Wahrscheinlich hätten sie es gar nicht so genau sagen können. Vielleicht war es nur eine Ahnung, die tief in ihnen einen Grund des Vertrauens freigelegt hat:
dass in diesem Menschen, seinen Worten und Gesten, seiner Ausstrahlung tatsächlich ein anderer auf sie zukam, Gott selbst in seiner Zuwendung, in seinem Erbarmen. Dass er in ihm, menschgeworden, gegenwärtig war. Und mehr noch: dass er genau um ihretwillen, „für sie", für die Armen da am Straßenrand, gegenwärtig war.
Vielleicht war das ihr Glaube.
Und dieser Glaube schuf eine Vereinigung mit Jesus, die über alles, was man von ihm hätte wissen können, hinausging und die sie neu und geheilt ins Leben gehen ließ.
Ähnlich, wie es auch uns manchmal gehen mag. Wenn am Altar die Wandlungsworte gesprochen werden, wenn die Hostie erhoben wird und uns doch wieder eine Ehrfurcht ergreift.
Auch wir „wissen" dann vielleicht gar nicht so recht, was wir da glauben und wie es geschieht. Und ahnen doch etwas vom Geheimnis einer Gegenwart:
dass er, der Herr, wirklich auf uns zukommt in diesem Zeichen. Dass er darin „für uns" gegenwärtig wird und seine Zusage einlöst: „Fürchtet euch nicht. Ich bin bei euch, alle Tage, bis zum Ende der Welt".
Und dieser Glaube bewirkt eine Vereinigung, eine Kommunion, zieht uns hinein in die Lebensgemeinschaft mit ihm, damit wir neu und verwandelt in unser Leben gehen.
Unverlierbar hat sich dem Gedächtnis der Christen eingebrannt, was Jesus selbst am Abend vor seinem Leiden und Sterben getan hat:
Als er das Brot nahm und später, gegen Ende des Mahles mit seinen Jüngern, den Becher mit Wein: „das ist mein Leib, das ist mein Blut, für euch und für alle hingegeben." Das bin ich selbst, der, dessen ganzes Sein und Wesen darin besteht, im Namen Gottes „für euch" zu sein und seine Liebe, seine Entschiedenheit für den Menschen unter euch und für euch zu leben."
Im vollen Bewusstsein dessen, was auf ihn zukommt, verwandelt Jesus das Zerbrochenwerden, das ihm bevorsteht, in einen Akt der Hingabe an den Willen Gottes, den Menschen nicht verlorengehen zu lassen und der Liebe zu all den Verlorenen, denen am Straßenrand, mit denen er sich so sehr identifiziert, dass er am Kreuz einer von ihnen werden wird.
Viermal sind Jesu Gesten und seine Worte im Abendmahlsaal im neuen Testament überliefert. Sein kostbares Vermächtnis. Sie stehen im Zentrum des Hochgebets in jeder katholischen Eucharistiefeier. Dieselben Worte erklingen in der eucharistischen Liturgie der Ostkirchen und ebenso bei jeder Abendmahlsfeier bei unseren evangelischen Schwestern und Brüdern.
„Tut dies zu meinem Gedächtnis!"
Jesu Auftrag verbindet die Konfessionen darin, ihn in seinem „Für-Uns- Sein", in seiner Liebe, als lebendige Gegenwart zu erinnern, um in der Begegnung und aus der Gemeinschaft mit ihm zu leben.
Das Fronleichnamsfest ist eine katholische Ausdrucksgestalt dieses Glaubens an seine Gegenwart in der er auch heute denen am Rand der Straßen begegnet:
Mag die Monstranz noch so kostbar, vielleicht sogar prunkvoll sein - sie bewahrt „nur" ein kleines Stück Brot, in dem sein Gedächtnis aufgehoben und für unsere Gegenwart aufgerufen ist. Durch die Zeiten hindurch verdichtet sich in diesem Zeichen der Glaube und die Hoffnung der Christen:
dass Jesu Weg der Hingabe nicht gescheitert ist, sondern einmal und ein für alle Mal den Weg ins Leben erschlossen hat.
Und dass er, als der Auferstandene, aus der Wirklichkeit Gottes, aus seinem Erbarmen, in diesem Zeichen auf uns zukommt, als Beistand und Trost, in unseren Bedrängnissen und Sorgen und als Herausforderung und Ermutigung, mit ihm den Weg zu gehen, auf dem der das Leben findet, der sich hingibt und sich selbst verliert.
Wie jene Bettler und Kranken damals am Straßenrand bekennen wir, dass wir glauben.
Vielleicht wissen wir nicht so recht, was wir da bekennen und glauben.
Und ersehnen doch eine Vereinigung, die Kommunion, die Weg- und Lebensgemeinschaft mit ihm, die uns heilt und die uns heiligt.
Amen