Gründonnerstag - Pfr. Stefan Schäfer
Liebe Schwestern und Brüder,
für das Hochgebet der heiligen Messe sieht die Liturgie am Gründonnerstag einen eigenen Einschub vor. Wenn der Anfang des Einsetzungsberichtes gelesen wird: „ . . .am Abend, an dem er ausgeliefert wurde", soll der Priester die Worte einfügen: „das ist heute !".
Das besagt nun nicht, dass am Gründonnerstag eine Art Jahrestag begangen würde, die Erinnerung an die Einsetzung der Eucharistie in jenem Obergemach in Jerusalem heute vor 2000 Jahren. So wie wir uns andere bedeutsame Ereignisse aus ferner Vergangenheit ins Gedächtnis rufen, damit sie nicht vergessen werden. So ist dieses „das ist heute", der Einschub ins Hochgebet am Gründonnerstag, nicht zu verstehen.
Er ruft vielmehr eine Vergangenheit auf, die nicht mehr vergeht:
Heute, jetzt, in dieser Stunde, wird, indem wir es erinnern, gegenwärtig und wirklich, was damals geschah. Das Geschehen im Abendmahlsaal ereignet sich unter uns. Und wir werden ein Teil dieses Geschehens. Jetzt und hier, „heute", tritt der Herr auf uns zu, um uns nahe zu sein, mitten in unserem Leben unter uns und für uns gegenwärtig: „Das ist mein Leib für euch."
So ruft die Liturgie des Gründonnerstags ins Gedächtnis, was uns in frommer Routine vielleicht manchmal verloren geht:
Immer, wenn wir zur Messe zusammenkommen, am Sonntag und ebenso, wenn wir am Werktag den Gang unserer Sorgen und Geschäfte unterbrechen, um Eucharistie miteinander zu feiern – immer bricht dieses „Heute" an, das Heute der realen, seiner wirklichen Gegenwart. Jede Eucharistie wird gefeiert „am Abend, an dem er ausgeliefert wurde". Sie macht diesen Abend gegenwärtig und will uns in dieses „Heute" hineinversetzen.
Wie mit den Jüngern im Abendmahlsaal teilt der Herr mit uns das Brot und den Wein, die „Früchte der Erde und unserer menschlichen Arbeit". Sie stehen für unser Leben, in allem, was uns ausmacht und betrifft: für all unsere Mühsal und unsere Freuden, die Vergeblichkeit und die Müdigkeit, die uns manchmal befällt. Aber auch für das Glück, das uns mitunter geschenkt ist.
All das teilt er mit uns. „Heute", am „Abend, als er ausgeliefert wurde", kommt auf den Tisch, was unser Leben ausmacht: Unsere Sehnsucht nach Gott, nach einem Sinn, der uns trägt. Unsere Hoffnung für uns selbst und für die, die wir lieben. Unser Wille zum Guten. Aber auch unser Versagen. Auch die Bosheit und Gewalt, die oft am Grunde unseres Lebens lauern. Die Feigheit vor dem Freund und unsere Lieblosigkeit. Das was zerbrochen ist. Und unsere Enttäuschung am andern.
Wir sind nicht viel anders als die Jünger von damals und gewiss nicht besser. Mit ihnen sitzen wir heute am Tisch: Als die, die dem Herrn in Liebe und Treue verbunden bleiben werden bis unter das Kreuz wie Johannes und Maria von Magdala. Wahrscheinlicher aber als die, die in der Stunde der Bewährung versagen, wie Petrus. Vielleicht auch als die, die in ihren Zweifeln und mit ihren Fragen nicht aufhören können zu suchen, wie Thomas. Und auch der ist noch da, sitzt mit uns allen am Tisch, der sich in schwerer Schuld selbst verlieren wird, der ihn verrät, Judas, das verlorene Schaf. Das „Heute", in dem wir zur Feier der Eucharistie zusammen kommen, ist immer auch „die Nacht, in der er verraten wurde."
Alles das nimmt er an und teilt es mit uns. Im Brot und im Wein. Und sagt uns in diesen Zeichen seine Treue, seine bleibende Gegenwart für unser Leben und für unsere zerrissene Welt zu:
„Das ist mein Leib für euch! Das bin ich selbst. Der, dessen ganzes Sein und Wesen darin besteht, im Namen Gottes mit euch und für euch zu sein. Die Liebe Gottes, seine absolute Entschiedenheit für den Menschen auch noch in seiner Sünde habe ich gelebt. Und ich halte daran fest und gehe den Weg dieser Liebe nun bis zum Ende, in die Nacht, in das Dunkel der Verweigerung hinein."
Er bricht uns das Brot. Er verwandelt das Zerbrochenwerden, das ihm bevorsteht, weil er sich rückhaltlos eingelassen hat auf uns in unser Leben, mit allem, was dazugehört, auch an Schuld und Versagen, in einen letzten Akt der Hingabe an den Willen des Vaters. Den Willen Gottes, der darin besteht, den Menschen nicht verloren gehen zu lassen.
Wir feiern das Geheimnis des Glaubens, das sich in der Eucharistie verdichtet: Gott ist nah in diesen Zeichen. Mitten in unserem Leben. Für uns. Mitten in unserer Welt.
Es bleibt ein Geheimnis. Seine Gegenwart bricht nicht überwältigend in unser Leben hinein. Wo wir dieses Geheimnis aber immer wieder achtsam begehen, beginnt vielleicht doch, fast unmerklich, sich etwas in uns zu wandeln:
Wir kommen mit unserer Schuld. Und empfangen im Sakrament die Versöhnung, ihn selbst, der sich hingibt „zur Vergebung der Sünden."
Wir kommen in unserer Angst um uns selbst. Und werden hineingezogen in seine Hingabe, die uns Mut macht, das Brot füreinander (und nicht zuerst jeder für sich selbst) zu brechen, einander zu dienen im Einsatz auch unseres Lebens für die Brüder und Schwestern.
Wir kommen mit unserer Sehnsucht nach Gott. Und empfangen ihn selbst, seine Liebe, die sich hingibt für das Leben der Welt. In dem Teil unseres Lebens, den wir ihm bringen, bricht jetzt schon das „Heute Gottes"an, das uns aufbrechen lässt: durch unser Leben hindurch dem Tag entgegen zu gehen, an dem Gott alles in allem sein wird und wir und alle ganz von seiner Liebe getragen und verwandelt sein werden.
Amen