Weihnachten 2017 -

Pfr. Stefan Schäfer

Datum:
So. 24. Dez. 2017
Von:
Pfr. Stefan Schäfer

Liebe Schwestern und Brüder,

wir leben, wie es heißt, in einer mobilen Gesellschaft.
An Weihnachten aber wollen wir nicht unterwegs sein von Termin zu Termin, sondern zuhause und bei uns daheim.
Wir haben uns sagen lassen und es verinnerlicht, dass wir flexibel sein müssen, um in Beruf und Alltag zu bestehen, stets bereit, uns Neuem zu stellen und dazu zu lernen.
An Weihnachten aber suchen wir das Altvertraute.
Dann möchten wir, auch als nüchterne (und manchmal auch ernüchterte und desillusionierte)Erwachsene irgendwie zurückkehren in die Geborgenheit, die wir seit Kindertagen mit diesem Fest verbinden.
Alle Jahre wieder ist an Weihnachten von Glaubensschwund und Bedeutungsverlust des Christlichen in unserer Gesellschaft wenig zu spüren:
Landauf, landab versammeln sich immer noch sehr viele Menschen zur Feier der Christmette in der Heiligen Nacht. Darunter sicher auch manche, die der Kirche sonst kritisch und distanziert gegenüberstehen und denen der Glaube eher fremd geworden ist.
Gemeinsam suchen wir in der besonderen Stimmung dieses Gottesdienstes mit seinen vertrauten Liedern, den uralten Texten, dem gemütvollen „Stille Nacht, heilige Nacht" am Schluss im Kerzenschein einen Zuspruch, vielleicht auch einen Trost.

Neuigkeiten werden uns in der Christmette ja keine geboten.
Alle Jahre wieder hören wir ein und dieselbe Geschichte.
Und wir hören sie gern:

Vom Befehl des Kaisers Augustus, von Josef und Maria, seiner Verlobten, die ein Kind erwartet.
Wir hören von der Not der Herbergssuche, von der Niederkunft und der Krippe.
Und von den Hirten, draußen auf den Feldern von Bethlehem, denen Engel eine große Freude verkünden.

Wenige Verse malen ein Bild, das uns anrührt. Es zeigt uns die Größe und Schönheit aber auch alle Zerbrechlichkeit unseres Lebens in einer einzigen Szene:

Wir sehen eine Frau, einen Mann und ein neugeborenes Kind.
Wir ahnen etwas von ihrer Armut und davon, wie schrecklich es sein muss, in dieser Situation äußerster Angewiesenheit vor verschlossenen Türen zu stehen.
Aber auch von dem überwältigenden Glück, das sie in diesem Augenblick trotz aller Not und Gefährdung wohl empfinden:
Wie geborgen sie sind in ihrer Liebe und im Vertrauen zueinander!
Wie in einem Gehäuse, das sie gegen die Kälte und Härte der Welt, in die dieses Kind hineingeboren ist, schützt.

Und eher als dass wir es verstehen, ahnen wir auch, während wir diese Szene betrachten, dass es dabei um uns und unser eigenes Leben geht:
Um unser Glück und um unsere Liebe.
Aber auch um unsere Sorge und unsere Not.
Um die Ängste, die auch wir manchmal durchleiden, gerade um die, die wir lieben.
Um unser Menschsein. Dieses Leben, das manchmal großartig ist. Aber immer auch schwach und zerbrechlich. Und vielfach bedroht.
Und für das wir uns wünschen und erhoffen, dass es getragen und gehalten sei von guten Mächten jenseits unserer eigenen Möglichkeiten, weil wir uns selbst, in dem, was wirklich wichtig ist, nicht in der Hand haben.

An Weihnachten wird uns das zugesagt.

Der Glanz aus der Höhe, der die Menschen an der Krippe umstrahlt, ist auch über uns aufgegangen:

Der ewige Gott gibt sich in die Endlichkeit eines Neugeborenen hinein, um in seiner Menschwerdung alles Menschliche mit uns zu teilen. Das Kind in der Krippe stellt uns das Geheimnis einer Liebe vor Augen, die alles hingibt, um dem Geliebten nahe zu sein: uns, in der Größe und Zerbrechlichkeit unseres Lebens. In unseren Hoffnungen und unserer Freude, in unserer Trauer und unserer Angst, im Gelingen und dort, wo wir scheitern. Dieses Leben hindurch und bis in den Tod zeigt Gott sich an unserer Seite.

In unruhigen Zeiten sehnen wir uns nach Halt und einem Grund zu vertrauen.
Wenn wir nicht mehr recht wissen, wie wir das eigene, manchmal verworrene und unübersichtliche Leben bewältigen sollen
und uns der Blick in die Zeitung und die Nachrichten aus einer wie aus den Fugen geratenen Welt dann noch vollends überfordern,
wünschen wir uns einen Zuspruch, dass dieses Leben keine absurde Todesfalle ist, in der wir uns verirren, ohne Ausweg und ohne Sinn und dass es trotz allem sich lohnt, sich auf diese Welt einzulassen und sich in ihr zu engagieren.

Da wird uns, alle Jahre wieder, eine uralte Botschaft verkündet.
Und gleich, ob wir sie gläubigen Herzens freudig aufnehmen oder ihr doch eher skeptisch begegnen:
Wir hören sie gern!
Es geht eine Kraft von ihr aus, die uns anrührt und die uns Mut macht für unser Leben.

Sie gilt Alten und Jungen, Männern und Frauen, Familien und Singles, uns allen in unserer Sehnsucht nach Geborgenheit und Verstandenwerden;
sie gilt den Erfolgreichen und denen, die sich schwertun, den Maßstäben und Normen, die sie selbst oder andere anlegen, zu entsprechen;
den Glücklichen unter uns und denen, die traurig und sich an Weihnachten ihrer Einsamkeit schmerzlich bewusst werden;
den Frommen und regelmäßigen Kirchgängern und ebenso denen, deren Glaube nur noch ein glimmender Docht ist, halb erstickt von Zweifeln und vielleicht auch den Enttäuschungen durch die Kirche.

Sie gilt uns, die wir uns aufgemacht haben zum Kind in der Krippe:

In seiner Armut beschenkt es uns mit dem Ja der Liebe, das Gott ein für allemal zu uns Menschen gesprochen hat.
Es leuchtet als Licht auf unserem Weg im Fragen und Suchen.
Es führt uns zueinander und aus unserer Vereinzelung – nicht nur, wenn wir an den Feiertagen beieinander Nähe und Geborgenheit suchen.
Denn es leuchtet uns von nun an auf im Antlitz unseres Nächsten, in dem wir den Bruder oder die Schwester erkennen, weil Gott uns in unserem gemeinsamen Menschsein begegnet.

Amen