18. Sonntag im Jahreskreis - Pfr. Schäfer
Liebe Schwestern und Brüder,
im Jahr 1996 wurden acht Mönche eines Trappistenklosters im algerischen Atlasgebirge grausam ermordet.
Sie hatten sich bewusst entschieden, bei den Menschen vor Ort zu bleiben und auch unter ständiger und wachsender Bedrohung durch islamistische Gotteskrieger die Dorfbewohner nicht im Stich zu lassen und bei ihnen und mit ihnen auszuharren. Schließlich geschieht, was sich lange schon abgezeichnet hat:
Eine Bande maskierter Mordgesellen überfällt das Kloster und nimmt die Mönche gefangen. An einem entlegenen Ort im Gebirge wird man sie später mit durchgeschnittenen Kehlen auffinden.
Der Prior, Pater Christian, hinterlässt ein Testament, in dem er auf die Begegnung mit dem Unbekannten vorausblickt, der ihn einmal in blindem Hasstöten wird.
Darin heißt es:
„Ich möchte, wenn dieser Augenblick kommt, so viel ruhige Klarheit haben, dass ich die Verzeihung Gottes und meiner Menschengeschwister anrufen kann, aber ebenso, dass ich dem aus ganzem Herzen vergeben kann, der mich umbringen wird (…)
Auch dem Freund der letzten Minute, der du nicht gewusst haben wirst, was du tatest.
Ja, auch für dich wünsche ich nur dieses Dankeschön und dieses A-Dieu, nach dem du trachtest.“
Was ist das für ein Glaube, möchte man fragen, von dem das Leben und Sterben der Mönche von Tibhirine Zeugnis geben und der im Testament von Prior Christian de Chergé seinen Ausdruck findet?
Was ist das für ein Glaube, der zu solcher Standhaftigkeit und solchem Mut befähigt, zur Solidarität in äußerster Bedrängnis,
der eine Bereitschaft zur Versöhnung schenkt, die jedes menschlich zumutbare Maß sprengt und überschreitet
und selbst für den noch hofft und betet, der sich in Unmenschlichkeit und blindem Hass verrannt hat:
„ja, auch für dich wünsche ich mir (…) dieses A-Dieu, nach dem du trachtest“ ?
Es ist auf jeden Fall ein Glaube, der an den Realitäten, an Hass und Gewalt, am Leiden der Unschuldigen, am Tod nicht vorbei sieht.
Der nicht vertröstet und der nicht verdrängt, wie seine Kritiker ihm mitunter vorgeworfen haben.
Eher tun das doch jene, die nach islamistischen Anschlägen trotzig dazu aufrufen, jetzt erst recht am westlichen Lebensstil festzuhalten, was mitunter so klingt als würde das christliche Abendland auf den Partymeilen verteidigt.
Im Zentrum dieses Glaubens steht noch immer das Kreuz, und der, der im Namen eines vermeintlich rechten Glaubens als Gotteslästerer, als Ungläubiger ausgestoßen und auf grausamste Weise getötet wird.
Im Blick auf diese Realität , die sich am Kreuz offenbart, nicht an ihr vorbei, im Blick auf das Drama menschlicher Verblendung, von Fanatismus und Schuld und tiefer noch: im Blick auf die Tragik einer Welt, der das Leiden der Kreatur und schließlich der Tod eingeschrieben ist, wagt dieser Glaube trotz allem die Hoffnung auf die den Tod überwindende Macht der Hingabe aus Liebe.
Es mag uns manchmal wie eine Sehnsucht erscheinen, der wir selbst nicht recht zu trauen wagen.
Der wahre Glaube wird immer auch angefochten sein. Und der Zweifel gehört als sein dunkler Bruder wie ein Schatten zu ihm.
Vielleicht ist es aber doch wahr, was dieser Glaube uns sagt und der Gekreuzigte lebt und Gott hat sich in der Auferweckung Jesu als der gerechte und barmherzige Gott und als der Gott der Versöhnung offenbart, als den sein Messias ihn im Leben und Sterben verkündet hat.
Auf jeden Fall trägt die aus diesem Glauben entspringende Hoffnung weiter als das trotzige „Jetzt erst recht“ und weiter auch als das pragmatische „Wir schaffen das“ (so wichtig und richtig es ist, das in einer aufgeheizten Atmosphäre immer wieder zu wiederholen).
Christliche Hoffnung richtet den Blick auf das, was von uns schlechthin nicht zu schaffen ist: Sie erinnert, gegen alle Versuchung zu Verdrängung und Vertröstung, an den Schrei der Unschuldigen und Leidenden nach einer Gerechtigkeit, dem Verlangen der untröstlich Trauernden nach einem Trost und unser aller Sehnsucht nach einem Frieden, wie sie die Welt nicht geben kann.
Vor allem aber vermag dieser Glaube Menschen in einem Vertrauen zu gründen, dass, wie tief das Sinnwidrige und Böse und die Gewalt auch reichen mögen, die Güte tiefer reicht.
In seinem Schreiben „Evangelii Gaudium“ notiert Papst Franziskus:
„Christi Auferstehung gehört nicht der Vergangenheit an; sie beinhaltet eine Lebenskraft, die die Welt durchdrungen hat (. . .) Es ist wahr, dass es oft so scheint, als existiere Gott nicht: Wir sehen Ungerechtigkeit, Bosheit, Gleichgültigkeit und Grausamkeit, die nicht aufhören. Es ist aber auch gewiss, dass mitten in der Dunkelheit immer etwas Neues aufkeimt, das früher oder später Frucht bringt. (. . .) Das ist die Kraft der Auferstehung und jeder Verkünder des Evangeliums ist ein Werkzeug dieser Dynamik.“
Ist das naiv und allzu optimistisch?
Ist es denn wirklich so „gewiss“, dass „mitten in der Dunkelheit immer etwas Neues aufkeimt“?
Die gegenwärtigen Ereignisse, die uns erschüttern, fordern uns heraus, uns auf die Mitte unseres Glaubens zu besinnen.
Dieser Tage las ich den Satz: „Einer Religion, die tötet, wird nur eine Religion, die den Gewaltverzicht und die Versöhnung mit Anderen, mit Fremden, ja mit Gegnern und Feinden lebt, standhalten.“
Sie begegnet in Menschen, die, wenn auch angefochten, aus dem Glauben leben.
Wie die Mönche von Tibhirine es unzählige Male getan haben und wie Abbé Jacques in St. Etienne, nahe Rouen in der Stunde seines Todes, feiern nun auch wir das Opfer der Versöhnung, das der Herr uns anvertraut hat. Mit all unserer Trauer, dem Zorn, der Ratlosigkeit und unserer Erschütterung. Das Ewige bricht ein in unsere Endlichkeit. Ein Stück dieser Welt wird gewandelt und zum Zeichen, zu einem Sakrament der Nähe Gottes, in der wir uns in aller Drangsal geborgen wissen. Wir werden hineingezogen in die den Tod überwindende Hingabe des Herrn und neu gesendet:
Als Zeugen einer größeren Hoffnung,
als Menschen des Vertrauens, des Friedens und der Versöhnung,
als Werkzeuge jener Dynamik, von der Papst Franziskus spricht, in der die Kraft der Auferstehung in uns und durch uns wirkt.
Amen