Im Gemeindehaus von St. Stephan fand am 21.09.2017 ein erster Abend in der Reihe „Theologie und Glaube im Gespräch“ statt.
Professor Dr. Claus Arnold, der an der Gutenberg Universität in Mainz Mittlere und Neuere Kirchengeschichte lehrt, hielt in einer gemeinsamen Veranstaltung der Altmünstergemeinde und der Stephansgemeinde einen aufschlussreichen Vortrag über das katholische Lutherbild. Einer Tendenz zur Heroisierung Luthers im evangelischen Denken entsprach auf der Gegenseite eine besonders negative Darstellung mit vielen polemischen Zügen; dazu gehörte der Vorwurf des Häretikers und Kirchenspalters ebenso wie moralische Herabsetzungen (Völlerei, sexuelles Verhalten). Dafür steht insbesondere Johannes Cochläus (1479 – 1552), den viele spätere Autoren einfach tradierten. Im Zuge einer ersten konfessionellen Entspannung während der Aufklärung mit ihrem Vertrauen auf die Vernunft hellte sich das von Luther gezeichnete Bild auf, wurde er als Theologe wahrgenommen und gewürdigt (beispielhaft: Johann Adam Möhler, 1796 - 1838); negativ wurde Luther nunmehr „Subjektivismus“ angekreidet. Im 19. Jahrhundert erlebte man einerseits im Zeichen einer ultramontanen Tendenz und erneuter schroffer konfessioneller Gegensätze die Wiederbelebung entsprechend ungünstiger Deutungen (Ignaz von Döllinger, 1799 – 1890; später fand er zu einer anderen Position), andererseits – und hier kann man die Abhängigkeit der Deutung Luthers vom politischen und gesellschaftlichen Kontext sehen – eine günstigere Bewertung, die das Ziel verfolgt, im protestantischen deutschen Nationalstaat nach 1871 als Katholiken akzeptiert zu werden. Wie wichtig der jeweilige Kontext war, lässt sich auch in der Folgezeit beobachten. Fand Heinrich Denifle (1844 – 1905) für seine 1903 (in Mainz erschienene) Darstellung einerseits scharfe Kritik an seiner Polemik, so befruchtete andererseits seine Quellenkritik auch die künftige Forschung. Wichtige weitere Etappen auf dem Weg zu einer sachlichen und vorurteilsfreieren Deutung waren Sebastian Merkle (1862 – 1945) und Adolf Herte (1887 – 1970), der zeigen konnte, wie stark die Polemik von Cochläus von anderen Autoren einfach übernommen wurde. Im Umfeld des Zweiten Vatikanums – man beachte wieder den stärker ökumenischen Kontext - stehen die Arbeiten von Joseph Lortz (1887 – 1945) und seiner Schüler (u.a. Peter Manns, 1923-1991) sowie des Hamburger Dogmatikers Otto Heinrich Pesch (1931 – 2014), die eine katholische Annäherung an Luther, die Beseitigung der konfessionellen Polemik, die Wahrnehmung der Bedeutung Luthers als Theologe, der Berechtigung seiner kritischen Anfrage und der Überwindung von Lehrverurteilungen zeigen.
An den Vortrag schloss sich eine lebendige Diskussion über die ökumenische Lage und die Aussichten für die Ökumene an.