4. Fastensonntag (Laetare) Todestag von Kardinal Karl Lehmann

Zur Eröffnung des Gottesdienstes

Datum:
Mi. 11. Apr. 2018
Von:
St. Stephan Mainz

In den frühen Morgenstunden ist Kardinal Lehmann heute gestorben. Er sei „friedlich eingeschlafen", heißt es in der Pressemeldung des Bistums.
55 Jahre war er Priester, 33 Jahre Bischof von Mainz. Vor 17 Jahren hatte ihn Papst Johannes Paul II. (dann doch noch) in das Kardinalskollegium berufen.
Wir feiern den Sonntag „Laetare": das österliche Licht leuchtet in der Liturgie dieses Tages bereits auf.
Wir dürfen unseren eigenen Weg, auch alle Kämpfe und die Niederlagen auf dem Weg der Nachfolge, als einen Weg dem Licht entgegen verstehen.
In dieser Hoffnung, die uns tröstet und die uns Mut macht, sind wir in diesem Gottesdienst mit unserem verstorbenen Bischof verbunden.
Herr, gib ihm die ewige Ruhe.
Und das ewige Licht leuchte ihm.
Lass ihn ruhen in Frieden.
Amen.

Predigt

Liebe Schwestern und Brüder,

einem kleinen Buch, das anlässlich seines 80.Geburtstages seine Hirtenbriefe der letzten Jahre versammelte, hatte der Kardinal eine Art Nachwort angefügt: „Zum Abschied" lautet seine Überschrift.
Er betrachtet darin noch einmal das Leitwort, das er sich, als er 1983 zum Bischof von Mainz berufen wurde, für seinen Dienst gewählt hatte:

„Steht fest im Glauben."

Freunde, so schreibt der Kardinal, hätten damals gewarnt, das könne auch „von manchen im Sinne einer sehr konservativen Standfestigkeit", eines „starren" Beharrens verstanden werden.
Für ihn aber hatte dieses Pauluswort von Anfang an einen ganz anderen Klang.

Es steht am Ende des ersten Korintherbriefes. Der Apostel fasst seine Ermahnungen, Ermutigungen und Weisungen, die er vorher an die Gemeinde gerichtet hat, an dieser Stelle allgemein und grundsätzlich zusammen:
„Seid wachsam, steht fest im Glauben, seid mutig seid stark! Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe."

Der Glaube klingt mit der Liebe zusammen. Sie ist, schreibt der Kardinal in seiner Betrachtung, „die Lebensgrundlage schlechthin". Die Liebe zu Gott und zu den Menschen „soll das ganze Leben der Gemeinde leiten."
Und auch auf die dritte der „göttlichen Tugenden", die Hoffnung, scheint Paulus anzuspielen:

Die „Wachsamkeit" nämlich, zu der er aufruft, meint, so deutete Bischof Lehmann den Text des Apostels, „nicht nur die geistige Wachheit und Klarheit", (die Karl Lehmann, dem Gelehrten und Intellektuellen auf dem Bischofsstuhl sicher wichtig war), „sondern auch die Bereitschaft immer auch offen zu sein für das Kommen des Herrn."
Er begegnet, so würde man es heute wohl formulieren, in den „ Zeichen der Zeit", den Herausforderungen der jeweiligen Gegenwart, vor denen sich nicht ängstlich verschließen muss, wer von der Hoffnung getragen ist, dass in ihnen Christus selbst auf die Gemeinde zukommt .

Darum ist es ihm gegangen:
Um das Zeugnis des Glaubens in sensibler Aufmerksamkeit für den Anruf der Stunde, in Wachsamkeit, mutig und stark und in der Liebe zu Gott und den Menschen gegründet.

Im Laufe der Zeit, schreibt Kardinal Lehmann, sei ihm dieses Wort des heiligen Paulus immer wichtiger geworden:

„Das Feststehen im Glauben ist notwendig, um wachsam und mutig zu sein. Wir brauchen immer ein festes Fundament, damit wir Bodenhaftung haben und nicht vom nächsten Wind weggetragen werden. Damit ist ganz gewiss Standhaftigkeit gefordert. Doch ist dies ja nicht als bloße Sturheit auszulegen. Diese Standhaftigkeit muss, gerade wenn sie mit Gott zu tun hat, immer tiefer gegründet werden: (. . .) in seinem Wort, in seinen Geboten und Wegweisungen, in der Liebe, in Jesus Christus, in Gott."

„Steht fest im Glauben."

Karl Lehmann hat in den Jahrzehnten seines Dienstes als Bischof auch Erfahrungen gemacht, die ihm wohl solche Standhaftigkeit in manchen Enttäuschungen abverlangt haben.
Nicht nur im harten Konflikt mit der Kurie um die Schwangerenkonfliktberatung, der für ihn in einer schmerzlichen Niederlage endete.
Schon als er mit den anderen südwestdeutschen Bischöfen 1993 einen gemeinsamen Hirtenbrief zum Problem der Wiederverheirateten Geschiedenen veröffentlichte, wurde er nach Rom einbestellt, um von Glaubenskongregation und Papst die strikte Ablehnung der Bitte nach neuen, an der gesellschaftlichen Wirklichkeit und der Situation der Betroffenen orientierten und „barmherzigen" Wegen der Pastoral entgegennehmen zu müssen.

Dass heute Papst Franziskus diese Gedanken der Bischöfe aufnimmt und sein Pontifikat unter das Schlüsselwort der Barmherzigkeit stellt und auch die Deutsche Bischofskonferenz inzwischen auf diese Linie einschwenkt, kann nicht darüber hinwegtrösten, dass es damals an Wachsamkeit für die Zeichen der Zeit gefehlt hat, dass seitdem Jahrzehnte verloren wurden und viele sich auch aus solchen Gründen von der Kirche abgewandt haben.

Manchmal, so darf man vermuten, wird er wohl an den Kräften, die tatsächlich starres Beharren mit Standhaftigkeit verwechseln, gelitten haben und daran, dass seine Kirche auf viele Fragen der Menschen von heute, glaubwürdige, überzeugende Antworten schuldig geblieben ist.
Gleichwohl hat Kardinal Lehmann „Mit langem Atem" 33 Jahre lang seinen Dienst als Bischof versehen. So lautet der Titel, unter dem ein großes Interview, das Markus Schächter mit ihm geführt hat, vor einem Jahr als Buch erschienen ist.
Im Rückblick auf die Begegnungen und Erfahrungen seines Weges, kommt der Kardinal darin noch einmal auf sein Leitwort zu sprechen:

„Der Satz des Paulus, wenn man ihn genau betrachtet und „Glauben" richtig versteht, ist ein Aufruf zu einer Dynamik, die Mutlosigkeit überwindet."

Das liest sich heute, an seinem Todestag, wie ein Vermächtnis.

Mit vielen Menschen in Stadt und Land trauern wir um einen weit über die Grenzen dieses Bistums und auch seiner Kirche hinaus hoch angesehenen Theologen und Zeugen des Glaubens, dessen Stimme im Gespräch der Gesellschaft gehört worden ist und die fehlen wird.
Einen Mann des Dialogs und einen Brückenbauer, auch zwischen den Konfessionen.
Um einen beliebten Bischof, der Lebensfreude und Menschlichkeit ausgestrahlt hat und bei dem man spüren durfte, dass er den Menschen aufrichtig und ohne Verstellung zugewandt war.
Die größte, dem heiligen Stephanus geweihte, Glocke unserer Kirche trägt auf ihrem Glockenmantel jenes Leitwort, das Karl Lehmann sich zur Bischofsweihe gewählt hatte:
„Steht fest im Glauben"
Sie wird heute um 14.30h in das große Stadtgeläut mit einstimmen.
Dann schwingt auch unser Dank für den Dienst dieses großen Bischofs mit und wird vom Stephansberg hinab in die Stadt getragen.

Amen