Schmuckband Kreuzgang

Michaelskapelle als Teil des Turms der dritten Rochuskapelle

Die alte Michaelskapelle

An der Ostseite der St. Rochuskapelle stand bis 1795 eine Kapelle zu Ehren des hl. Erzengels Michael. Sie war unmittelbar an die Rochuskapelle angebaut und dürfte zwischen 1710 und 1730 errichtet worden sein.  Hinter der Rochuskapelle ging man durch eine Tür über Treppen in die St. Michaelskapelle herab. Im Innern hatte ein Freiherr von Wetzel einen Altar errichten lassen. Auf dem Altar stand eine Statue des hl. Erzengel, die später in den Besitz der Familie Puricelli überging.

Im Jahr 1751 wird zum ersten Male in den Jahresabrechnungen berichtet, dass kirchliche Feier des Festes des hl. Erzengels Michael - und von da ab regenmäßig – in der Michaelskapelle abgehalten wurden. 1814 schreibt Adam Sensig: „1814 den 2ten Oktober ist das Erzengel Michaelsfest hochfeierlich seit 20 Jahren zum ersten Male wieder gehalten worden“, d h. bis zur Zerstörung der Rochuskapelle im Jahr 1795 fand dieses Fest statt. Das Michaelfest wurde regelmäßig am Sonntag nach dem Michaelstag (29. September) „auf dem sancti Rochi Berg in der Sanct Michaels Capell Ambt und Predigt gehalten“. Pfarrer Alexander Kaffel (1800-1812) schrieb im alten Pfarrbuch von 1680 auf Seite 144: „Am Fest des h. Michaels wird ein Amt und den Sonntag darauf eine Predigt jetzt in der Pfarrkirche gehalten, weil die Michelskapelle auf dem Rochusberg eingegangen ist“. Dies war das Jahr 1795 als die Rochuskapelle und die Michaelskapelle im Zuge der kriegerischen Auseinandersetzungen durch Beschuss der Österreicher von der Rheingauer Seite aus zerstört wurden. Auch Goethe gibt Hinweise zur Lage der Michaelskapelle: "Alle Wallfahrer und Gemeindeprozessionen standen hier versammelt, nachdem sie vorher ihre Standarten und Fahnen an die Kirche zur linken Hand des Predigers angelehnt hatten (Anmerkung: dieser stand auf der Außenkanzel der Rochuskapelle). Erfreulich aber war nebenan in einem kleinen Höfchen (Anmerkung von Kaplan Bruder: St. Michaelskapelle), das sich gegen die Versammlung zu unvollender sich öffneter, sämmtliche herangetragene Bilder auf Gerüsten erhöht zu sehen. Drei Muttergottesbilder von verschiedner Größe, ... der heilige Rochus schaute seinem eigenen Feste geruhig zu." D. h. die Mauerreste der Michaelskapelle bildeten einen Hof, wo die Bilder auf Gerüsten aufgehängt wurden und weit sichtbar waren.

Diese Mauerresten der Nord- und Ostseite der Michaelskapelle sowie die Tür und Treppe waren noch vorhanden, als die zweite Rochuskapelle durch Blitzschlag 1889 zerstört wurde.

Die neue Michaelskapelle

2020-Michaellskapelle (c) Rochusbruderschaft

Genau an dieser Stelle ließ Architekt Meckel den Turm auf der Ostseite der neuen Rochuskirche als Gegenstück zu Wohnhaus und Sakristei auf der  Westseite errichten und gestaltete im Erdgeschossraum des Turms eine neue Michaelskapelle.

Meckel entwarf den Turm noch aus einem anderen Grund an dieser Stelle. Durch den Turm sollte das gesamte Bauwerk zur Rheinseite hin besonders hervorgehoben werden. Außerdem sollte der Turm in Verbindung mit der hohen Chorapsis ein Gegengewicht zum westlichen Wohnhaus bilden und den kirchlichen Charakter des Bauwerks unterstreichen. Durch die gemeinsame Stilform der verschiedenen Zwecken dienenden Gebäudeteile erzielte Meckel eine beindruckende malerische Wirkung der gesamten Anlage. Der kirchliche Festplatz, ein wesentliches Anliegen des Baukomitees, erhielt durch den vorgeschobenen Turm einen für die Akustik notwendigen nordwestlichen Eckabschluss. In den vergangenen Jahrhunderten hatte die Michaelskapelle bzw. die Ruine der Michaelskapelle an derselben Stelle den Abschluss gebildet und die ausgezeichnete Akustik des Festplatzes bewirkt.

Zwischen Turm und Michaelskapelle sah Meckel einen kleinen Raum als Sakristei vor. Es ist der Raum, der heute Goethekapelle genannt wird, in dem das von Goethe 1817 geschenkte Votivbild hängt und sich das Grab des Erbauers der Kirche, des Domkapitulars Josef Engelhardt, befindet.

2020-Turm-Rochuskapelle (c) Rochusbruderschaft

Der Turm der Rochuskapelle: Im Erdgeschoss ist die Michaelskapelle und um 1. Obergeschoss das Oratorium. Der Turm wird über die außen angebaute  Wendeltreppe bestiegen.

Der an der Basis quadratisch angelegte Turm steigt in dieser Form bis zu der 23 m über dem Bergplateau und 133 m über dem Rheinspiegel liegenden Turmgallerie empor. Über der Turmgallerie erhebt sich der achtseitige mit Fensteröffnungen durchbrochene Tambour zur Aufnahme der Glocken, darüber ist der achtseitige Steinhelm gebaut, dessen Kreuzblume 46 m über dem Bergplateau und 156 m über dem Rheinpegel liegt. Zur Gallerie des Turms gelangt man über eine von außen zugängliche steinerne Wendeltreppe mit 115 Stufen. Als Stilwerk des gesamten Bauwerks wählte Meckel die rheinische Gotik aus den Anfängen des 15. Jahrhunderts.

Am 22. Oktober 1893 wurde dann als Abschluss die Kreuzblume auf den Turm gesetzt.

An der Ostwand des Turms sollte ein kolossales Christophorusbild in Keim‘scher Fixiermethode angebracht werden, was dann aber 1907 beim Bau des Priesterheimes, das heutige Oblatenkloster, dort realisiert wurde.  Und so schmückt noch heute dort an der Ostwand des Hauses ein überlebensgroßes Bild des hl. Christophorus. Der zum Rheingau gerichtete Eckpfeiler des Turms sollte mit einer Muttergottesstatue geschmückt werden, die nach Rüdesheim gerichtete Nordwand des Turms mit einem Mosaikbild des hl. Michael, die Ecke des Wohnhauses mit einer Statue des hl. Josef. Alles blieb nur Plan.

Heute ist an der Apsiswand ein schöner Gedenkstein angebracht zur Erinnerung an das schreckliche Bootsunglück auf dem Rhein im Binger Loch am Osterdienstag des Jahres 1900, bei dem 17 Menschen umkamen.

Für das Turmuntergeschoss sind Fotos von vier Fensterentwürfen der Geigeswerkstatt noch erhalten. Zwei zeigen den  hl. Michael – als Erinnerung an die Michaelskapelle – und je eine für Hiob und Mose.

Realisiert wurden die Fenster der Michaelskapelle im Erdgeschoss des Turms durch den Freiburger Glasmaler Fritz Geiges.

Das Hildegardisfenster im Oratorium des ersten Stocks des  Turms war ein Werk des aus der Schweiz nach Frankfurt übersiedelten Glasmalers Johann Albrecht Lüthi (1858-1909). Dieses wurde im 2. Weltkrieg zerstört. In der Mitte des Maßwerks ist die Halbfigur eines Engels noch erhalten. Er schreibt mit der Feder die Worte „SCI VIAS“ auf die Seiten eines Buches, der Titel von Hildegards Frühwerk. Erhalten blieb auch die untere Scheibe der linken Fensterhälfte: auf türkisfarbenem Wasser schwimmen weiße Seerosen, und kräftige Schilfblätter steigen auf, dahinter die Bordwand eines Nachens.  Ein Ruder hängt in einer Seilschleife vor dem Faltengeschlinge eines weinroten pelzverbrämten Mantels. Dieses Bruchstück weist auf die Legende von Hildegard, die berichtet, wie sie über den Rhein fuhr und bei einer Begegnung ein blindes Kind heilt.

Die Michaelskapelle (Erdgeschoss des Turms) wurde die „Kapelle der Binger Heiligen“. Alle Reliquien der Rochuskapelle fanden in dieser Kapelle ihren Platz.

1992 erfolgte die Einrötelung Quadrierung des Turms, 1993 die Ostseite der Kapelle mit Außenchor, ebenfalls die Nordseite mit dem unteren Teil des Turms und der Kapellenapsis. Die Nordwand des Turms füllt eine farbige Wanddekoration im Rautenmuster; das farbige Rautenbild ist ein neugotisches Dekorelement der Kapellenanlage und nicht ein Bild mit Fernwirkung.

Rochuskapelle-Bauzeichnung-Nordseite-Meckel (c) Rochusbruderschaft

Bauzeichnung Meckel: Nordseite der Rochuskapelle

2020-Oblatenkloster-Christophorus-1 (c) Rochusbruderschaft

Christophorusbild: realisiert an der Ostswand des Oblatenklosters

 

 

 

2020-Bruder Jakobus-Pater Theisen (c) Rochusbruderschaft

Bruder Jakobus und Pater Theisen in der Michaelskapelle, in der Kapelle der Binger Heiligen.

Rochuskapelle-Glockenturm (c) Rochusbruderschaft

Turm der Rochuskapelle mit Gallerie, Tambor und Steinhelm