4. Sonntag im Jahreskreis - Pfarrer Stefan Schäfer

Datum:
So. 29. Jan. 2017
Von:
Pfr. Schäfer

4. Sonntag im Jahreskreis - Pfarrer Stefan Schäfer


Liebe Schwestern und Brüder,

„Warum werde ich nicht satt?" So heißt ein Song der deutschen Punkrockband die „Toten Hosen".
Strophe für Strophe wird aufgezählt, was alles an glücksverheißenden Gütern vorhanden und verfügbar ist: der Zweitwagen in der Garage neben einem großen Haus, der Swimmingpool im Garten, die Partys, die man feiern kann. Und Strophe für Strophe läuft diese Aufzählung immer wieder auf diese Frage hinaus:
„Warum werde ich nicht satt?"
Anfangs noch mit leisem Erstaunen, dann immer verzweifelter, bis schließlich Campino, der Sänger der Band, sie geradezu entsetzt und wie wahnsinnig herausschreit.
In allem ist immer etwas zu wenig, um das unstillbare Verlangen des Menschen nach Sinnerfüllung, unseren Hunger nach Glück, ganz zu befriedigen. Da scheint eine Sehnsucht in uns zu wohnen, die uns immer schon über das hinausgreifen lässt, was irdische Güter, was Reichtum, Macht und Ehre, Gesundheit, Konsum und Leistung, Vergnügen und Ansehen, erfüllen könnten.
Nicht dass sie etwa grundsätzlich zu verachten wären oder gar das kleine Glück des alltäglichen Lebens, das uns das Dasein manchmal doch erst erträglich macht, abgewertet werden soll: das Glas Wein am Abend, ein gutes Essen im Kreis von Freunden, auch nicht der Erfolg, den wir uns verdient haben und über den wir uns freuen dürfen. All das trägt uns ja im Leben. Wo es aber den ersten Platz besetzt, droht die Gefahr, sich daran zu verlieren, so dass wir am Ende die endlichen Güter nicht mehr gebrauchen und besitzen, sondern von ihnen wie besessen sind, um dann doch die Erfahrung zu machen, am Ende unbefriedigt zu bleiben.
Wenn das Ausgespanntsein unserer Sehnsucht auf ein „Darüber Hinaus" verlorengeht, dieses Sehnen nach einem Sinn als wirklich tragendem Grund, nach einem Glück, das uns ganz und bleibend erfüllt, bleibt manchmal von der „Sehn-sucht" nur mehr die Sucht. Der Song der „Toten Hosen" beschreibt sie als eine Jagd nach den Gütern der Erde, die nie an ein Ende kommen kann, weil diese Güter ihr Glücksversprechen letztlich nicht einlösen.

Die Seligpreisungen, mit denen Jesus die Bergpredigt eröffnet, greifen das unstillbare Verlangen nach Glück, das uns im Leben umtreibt und antreibt, auf.
Sie sprechen dabei nicht von dem kleinen Glück, das uns manchmal begegnet und geschenkt wird. Das griechische Wort „makarios", das die Einheitsübersetzung mit „selig" übersetzt, meint ursprünglich das allein den Göttern vorbehaltene Glück, ein Glück in vollem, unüberbietbarem Maß.
Dieses Glück wird denen zugesprochen und verheißen, die auf dem Weg der Seligpreisungen gehen und sich damit auf die Lebenslogik des Evangeliums einlassen, die auf eine Umwertung aller Werte hinausläuft und die Jesus so formuliert:

„Wer sein Leben retten will, wird es verlieren;
Wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten."

Selig sind deshalb all jene, die nicht von sich selbst, ihrem Vermögen und sonstigen Gaben schon alles erwarten, die „Armen im Geist", die um ihre Bedürftigkeit trotz allen Besitzes wissen;
Jene, die sich nicht durchsetzen mit Macht und Gewalt und um jeden Preis und die von der Selbsthingabe mehr erwarten als von der Selbstbehauptung im ständigen Kampf um die ersten Plätze;
jene, die sich zurücknehmen können und die anderen Raum geben, ihrer Trauer und Angst und die sich vom Unrecht, das dem Nächsten widerfährt, so anrühren und betreffen lassen, dass es in ihnen zum Durst nach Gerechtigkeit wird.
Selig sind die, die sich nicht immer nur schadlos halten, in der Angst sonst zu kurz zu kommen und die sich auch einmal etwas entgehen lassen können:
Ihnen versprechen die Seligpreisungen Jesu eine überraschende Entdeckung: dass sie das Glück, das sie scheinbar aus der Hand geben, nicht verlieren, sondern dass es sich ihnen schenkt, gerade weil sie es nicht angezielt und erzwungen haben, gerade weil sie absichtslos geblieben sind.

Die Seligpreisungen, die den Auftakt zur Bergpredigt Jesu bilden, in dem schon alles angelegt und vorgezeichnet ist, sind weit mehr als nur ein Leitfaden und Ratgeber zum glücklichen Leben.
Sie sind, so hat Papst Johannes Paul II. es formuliert „in ihrer ursprünglichen Tiefe (. . .) so etwas wie ein Selbstbildnis Christi". Von seinem Weg der bedingungslosen Liebe zu den Menschen und der Hingabe an den Willen des Vaters im Himmel her erst erschließt sich ihr tiefer Sinn:
In Christus, so glauben wir, begegnet uns das ewige Wort der Liebe, in dem alles erschaffen ist. Indem wir uns diesem Wort öffnen und seiner Weisung zur Lebensgemeinschaft mit ihm folgen, wie sie in der Bergpredigt ergeht, sind wir auf der Spur eines tragenden Sinns und jenes Glücks , das unsere Sehnsucht sucht.
Und manchmal berührt es uns schon in den kostbaren Erfahrungen mitten im Leben, in denen wir selig sind, weil wir uns selbst vergessen und an den andern verloren haben und darin ganz bei uns selbst und für einen Augenblick schon am Ziel aller Sehnsucht angekommen waren.

Amen