Fastnachtssonntag
Liebe Schwestern und Brüder,
von überallher kommen Leute,
weil ein Gerücht die Runde macht,
das irgendwer in Mainz mal streute,
wonach man hier zur Fasenacht,
trotz des Schwellkopfs schwerer Bürde,
weil man sonst was verpassen würde,
samt seinem Kater sich erhebt
und sonntags in die Kirche strebt.
Es sei, so heißt´s der Redefluss
dort schlechterdings ein Hochgenuss.
Mag Schulz auch den Parteitag rocken,
wenn vor ihm die Genossen hocken,
ergreift hier die Begeisterung
in gleichem Maße alt und jung:
besinnlich mal, mal hochdramatisch,
auf jeden Fall stets charismatisch,
als würde Christian Lindner reden,
packt die Fastnachtspredigt jeden.
Wobei der Kenner es goutiert,
dass hier noch mehr geboten wird:
Lindner, das muss man zugesteh´n ,
ist in schwarz-weiß recht fotogen.
Doch will man was in Farbe seh´n,
dann muss man nach St. Stephan geh´n.
Der Rhetor hebt sein Haupt, sein kahles,
ein Feingeist wie Andres Nahles,
spricht er, geschliffen, pointiert,
die Verse lieblich ziseliert:
„Ätschi-Bätschi, nirgendwo,
seit Cato oder Cicero
oder auch Andreas Schmidt,
dem Messdiener in seiner Bütt,
gibt´s wen, mit dem ich mich nicht messe.
Und wer´s nicht glaubt . . . . . . . . .
(der ist ein Hesse)
Das war, o Schreck, ein kleiner Test,
ob Ihr auch fleißig Zeitung lest.
Die das rechte Reimwort fanden,
haben mit Bravour bestanden.
Den andern sag ich: Seid nicht bang.
Die Predigt dauert ja noch lang.
Ihr seid nicht zum Vergnügen hier.
Den nächsten Reim, den kennt selbst Ihr:
In Deutschland herrscht zur Zeit ne Flaute.
Die Kanzlerin zeigt uns die . . . (Raute)
Der schon erwähnte Schicki-Micki
und sein Ziehvater Wolfgang . . . (Kubicki)
seh´n, eh´s losgeht, noch am Pier,
als Klabautermann Cem . . . (Özdemir).
Worauf sie von den Fahnen rennen.
Man hätte es gleich ahnen können:
Nach Jamaika, wo die Stürme tosen,
gelangt man nicht mit Leichtmatrosen.
Wie auf der Resterampe steht
Angela: einsam und verschmäht.
Ein Korb ward ihr zuteil, ein schnöder.
Fast sehnt sie sich nach Gerhard . . . (Schröder).
Wenn der 'ne Braut zur Hochzeit führt,
wird nicht erst lange rumsondiert.
Bildungsfernseh´n mit Niveau-
dafür steht die „Heute Show".
Wer freitags fernsieht, hat gelernt:
Björn Höcke heißt in Wahrheit . . . (Bernd).
Er pflegt ein trautes Miteinander
mit dem Parteichef . . . (Alexander).
Sie träumen von den 1000 Jahren
als deutsche Lande „Gauland" waren.
Den Dobermann auf der Krawatte,
die der sich umgebunden hatte,
als man am Wahltag Stimmen zählte,
muss man nicht erst zum Jagen tragen.
Es soll mir später keiner sagen:
„Ich wusst´ ja nicht, wen ich da wählte!"
Weil´s aber immer etwas gibt,
was man tun kann, auch in dunklen Zeiten,
mach ich mich kurz mal unbeliebt
und möchte 'nen Vorschlag unterbreiten:
Bei Eintracht Frankfurt neuerdings
darf nur noch, wer den Kevin Prince
Boateng als Nachbarn schätzt,
'nen Mitgliedsantrag unterschreiben.
Wer aber gegen Fremde hetzt,
muss zähneknirschend draußen bleiben.
Mir imponiert das ungemein:
Wo gibt´s denn sonst einen Verein,
der ganz ohne „Rechts – Außen" kickt?
Mir nach: Wir treten alle ein!
'Nen Fan- Schal hätt ich schon gestrickt!
. . .
Begeisterung, soweit ich seh´ . . .
Es war ja nur so 'ne Idee . . .
Ich glaub´, die Maske ist verrutscht:
Mir ist die Meinung rausgeflutscht.
Dabei wär´s doch die hehre Pflicht
des Predigers, indem er spricht,
anstatt sich mit dem kruden Leben
und Politik gar abzugeben,
die Leute geistlich zu erheben!
Dem stimmt auch Julia Klöckner zu
und gibt der „Bild" ein Interview,
wonach sie in der Weihnachtsmette
es erbaulicher gern hätte:
Wölki und Bedford-Srohm, die beiden,
möchten doch zukünftig vermeiden,
die Themen: „teure Immobilien",
„Wohnungsnot", „Flüchtlingsfamilien"
und dergleichen zu besetzen
und gegen Donald Trump zu ätzen.
Das habe doch alles auf gar keinen Fall
mit diesem Kind armer Leute im zugigen Stall,
mit der Botschaft vom Frieden, den es allen gebracht
und seiner Flucht nach Ägypten bei Nebel und Nacht
-was denken sich nur diese Pfaffen!-
auch nur das Mindeste zu schaffen.
„Denkst du denn, wenn den Gesang der Engel du hörst,"
fragt sie noch rhetorisch, „an „America first" ?"
Nein. Tu ich nicht. Das wär´ja auch krank!
Ich stelle die Bibel zurück in den Schrank,
wohin sie nach alldem letztendlich gehört.
Und nach möglichst weit hinten, damit sie nicht stört.
Womit ich längst schon mittendrin
in meinem nächsten Thema bin.
Denn in ganz Mainz wird diskutiert,
wie man die Bibel präsentiert:
Aus Rom, das ist recht ungewöhnlich,
schreibt der Papst uns höchstpersönlich:
„Ihr Mainzer seid, Geliebte im Herrn,
wie Ihr hoffentlich wisst, meinem Herzen nicht fern.
Kürzlich erst wieder, nach schlafloser Nacht,
hab voll Freude und Hoffnung ich an Euch gedacht.
Ich wollt´mich grad zum Büro hinbewegen,
da kam mir der Kardinal Müller entgegen.
Der lebt hier, wie Euch ja wahrscheinlich bekannt,
im vorgezogenen Ruhestand.
Ich grüße ihn freundlich: „Gelobt sei der Herr!"
„In Ewigkeit, Amen!", antwortet er.
Vielleicht war dabei in seiner Diktion
en leicht gekränkter Unterton.
„Das ist", denk ich noch, „mal ein Mann von Statur!
Woran erinnert der Gerhard Ludwig mich nur?
Er ist schon sehr groß und er wirkt ziemlich mächtig.
Mancher meint, er sei hohl, doch nach außen hin prächtig.
Er ist, nachdem, was ich so hör´,
auch nicht bei allen populär.
Mancher meint gar, er stelle sich quer!"
Und plötzlich fällt mir, vielleicht ist das gemein,
der Mainzer Bibelturm irgendwie ein.
„Wohin bloß mit ihm?" Keiner weiß es zu sagen!
Wie mir scheint, steh´n wir da vor recht ähnlichen Fragen!
Und das ist der Grund, weshalb ich, Ihr Lieben,
Euch mit eigener Hand diese Zeilen geschrieben:
In Eurer City ist man der Baustellen müde.
In Hechtsheim steht schon 'ne Pyramide.
Anderswo aber, so kommt es mir vor,
ragt lediglich der Spargel hervor.
Wie wäre es also, nur mal laut überlegt,
-mancher ahnt, wohin sich der Gedanke bewegt-,
wenn Ihr Euren Bau nach Finthen verlegt?
Und Kardinal Müller, der ja da hinten daheim,
übernimmt dort den Vorsitz im Turmbauverein!
Ein Philosoph und sehr weiser Mann
hat einmal gesagt, und da halt ich mich dran,
dass ein Problem, was jetzt wohl ein jeder versteht:
das Marktfrühstück bleibt, mein lieber Mitbruder geht,
im Grunde aus dornigen Chancen besteht.
Auch Kardinal Müller, wie man ihn kennt,
ist ganz in seinem Element:
Er steht als Wächter oben im Turm.
Standhaft trotzt er dort jedem Sturm
und wacht dort über das Glaubensgut,
das in Panzerglasvitrinen
unantastbar und in Frieden ruht.
Es wird von Dämmerlicht beschienen,
weil er den Schalter runterdimmt,
damit es keinen Schaden nimmt
und nicht so, wie in Rom zuletzt,
-daran denkt er gar nicht gerne-
im grellen Licht der Postmoderne
der Zeitgeist naht und es zersetzt.
Er freue sich schon auf die neue Funktion
und bedanke sich sehr für das Vertrauen.
Man könne vielleicht, sagt er, im Gehen fast schon,
den Turm in die Nähe vom „Atrium" bauen:
Damit die Taxis nicht so weit fahren müssen,
wenn wem danach ist, Bischofsringe zu küssen.
Mit diesen Worten ist er aus Rom dann geschieden.
So sind, wie mir scheint, letztlich alle zufrieden."
Diesen Brief, ich gesteh´s , hab ich eben ganz frei erfunden.
Man kommt ohne Fake nicht mehr über die Runden.
Jetzt bieg ich - eigentlich ist´s schade-
schnurstracks in die Zielgerade.
Und will gleich schon mal zugesteh´n:
Einfach ist es wirklich nicht,
die Bibel richtig zu versteh´n:
„Wenn man schlecht Aramäisch spricht",
so hört man Papst Franziskus grübeln,
„fragt man zum Beispiel irgendwann
und kann´s dem Frömmsten nicht verübeln,
wie es denn wohl gemeint sein kann,
wenn wir im „Vater Unser" beten,
Gott mög´nicht in Versuchung führen.
Als könnten wir in Fallen treten,
die er, wohl um uns nachzuspüren,
uns heimlich in den Weg gestellt.
Und wie sich das zu dem verhält,
was Jesus ursprünglich gemeint."
„Ich weiß es nicht. Doch wie mir scheint",
denk ich so bei mir im Stillen,
„war ursprünglich im Schöpferwillen
eine Welt ganz ohne Schlangen
nun einmal nicht vorgeseh´n."
Mag der Fuß sich mal verfangen
und man aus dem Tritt gelangen:
Strauchelnd lernt der Mensch zu geh´n.
„Abba" heißt, soviel versteh ich,
dafür reicht mein Aramäisch,
„guter Vater". Und so geh´ ich
im Vertrauen meiner Wege:
Mal sieht man mich grade wandern,
anderntags wohl eher mäandern,
wobei ich doch die Hoffnung hege,
dass er mir, sowie uns allen,
grad dann nah ist, wenn wir fallen.
Letztlich wird´s nicht darum gehen,
ob wir immer aufrecht stehen,
sondern: dass wir uns bewegen!
Auf den Schwachen liegt sein Segen.
Und wenn uns sein Wille führt,
uns selbst den Kleinen zuzuwenden,
werden wir von seinen Händen
sanft und unsichtbar berührt.
Sie zuerst!
Und nicht die Sieger,
die Starken und die Überflieger.
Mit „Versuchung", wie mir scheint,
ist vor allem dies gemeint:
Ins Wolfgeheul miteinzustimmen,
in der Hoffnung, zu gewinnen.
Man steht gern selbst im hellen Licht.
Und sieht dann die im Schatten nicht.
Wie im Himmel soll auf Erden
Barmherzigkeit erwiesen werden.
Durch uns. Und in Gottes Namen.
Das wär dann schon alles.
In Ewigkeit. Amen.