27. Sonntag im Jahreskreis Lesejahr C - Pfr. Stefan Schäfer

Datum:
So. 6. Okt. 2013
Von:
Pfr. Stefan Schäfer

27. Sonntag im Jahreskreis Lesejahr C - Pfr. Stefan Schäfer

Liebe Schwestern und Brüder,
„ Das kann ich nicht glauben!" sagte Alice. „Nein?", sagte die Königin mitleidig. „Versuch es noch einmal: tief Luftholen, Augen zu-."
So heißt es in einem Dialog in dem phantasievoll-versponnenen Kinderbuch „Alice hinter den Spiegeln". Und so geht das weiter:
Alice lachte. „Ich brauche es gar nicht zu versuchen", sagte sie, „etwas Unmögliches kann man nicht glauben."
„Du wirst darin eben noch nicht die rechte Übung haben", sagte die Königin, „In deinem Alter habe ich täglich eine halbe Stunde darauf verwendet. Zuzeiten habe ich vor dem Frühstück bereits bis zu sechs unmögliche Dinge geglaubt."

Ach, wenn es doch nur so einfach wäre mit dem Glauben: „tief Luftholen und Augen zu"!
Wenn es nur eine Frage der Übung wäre, morgens schon, „vor dem Frühstück" das Unmögliche für möglich zu halten: Wie anders -froh und leicht und zuversichtlich könnten wir unsere Tage angehen!

Aber so einfach ist es eben nicht. Und so ist uns die Bitte der Jünger im heutigen Evangelium wohl manchmal aus dem Herzen gesprochen: „Herr, stärke unseren Glauben!"

Es ist etwas Wunderbares, im Glauben Halt zu finden, Sicherheit und Trost. Und manchmal fühlen wir uns ja sicher auch von einem tiefen Vertrauen getragen.
Wenn aber der Alltag uns überrollt: Machen wir dann nicht häufig auch die Erfahrung, dass uns der Glaube eigentümlich abwesend ist?

Tagtäglich gehen wir unseren größeren und kleineren Aufgaben und Pflichten nach. Und wissen, dass wir damit eigentlich nie an ein Ende kommen werden. Manchmal fällt es dann schwer, an einen verborgenen Sinn in all diesen Mühen zu glauben, an einen göttlichen Willen gar, der uns auf diesen Weg gerufen hat.
Es gibt Zeiten im Leben, da wachen wir am Morgen auf und fühlen als erstes den Stein, der uns auf dem Herzen liegt, unsere Angst vor dem kommenden Tag, die Furcht ihn vielleicht nicht zu bewältigen und zu versagen. Wo ist dann der Glaube an den Gott, der selbst die Haare auf unserem Kopf gezählt hat, der uns nicht fallen lässt und uns zugesagt hat mit uns zu gehen?

Wenn die Kinder Sorgen machen;
Wenn eine Prüfung naht, der wir uns nicht gewachsen fühlen;
Wenn wir gar um unsere Gesundheit oder die eines lieben Menschen ernsthaft fürchten müssen:
Dann können wir manchmal wirklich nur noch mit den Jüngern beten: Herr, unser Vertrauen ist erschüttert, wir kommen an unseren Glauben nicht mehr heran. Er ist wie verschüttet: „Herr, stärke unseren Glauben."

„Der Herr erwiderte: Wenn euer Glaube nur so groß wäre wie ein Senfkorn, würdet ihr zu dem Maulbeerbaum hier sagen: heb dich samt deinen Wurzeln aus dem Boden und verpflanz dich ins Meer! Und er würde euch gehorchen."

Das klingt zunächst nicht wie eine Antwort auf die Bitte der Jünger, sondern fast wie ein Vorwurf: „Hättet ihr doch nur einen Glauben groß wie ein Senfkorn". Aber vielleicht geht es Jesus gar nicht um ein mehr oder weniger, um großen oder kleinen, starken oder schwachen Glauben, sondern um eine Änderung der Perspektive:

Was ist denn Unglaube anderes als das Schauen auf sich selbst und ein Setzen auf die eigene Kraft und die eigenen Möglichkeiten. Und der Glaube? Ein Schauen auf Gott und das Vertrauen, in seine Allmacht und Liebe.

Dieser Glaube mag schwach sein, angefochten. Aber dazu scheint Jesus seine Jünger aufzufordern: Geht mit dem Glauben, den ihr habt, auf das zu, was euch bedrängt und euch das Leben schwer macht: Auch in den Situationen, die euch ausweglos erscheinen, ist Gott gegenwärtig und am Werk, verborgen und verdunkelt vielleicht, aber als der Gott, der euch Zukunft und Hoffnung gibt. Ihr dürft den nächsten Schritt im Vertrauen wagen.

Vielleicht dürfen wir den Maulbeerfeigenbaum im heutigen Evangelium so verstehen:
als ein Bild für all die Sorgen und Ängste, die ihr Wurzelwerk in unsere Seele treiben, die mächtig aufwachsen und alles überschatten, die uns blockieren und uns den Durchblick nehmen und an denen es kein Vorbeikommen zu geben scheint.
Wo Glaube ist, und sei er klein wie ein Senfkorn, wird das Unmögliche möglich: Da wird es möglich, das eigene Leben mit allem, was uns im Weg steht, den Ängsten und Zwängen anzunehmen und zu bestehen. Hierhin hat Gott uns gestellt. Hier und nirgendwo anders will er uns begegnen.

Glaube, sagt der Hebräerbrief, sei ein „Feststehen in dem, was man erhofft". Glaube heißt auch auf der Spur der Hoffnung bleiben. Manchmal gegen die Versuchung zur Resignation. Er sucht und entdeckt die verborgenen Möglichkeiten Gottes, in dem, was über uns verfügt ist und uns manchmal den Blick zu verstellen droht:
Ich darf damit rechnen, dass auch in dem was mir Mühe macht oder auch Angst und Probleme bereitet, Gott bereits am Werk ist, auch wenn ich es noch nicht sehe. Und dass er es zum Guten führen wird.

„Halte die Luft an und schließe die Augen", sagt die Königin zu Alice im Wunderland hinter den Spiegeln.
„Öffne die Augen und suche Gott in allen Dingen zu finden" sagt uns heute das Evangelium. „Dann musst Du nicht mehr die Luft anhalten. Dann darfst du aufatmen."

Amen