„Gebrauchsanweisung gegen Antisemitismus“

Lesung Trepp (c) A.Racinowski
Lesung Trepp
Datum:
Di. 31. Mai 2022
Von:
Christoph Stillemunkes

Autorinnenlesung von Gunda Trepp

Trotz hoher Temperaturen einerseits und drohenden Unwetters andererseits fanden sich am 19. Mai zahlreiche Zuhörerinnen und Zuhörer in der Stephanskirche ein, um an einer Autorinnenlesung von Gunda Trepp teilzunehmen, zu der die Pfarrgemeinde St. Stephan und der Förderverein Biblische Botschaft Marc Chagall eingeladen hatten. Dabei stellte Gunda Trepp ihr neues Buch, das unter dem Titel „Gebrauchsanweisung gegen Antisemitismus“ (Darmstadt 2022, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Preis 20,00 €) erschienen ist, vor.

In seiner Begrüßung betonte Pfarrer Thomas Winter, dass die Gemeinde St. Stephan sich wegen der Fenster des jüdischen Künstlers Marc Chagall verpflichtet sehe, sich jeder Form des Antisemitismus entgegenzustellen; der Ort habe „Symbolwert“. Es sei „völlig unbegreiflich“, dass viele Menschen auch nach der Menschheitskatastrophe dem nationalsozialistischen Völkermord noch immer nichts gelernt hätten, dass der Antisemitismus noch immer nicht ausgerottet worden sei.

Die Moderation der Veranstaltung hatte Prof. Dr. Thomas Brockmann, Leiter des Dom- und Diözesanarchivs Mainz, übernommen. Er bezeichnete die Fenster Chagalls in der Stephanskirche als Zeichen geglückter christlich-jüdischer Verbundenheit nach der Shoa. Als „dunkles Bild“ stehe dem aber der christliche Antijudaismus gegenüber, der zu großem Unrecht und judenfeindlicher Gewalt geführt habe. Er stellte Gunda Trepp als zweite Ehefrau von Leo Trepp (1913 – 2010) vor und erinnerte deshalb an den in Mainz geborenen Rabbiner, der nach Emigration und Tätigkeit in den USA auch an der Mainzer Universität Judaistik lehrte. Anschließend las Gunda Trepp drei Abschnitte aus ihrem Buch vor; darin beschäftigt sie sich mit aktuellen Erscheinungsformen des Antisemitismus, der bis in die Mitte der Gesellschaft reiche, nicht nur an ihren Rändern vorkomme. Sie beschreibt auch dessen deutlich zunehmende Intensität und Brutalität (ablesbar an stark zunehmenden Straftaten, z.B. Überfällen auf Einzelpersonen aber auch dem Angriff auf die Synagoge in Halle); einen weiteren Schwerpunkt bildet die antisemitisch geprägte und motivierte Israel-Kritik; außerdem greift sie den Alltagsantisemitismus auf, die Gedankenlosigkeit, aber auch die Unfähigkeit, den antisemitischen Gehalt eigener und fremder Gedanken zu erkennen. Ihr geht es dabei darum, mehr Sensibilität zu schaffen. Denn die Auffassung, der Antisemitismus sei überwunden, ist häufig auf das Unvermögen zurückzuführen, ihn wahrzunehmen. Dazu kann sie eine ganze Reihe von Beispielen, auch aus ihren persönlichen Erfahrungen, aufführen. Auch auf den islamisch motivierten Antisemitismus geht sie ein und kritisiert, dass er gelegentlich verschwiegen wird. Ein weiteres wichtiges Anliegen ist ihr die Vermittlung von Wissen, um Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner in die Lage zu versetzen, gegen Vorurteile und falsche Behauptungen vorgehen zu können.

Im Anschluss an die Lesung ergab sich eine lebhafte Diskussion. In ihren abschließenden Worten unterstrich Ariann Faupel-Ziehmer, die Vorsitzende des Fördervereins Biblische Botschaft Marc Chagall, dass die Fenster Chagalls in der Stephanskirche Brücken für Austausch, Verständigung und Frieden bildeten; das Buch von Gunda Trepp schaffe eine gute Gesprächsgrundlage für die Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus und diene so ebenfalls der Verständigung und dem Frieden. Sie dankte Gunda Trepp für die Lesung und Prof. Brockmann für die Moderation und lud zu einem Austausch im Kreuzgang ein; viele Gäste nutzten dort die Chance zum persönlichen Austausch mit der Autorin.

Die Bedeutung der Bekämpfung des Antisemitismus für die gesamte Gesellschaft fasst Gunda Trepp in ihrem Buch (Seite 8) treffend zusammen:
„Denn lässt eine Gesellschaft es zu, dass der Anspruch an ein menschliches und respektvolles Miteinander kontinuierlich sinkt und verloren zu gehen droht, wird die zunehmende Verrohung irgendwann jeden betreffen. Für das Überleben einer funktionierenden Zivilgesellschaft muss sich jeder Bürger und jede Bürgerin dem Hass gegen eine einzelne Gruppe entgegenstellen“.