Schmuckband Kreuzgang

Die Schlimbachorgel

Regionalkantor Alexander Müller an der neu restaurierten Schlimbachorgel (c) H. J. Gundlach
Regionalkantor Alexander Müller an der neu restaurierten Schlimbachorgel

Alle Rochuskapellen verfügten über eine Orgel.

Die erste Rochuskapelle erhielt 1702 eine Orgelempore und 1748 eine kleine gestiftete Orgel, welche dann 1792 bei der Belagerung durch die Franzosen zerstört wurde.

Die zweite im Jahr 1814 errichtete Rochuskapelle erhielt eine Nollet-Orgel aus der Abteikirche in Eibingen, welche am 5. September 1814 in der Kapelle aufgestellt wurde, bei der Goethe bei seinem zweiten Besuch in Bingen anwesend war; zur Geschichte dieser beiden Orgel siehe Bericht von Christian Binz.

In der dritten Rochuskapelle wurde 1895 auf der Orgelempore die aus der Werkstatt des Herrn Martin Josef Schlimbach in Würzburg stammende Orgel mit 19 Register und Manuale aufgestellt. Sie wurde von dem Binger Kirchengesangsverein gestiftet und steht inzwischen unter Denkmalschutz. Die Herausforderungen waren beachtlich. Nur eine kleine Orgelkammer, und nur über eine schmale Wendeltreppe erreichbar, stand zur Verfügung. Zudem sollte sie außer den Innenraum der Kapelle auch den Außenaltar des Wallfahrtsplatzes beschallen können.

Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden zwei Langläufergebläse sowie ein weiteres Gebläse (vermutlich 1975 durch den Nieder-Olmer Orgelbauer Erich Breitmann) unter dem Dach aufgestellt.

Die Orgel ist nach 124 Jahren in die Jahre gekommen und so zeigte eine Bestandsaufnahme, dass sie einer gründlichen Renovierung bedurfte, um wieder den ehemaligen vollen Klang zu erreichen. Der Holzwurm hat einigen Schaden angerichtet und etwa die Hälfte der Trompeten-Becher der Trompetenpfeifen fehlten.

Die Pfeifenkegel erforderten neu beledert zu werden. Viele Filzteile waren verschlissen. Die Überarbeitung des gesamten Pfeifenwerks sowie aller mechanischen Kegelladen waren dringend erforderlich. Manual- und Pedal-Klaviatur waren durch die jahrzehntelange Bedienung in Mitleidenschaft gezogen worden und mussten neu garniert werden. Mechanische Wellen für Spiel- und Registertrakturen bedurften einer kompletten Neu-Justierung. Das Instrument zeigte Spuren von Holzwurmbefall, und eine Begasung der gesamten Orgelanlage war notwendig geworden.

Eine ordentliche Restaurierung des Magazinbalges, also des Blasebalges, konnte in den 124 Jahren nicht geschehen. Beim Aufbau der Orgel 1895 wurde zuerst der Magazinbalg mit dem Schöpfer installiert und dann der Rest der gesamten Orgelanlage in der Orgelkammer eingebaut. Das bedeutete, dass zur  Restaurierung des Balges die komplette Orgelanlage demontiert werden musste. Eine solch komplexe Orgel erfordert eine kräftige Luftzuvor. Deshalb war eine Restaurierung des Blasebalges unumgänglich, damit der gewünschte Klang wieder hergestellt werden kann. Damit verbunden wurde auch eine Sanierung des Orgelgebläses erforderlich, welches die Luft vom Dachboden zum Blasebalg leitet. Die hohen Temperaturschwankungen auf dem Dachboden hatten sich über das Gebläse auch auf den Blasebalg und die gesamte Orgel ausgewirkt. Um dies in Zukunft zu vermeiden, musste das Gebläse vom Dachboden in die Orgelkammer verlegt werden.

Der Binger St. Rochusbruderschaft war klar, dass sie sich diesem Problem stellen muss. Sie hat daher ab 2017 das dazu Erforderliche in die Wege geleitet: Durch Kontakte mit Orgelsachverständige des Bistums Mainz, Orgelbaufirmen und auch der Presse konnten nicht nur alle Informationen für die Planung dieser Renovierung zusammentragen, sondern auch die Bevölkerung im Algemeinen sensibilisiert werden. Ein Bericht am 23.12. in der AZ hat eine große Spendenbereitschaft ausgelöst. Es mussten mehrere Gutachten angefordert und Fördermittel beantragt werden.  Nachdem die Finanzierung stand, 162.500 Euro Kosten waren es zum Schluss, wovon 70.000 Bund, Land und Kreis beitrugen,  großzügige Spenden und Benefizveranstaltungen weitere Geldmittel einbrachten, konnnte der Auftrag an die Orgelbaufirma Rainer Müller aus Merxheim vergeben werden.

Und so rückte im September 2019 ein Spezialkran an, um die inzwischen komplett zerlegte Orgelbühne mit den 1200 Orgelpfeifen und dem Manual aus der Orgelkammer herauszuholen. Die Orgelpfeifen waren in einem desolaten Zustand, zum Teil verbogen, die Spielmechanik deformiert und der Lederblag nicht mehr dicht. Doch der Orgelbauer war guter Dinge und meinte die Orgel bis zum Rochusfest 2020 zum 125 -jährigen Jubiläumsjahr wieder zum Erklingen bringen zu können; siehe den Bericht dazu.

Schlimbachorgel-Ausbau (c) E. Daudistel
Schlimbachorgel-Lotz-2 (c) Rochusbruderschaft
Schlimbachorgel-Lotz-3 (c) Rochusbruderschaft

Der Orgelbauer hielt Wort. Rechtzeitig zur Rochuswallfahrt 2020 war dann die Schlimbachorgel restauriert und wieder eingebaut worden. Rochusbrudermeister Reiner Lotz und der Binger Pfarrer zeigten sich hocherfreut darüber.  Sie wurde auch mit modernen Einriichtungen versehen zur Überwachung und Korrespondenz mit Innen- und Außenbereich. Jetzt begann noch das Stimmen und Intonieren durch den Orgelbaumeister Rainer Müller. Im Orgelraum ist die Musik durch den elektrisch betriebenen kräftigen Blasebald recht laut, denn die Orgel soll ja den Kirchen-Innenraum und das Außengelände beschallen; siehe dazu auch den Bericht.

 

 

Am 17. August 2020, Rochuswallfahrt-Montag, wurde dann die Schlimbachorgel durch Domkapitular Prof. Franz-Rudolf Weinert  in einem feierlichen  Hochamt  bei strahlendem Wetter und abendlichem Sonnenschein gesegnet. Reginalkantor Alexander Müller spielte hierzu die Orgel. Obwohl die Feinabstimmung, wie auch die Lautsprecheranlage im Außenbereich,  noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird, konnte die Coronabedingt geringe Pilgerschar im Außen- und Innenbereich sich von der neuen Klangfülle überzeugen; siehe hierzu auch den  Bericht  vom 20.08.2020 und die Bildergalerie bezüglich Segnung der Schlimbachorgel .

Und  so konnte die Rochusbruderschaft wieder eine der vielen Baustellen beseitigen.

2020-Schlimbachorgel-Einbau8 (c) Rochusbruderschaft
2020-Rochusfest-Schlimbachorgel-3 (c) Rochusbruderschaft
2020-Schlimbachorgel-Einbau-20 (c) Sörem Heim
Segnung der Schlimbachorgel (c) H. J. Gundlach
2020-Rochusfest-Schlimbachorgel-16 (c) ochusbruderschaft
2020-Rochusfest-Schlimbachorgel-17 (c) Rochusbruderschaft