1. Advent - Pfr. Schäfer

Datum:
So. 27. Nov. 2016
Von:
Pfr. Schäfer

1. Advent - Pfr. Schäfer

Liebe Schwestern und Brüder,

Apokalyptisch-unheimlich klingen die Verse aus dem Matthäusevangelium, die uns in diesem Jahr in den Advent hineinführen. Sie sprechen von Erschütterungen, Nöten, kosmischen Katastrophen:
„ . . . nach den Tagen der großen Not wird sich die Sonne verfinstern, und der Mond wird nicht mehr scheinen, die Sterne werden vom Himmel fallen und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden."

Während wir, mehr oder weniger freudig, versuchen, es uns und unseren Lieben im „Alle Jahre wieder" des Advent und seiner Bräuche ein wenig heimelig und gemütlich zu machen, spricht das Evangelium in bedrohlichen Bildern vom großen Ladenschluss und davon, dass diese Erde und alles, was wir Menschen auf ihr inszenieren, unweigerlich und unerbittlich einmal an ein Ende kommen wird.

Warum? Um uns in Angst und Schrecken zu versetzen?

Das „Zeichen des Menschensohns" wird am Himmel erscheinen und man wird „den Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit auf den Wolken des Himmels kommen sehen".
Die Bilder vom Untergang werden nicht aufgelöst, wohl aber überboten durch ein anderes uraltes Bild, durch ein Symbol der Hoffnung:
In einer Wolke hatte Gott sein Volk auf dem Weg durch die Wüste beschattet, von der Wolke Gottes ist Jesus umfangen und den Blicken der Jünger entzogen worden. Von dieser Gotteswolke getragen, wird er wiederkommen, wenn die Erde mit ihrem Latein am Ende ist, um Gottes Maßstab und seine rettende Macht auf ihr zur Geltung zu bringen. Unerreichbar für das Chaos ringsum, erscheint der Menschensohn auf den Wolken des Himmels.

Das ist der Grund, weshalb die Bibel sich nicht scheut, das Ende in den Blick zu nehmen. Das Ende der Zeit, das Ende unseres Lebens und das der Menschheitsgeschichte, das Ende des Fortschritts. Nicht um ein Spiel mit unseren Ängsten zu treiben. Sondern, weil sie auch das Ende von allem noch in der Hand Gottes weiß. Er wird das letzte Wort haben. Sie richtet unsere Hoffnung auf das, was endlich beginnen kann, wenn wir am Ende sind und auf den, der gerade dort auf uns zukommt, wo es von uns aus nicht weitergeht.

Es gibt ja auf dieser Erde das Vollkommene nicht. Und wird es nie geben: kein „Recht im Streit der Völker“ und keinen himmlischen Frieden zwischen den „Nationen“. Und auch in unserer eigenen kleinen Lebenswirklichkeit scheitert die Sehnsucht nach einer „heilen Welt“ und einem Lebensglück in Geborgenheit immer wieder an uns selbst und am andern. Manchem wird das besonders in den Tagen um Weihnachten sogar besonders schmerzlich bewusst. Die Texte am Beginn des Advents fordern uns dazu auf, darüber nicht in Resignation zu verfallen oder gar zu verzweifeln: Durch den Riss, der durch unser Leben geht, weil unsere Sehnsucht diese endliche Wirklichkeit immer schon überschreitet, fällt, so sieht es die Heilige Schrift, das Licht der Verheißung. Das Leiden an den Widersprüchen der Welt und auch am Scheitern im eigenen Leben lässt uns das Vollkommene, Heile, den Frieden, das es auf Erden nicht gibt und worauf wir dennoch ausgerichtet sind, durch jenen Bruch hindurch, der durch alles geht, überhaupt erst erkennen.

In all das hinein, was uns von außen und von innen bedrängt und manchmal auch ängstigt, wird uns heute am Beginn des Advent ein anspruchsvolles Evangelium verkündet, eine frohe Botschaft, die an den Erschütterungen und Brüchen des Lebens nicht vorbeigeht:
Sie fordert uns auf, darin auf den Menschensohn ausgerichtet zu bleiben, in allem nach ihm Ausschau zu halten, der alles zum Guten führen wird. Und im Licht dieser Verheißung bis er kommt, d.h. in der kurzen Zeit unseres Lebens, unsere Wege zu gehen: „Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe."
Orientierung, Halt und ein Ziel gibt uns sein Wort, das nicht vergehen wird. Von ihm geleitet, sollen wir, in dem schönen Bild des Apostels, Christus „anlegen" wie ein neues Gewand, d.h. den Herrn, der da kommen soll und der unsere Hoffnung ist, jetzt schon für die anderen leben und aufscheinen lassen.
In seinen Tag hinein aufbrechen als Friedenstifter und Barmherzige, als Menschen der Lauterkeit und der Armut des Herzens, als solche, die mit anderen trauern können in einer manchmal trostlosen Welt, im Hunger und Durst nach Gerechtigkeit.
Als Zeugen einer größeren Hoffnung, die über uns selbst und unser Vermögen hinausweist.

Amen