburtstag!
Regina Heyder