Nachdem Goethe am 4. September Ingelheim und die Reste der Kaiserpfalz aufgesucht hatte, kam es tags darauf zum zweiten Besuch Bingens und der Rochuskapelle. „Den 5. September fuhren wir im Wagen nach Rüdesheim, sodann im Kahne, bei einem starken, stromaufwärts wehenden Winde, nach Bingen hinüber; die Fähre brachte den Wagen nach. Spaziergang am Ufer. Gips ausladen, viel mit grauem Ton vermischt. Woher derselbe kommen mag? Spaziergang durch die Stadt; im Gasthaus zum Weißen Roß eingekehrt. Melancholische Wirtin, mit seltsamem Bewußtsein ihres Zustandes. Nach guter und wohlfeiler Bewirtung fuhren wir den Rochusberg hinauf, an den verfallenen Stationen vorbei. Die Rochuskapelle fanden wir offen. Der Mann, der die Wiederherstellung besorgt hatte, war gegenwärtig, froh über sein Werk, das auch wirklich für gelungen gelten kann. Man hat die Kirchenmauern erhöht, so viel als nötig, um dem Hauptaltar von Eibingen gehörigen Raum zu verschaffen. Der Transport kostete nichts; denn die von Bingen hatten alles von drüben herab und hüben herauf getragen, die Schiffer gleichfalls ohne Lohn gefahren. Dadurch war das einzelne wohl erhalten geblieben und nur weniges zu reparieren nötig. Man beschäftigte sich eben, die Orgel aufzustellen. Als wir denjenigen, den wir für den Meister hielten, nach der Güte der Orgel fragten, erwiderte er mit Bedeutsamkeit: „Es ist eine weiche Orgel, eine Nonnenorgel!" Man ließ uns einige Register hören; sie waren für den Umfang der Kapelle stark genug."
Quelle: Pater Dr. Josef Krasenbrink, Die Binger St. Rochuskapelle 1895, 1995