Liebe Schwestern und Brüder,
wir haben miteinander Weihnachten gefeiert: fröhlich die einen, still und besinnlich die anderen. Manch einer vielleicht auch ein wenig wehmütig. Etwas weniger alltäglich wird uns allen wohl zumute gewesen sein in diesen Tagen. Etwas empfänglicher sind wir gewesen für das, was über den bloßen Alltag hinausgeht.
Nun mündet die Weihnachtszeit in das Fest der „Erscheinung des Herrn":
„Erschienen ist die Gnade und Menschenfreundlichkeit unseres Gottes und Heilands Jesus Christus."
Das Fest sagt uns zunächst noch einmal was wir an Weihnachten gefeiert haben:
Gott ist da. Als der Immanuel, der Gott mit uns. Er ist ein Mensch geworden, ist in die Enge und Armseligkeit unseres Lebens hineingegangen. Er hat uns so sehr geliebt, dass er einer von uns geworden ist, um unsere Last mit uns zu teilen und auch dem Ärmsten noch Bruder zu sein.
Weil er uns sucht, können wir nicht mehr verlorengehen.
Aber dann zeigt sich heute noch eine andere Dimension des Geheimnisses, das wir an Weihnachten feiern:
Epiphanie erzählt nicht nur davon, dass Gott sich aufmacht, den Menschen zu suchen. Es spricht auch von der Suche des Menschen, der in Bewegung ist, unruhigen Herzens, und von dem uns heute gesagt wird, dass er an der Krippe ans Ziel kommt.
Die Sterndeuter, von denen das Evangelium uns heute berichtet, sind ja eine Art Urbild des fragenden und suchenden Menschen.
Mit ihnen sind alle gemeint, die einen Hunger nach Sinn und Erlösung in sich tragen. Die nicht in den Geschäften ihres Alltags aufgehen, nicht im Spiel der eigenen Pläne und nicht in den vorläufigen Zielen, die wir uns setzen. Die vielmehr nach einem Ziel fragen, das bleibt, einem letzten Ziel, das in all unseren Aufbrüchen - vielleicht manchmal nur unbewusst - schon der verborgene Anziehungspunkt ist und für das die Reise des Lebens sich lohnt.
Sie haben die Sterne befragt. Aber selbst ein vergleichsweise hilfloses Unterfangen, wie es die Astrologie darstellt, lässt sie auf den rechten Weg finden. Weil es vielleicht gar nicht so sehr auf die Antworten ankommt, die wir finden, als vielmehr auf die Unruhe des Fragens, die Sehnsucht des Herzens:
Was ist der Mensch? Was sind wir für seltsame Wesen?
Ein kurzes Aufglühen des Geistes, nur um dessen inne zu werden, dass wir aus dem Nichts auftauchen um in diesem Dunkel bald wieder zu verschwinden?
Oder eben doch das Geschöpf, das in seinem Fragen und Suchen schon immer auf Gott ausgerichtet und auf dem Weg zu ihm ist?
Das heutige Fest malt im Bild des Zuges der Sterndeuter die Vision einer Bewegung, die alle und alles erfasst: alle Völker, die Menschheit, ja die Schöpfung selbst bis hinauf zu den Sternen ist zu Gott hin unterwegs. Bis er einmal „alles in allem" sein wird. Im Menschen kommt diese Bewegung zu Bewusstsein, wie Augustinus es klassisch formuliert hat: „ Du hast uns auf dich hin geschaffen, Gott, und unruhig ist unser Herz bis es Ruhe findet in dir".
In den Sterndeutern begegnen uns Menschen, die ihr Leben in diesem Sinn als Pilgerschaft verstehen. Ihre Suche nach Gott lässt sie einen weiten Weg gehen: Durch manche Wüste, manchen Umweg. Konfrontiert mit der eigenen Schwäche und Unzulänglichkeit. Und mit der Gleichgültigkeit und Feindschaft der anderen. Es werden ihnen unterwegs Zweifel gekommen sein, ob ihre Reise überhaupt zu einem Ziel führt.
Am Ende aber stehen sie doch anbetend vor der Krippe: Weil Gottes Verheißung gilt, dass er sich finden lässt, von denen die ihn ehrfürchtig suchen, von jenem kleinen Geschöpf mit dem unruhigen Herzen, das wir „Mensch" nennen.
Das heutige Fest fragt uns, ob wir solche Menschen der Sehnsucht, des Aufbruchs sind, die ihr Leben als Pilgerschaft begreifen.
Auch über unserem Leben, in dessen Alltag uns das heutige Fest gewissermaßen entlässt, steht der Stern. Er mag uns manchmal fern erscheinen, hinter Wolken verborgen. Aber er ist da!
Auch in unseren Vorsätzen für das neue Jahr, der Sehnsucht, anders zu werden, gütiger, freier, vielleicht glücklicher als wir es sind, leuchtet dieser Stern, der uns zum Aufbruch ruft.
Auch in unserem Bedauern, schwach zu sein, so voller Fehler, noch so weit davon entfernt, aus der Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes, die sich uns geschenkt hat, als Menschen des Vertrauens zu leben, leuchtet der Stern. Gott wartet darauf, dass wir ihm auch unser Versagen bringen.
Ein Wort des großen Theologen Karl Rahner mag uns Mut machen zum Aufbruch:
„ Ein neues Jahr hat begonnen. Auch in diesem Jahr ziehen alle Wege vom Morgenland zum Abendland durch die Wüsten des Lebens endlos an Vergänglichkeit vorbei. Aber man kann auf ihnen die selige Reise der Pilgerschaft zum Absoluten machen, die Reise zu Gott.
Brich auf, mein Herz, und wandre! Es leuchtet der Stern. Viel kannst du nicht mitnehmen auf den Weg. Und viel geht dir unterwegs verloren. Lass es fahren! Gold der Liebe, Weihrauch der Sehnsucht, Myrrhe der Schmerzen hast du ja bei dir. Er wird es annehmen. Und wir werden finden."
Amen.