Gemeindegottesdienst mit Taufe - Pfr. Stefan Schäfer

Datum:
So. 22. Jan. 2017
Von:
Pfr. Schäfer

Gemeindegottesdienst mit Taufe - Pfr. Stefan Schäfer


Liebe Schwestern und Brüder,

in diesem Gottesdienst wird ein kleines Kind getauft.
Die Eltern haben versprochen, ihren Sohn Johannes im Glauben zu erziehen.
Und sie haben sich für diese Feier ein Lied gewünscht, das seit fast 200 Jahren an Kinderbetten gesungen wird: 1837 wurde „Weißt du, wieviel Sternlein stehen" mit dem Text des evangelischen Pfarrers Wilhelm Hey zum ersten Mal gedruckt.
Das Lied ist von einem Glauben geprägt, der einfach ist, aber nicht einfältig, kindlich, aber nicht kindisch oder naiv, klein wie ein Senfkorn, ein schlichtes Vertrauen des Herzens, das aber sehr weit tragen kann.
Und vielleicht kann es unseren eigenen Erwachsenenglauben, der von Zweifeln und Fragen angefochten und manchmal auch angekränkelt ist, stärken, wenn wir es hören und nachher unserem Täufling gemeinsam auch vorsingen.

Weißt du, wie viel Sternlein stehen
an dem blauen Himmelszelt?
Weißt du, wie viel Wolken gehen
weithin über alle Welt?
Gott der Herr hat sie gezählet,
dass ihm auch nicht eines fehlet
an der ganzen großen Zahl.

Natürlich ist es eine rhetorische Frage, die da gestellt wird. Kein Mensch kann je die Sterne zählen. Die Unendlichkeit des Weltraums sprengt jedes Maß des rechnenden Verstandes und übersteigt unsere Vorstellungskraft. Mancher Stern, den wir am Nachthimmel leuchten sehen, ist in Wahrheit längst schon erloschen. Nur sein Licht ist noch immer zu uns unterwegs.
Man kann ehrfürchtig staunen vor diesen Dimensionen und Demut empfinden. Man kann darüber auch erschrecken. Die Angst kann in einem wachsen angesichts dieser gewaltigen schweigenden Räume, die nichts von uns wissen und in denen wir treiben, weniger als ein Staubkorn.
Gegen diese Angst, die uns anweht, wenn wir zu Bewusstsein kommen und anfangen, uns die Fragen nach dem Woher und Wohin und dem Warum unseres kleinen Lebens zu stellen, hegt unser Lied den Keim des Vertrauens in einer Kinderseele, ohne das wir Menschen wohl nicht leben können:
Jenes Urvertrauens, dass nicht das blinde Spiel von Zufall und Notwendigkeit den Kosmos durchwirkt, sondern dass alles von einer Allmacht und Güte getragen ist, die wir Gott nennen:
Das Größte und das Kleinste, die Sterne und die Mücken und Fischlein, von denen die zweite Strophe singt. Und auch wir selbst, die wir auch von ihm gekannt und mit Namen gerufen sind.

Weißt du, wie viel Mücklein spielen
in der heißen Sonnenglut,
wie viel Fischlein auch sich kühlen
in der hellen Wasserflut?
Gott der Herr rief sie mit Namen,
dass sie all' ins Leben kamen,
dass sie nun so fröhlich sind.

Einige Tausend Jahre vor Pfarrer Wilhelm Hey geht ein anonymer Psalmendichter einen ganz ähnlichen Gedankengang:

„Herr, unser Herrscher, wie gewaltig ist dein Name auf der ganzen Erde.
Über den Himmel breitest du deine Hoheit aus.
Seh ich den Himmel, das Werk deiner Finger,
Mond und Sterne, die du befestigt:
Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst?
Des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?"

Und er bestimmt die Würde des Menschen darin, ein Ebenbild Gottes in seiner schöpferischen Macht und Güte zu sein:

„Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott.
Hast ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt."

Das ist der Mensch: ein Abglanz jener Liebe, in der alles erschaffen ist, die uns alle kennt, wie unser Lied in seiner letzten Strophe singt und aus der wir leben dürfen.
Wenn es stimmt, dass wir von Gott beim Namen gerufen sind, dann ist unser Leben nichts anderes als Antwort auf diesen Ruf, in Verantwortung vor der Heiligkeit allen Lebens, in Ehrfurcht vor der Größe der Schöpfung und in Demut noch vor dem Kleinsten, dem Unscheinbaren, das auch von ihm „gezählt" ist und nicht verlorengehen darf.

Weißt du, wie viel Kinder frühe
stehn aus ihrem Bettlein auf,
dass sie ohne Sorg' und Mühe
fröhlich sind im Tageslauf?
Gott im Himmel hat an allen
seine Lust, sein Wohlgefallen;
kennt auch dich und hat dich lieb.

Ist es naiv, an der Wiege eines Kindes solche Lieder zu singen? Blenden wir das Elend einer Welt, in der von Gottes Allmacht und Güte und seiner Sorge noch für die Kleinsten und Schwächsten so wenig zu spüren ist, dabei nicht aus?
Ich meine, es ist Ausdruck einer Entscheidung, wenn wir Kindern solche Lieder singen: Der Entscheidung für den Glauben, dass nichts tiefer reicht und mächtiger ist als die Güte. Allem Anschein zum Trotz. Und dass Gott in dieser Welt gegenwärtig ist und mit denen am Werk, die aus solcher Entschiedenheit zu leben versuchen.

Wir wünschen unserem Täufling, dem kleinen Johannes, dass er als ein Mensch solchen Vertrauens aufwächst und dass dieses Vertrauen ihn trägt, wenn er größer und schließlich erwachsen wird.
„Wäre das einfache Vertrauen des Herzens aller Dinge Anfang", so schreibt einmal Frère Roger Schutz, der Gründer der Gemeinschaft von Taizé, „wir kämen weit, sehr weit".