19. Sonntag im Jahreskreis -

Pfr. Stefan Schäfer

Datum:
So. 12. Aug. 2018
Von:
Pfr. Stefan Schäfer

Liebe Schwestern und Brüder,

immer wieder stoßen wir in der Bibel auf Bilder vom Hungern und Dürsten, vom Essen und Trinken.
Sie sprechen von Sehnsucht und Erfüllung.
Vor allem aber sprechen sie von einer Erfüllung, die die Sehnsucht im Herzen des Menschen nährt.

An der Schwelle des gelobten Landes, das er selbst nie betreten wird, erinnert Mose das Volk an den Hunger in der Wüste:
Was hat es dadurch gelernt, dass es nicht an den Fleischtöpfen Ägyptens sitzen geblieben ist, zufrieden mit dem, was man hatte, eingerichtet im Status Quo,
sondern aufgebrochen ist, durch Meer und Wüste, verlockt durch Gottes Verheißung der Freiheit, unruhig geworden durch eine Sehnsucht, die dieser Gott in ihm gewirkt hat?

Es hat den Hunger kennengelernt.
Und zugleich erfahren, dass Gott sein Volk nicht verhungern lässt:
Er gibt ihm wunderbare Speise, Manna, Brot vom Himmel.
Es ist das Brot für den Tag. Man kann es nicht sammeln und aufbewahren, um sich dann doch wieder satt zurückzulehnen und einzurichten.
Es ist Speise für den Weg. Es stillt den Hunger und hält die Sehnsucht wach.

„Er wollte dich erkennen lassen", sagt Mose dem Gottesvolk, „dass der Mensch von allem lebt, was der Mund des Herrn spricht."

Später wird Jesus dieses Wort aufgreifen: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein."
Er stirbt sogar am Brot allein.
Wenn das Brot, das elementare Lebensmittel, zum Lebenszweck geworden ist, hat der Mensch sich selbst, seine Würde verloren. Wo er nur noch als reines Konsumwesen gesehen wird, verkommt er und bleibt in seiner tiefsten Sehnsucht unbefriedigt.

Nicht vom Brot allein lebt der Mensch, sondern, wie es die Dichterin Ingeborg Bachmann einmal formuliert hat, von dem Brot, „das den Hunger erweckt, ehe es ihn stillt."

Von dem, was uns bewegt und über uns hinausführt, von einer überraschenden Begegnung und einem guten Gespräch, vom Blick der Liebe, der uns tröstet, vom Glanz und der Erfahrung des Schönen, von dem, was uns erfüllt und begeistert.
Von dem leben wir, was die Langeweile tötet und den Betrieb, in dem wir uns selbst verloren gehen, unterbricht,
von dem, was uns daran erinnert, dass auch uns die Verheißung der Freiheit gilt, und dass wir Größerem entgegenzugehen gerufen sind, als dem nächsten Urlaub und der nächsten Gehaltserhöhung.
Vom „Brot, das den Hunger erweckt, ehe es ihn stillt", weil es die Sehnsucht nährt, statt sie zu betäuben und unter Banalitäten zu begraben.

„Ich bin das Brot des Lebens", sagt Jesus uns heute im Evangelium.

Bei der wunderbaren Brotvermehrung hatte er den leiblichen Hunger des Volkes gestillt.
Als die Menschen ihn daraufhin zum König machen wollen, entzieht er sich- um ihnen noch einmal zu begegnen, sich zu offenbaren und ihnen zu zeigen, wonach sie zutiefst und eigentlich gesucht haben, als sie ihn zu ihrem König machen wollten:

Er gibt sich selbst im Brot, um den Hunger zu erwecken, den Hunger nach einer letzten Gemeinschaft mit ihm, der menschgewordenen Liebe Gottes, die allein die Sehnsucht zu stillen vermag und auf die hin das unruhige Herz des Menschen unterwegs bleibt, bis es Ruhe findet in ihr.

„Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist."

So tritt er auch auf uns zu: Im Zeichen des gebrochenen Brotes, das auf seine Liebe, seine Hingabe verweist.

Er nährt unsere Sehnsucht nach Gemeinschaft mit ihm.
Das Zeichen der Liebe, das wir von ihm empfangen, in dem er gegenwärtig ist und zugleich sich entzieht, macht uns schmerzlich bewusst, wie wenig unser Leben dieser Liebe entspricht.
Er lässt uns aufbrechen, dass wir nicht aufhören, ihm nachzufolgen und ihn zu suchen, bis wir einmal ganz zu ihm gefunden haben.
(Oder, was wahrscheinlicher ist: bis wir von ihm gesucht und gefunden werden, wenn wir uns auf unserem Weg verlaufen haben und so an das Ziel der Sehnsucht gelangen.)

Er speist uns, indem er in uns den Hunger erweckt.
Er stellt uns auf den Weg, der er selbst ist, dass wir unterwegs bleiben und mit ihm, in allem, was uns begegnet, auferlegt und aufgetragen ist, Gott entgegengehen.

Amen