Schmuckband Kreuzgang
Rochuskapelle2_Brand_1889 (c) Bild: Historische Gesellschaft

Die im Jahr 1889 zerstörte Rochuskapelle

In der Nacht vom 11. auf den 12. Juli 1889 um 1:30 Uhr schlug der Blitz in das Türmchen der Rochuskapelle, welches zu Beginn nur ein glimmendes Feuer verursacht haben dürfte. Denn erst gegen 7 Uhr morgens bemerkten Wingertsleute, die in der Nähe arbeiteten, die Gefahr. Rasch verbreitete sich die Kunde nach Bingen und Kempten. Die Kempter waren mit ihrem Pfarrer als erste an der Brandstätte und versuchten zu retten, was noch zu retten war. Auch die Binger waren bald zur Stelle. Doch alle Versuche das Kirchengebäude zu retten, blieben erfolglos. Und so mussten die Binger, viele mit Tränen in den Augen, hilflos zusehen, wie ihr geliebtes Kirchlein in Trümmer versank und das zu einem Zeitpunkt, wo die umgfangreichen Restaurierungsarbeiten fast abgeschlossen waren: Der ganze Kirchenraum war vom Maler Martin ausgemalt worden, die Fenstewr hatten neue Glasmalereien erhalten, die Altäre aren restauriert worden und die Vergoldungsarbeiten waren noch im Gange, als das für die binger Unfassbare geschah.

Zum Glück konnten wenigstens die ehrwürdigsten und interessantesten Bilder, teure Andenken des Heiligtums, teure Vermächtnisse der Vorzeit, wie die Reliquien und die Rochusstatue, vor dem Untergang bewahrt werden. Vor allem das “Goethebild“ konnte J. B. Hilsdorf, selbst Gründungsmitglied der Binger Feuerwehr, persönlich retten. Doch die Rochuskapelle brannte bis auf das Mauerwerk nieder.

Dieses Ereignis fand weit über Bingen hinaus große Beachtung.

So schreibt die Darmstädter Zeitung am Samstag den 13. Juli 1889: „Bingen, 12. Juli (Großfeuer). Die Rochuchskirche, das Lieblingsplätzchen der Binger und Umwohner, ist heute früh ein Raub der Flammen geworden. Das schreckliche Gewitter, welches in der vergangenen Nacht … Brände verursachte, sandte auch einen Blitzstrahl in den Turm unserer lieblichen Rochuskapelle, die einst Göthe besuchte und beschenkte. Der Brand brach aber nicht während der Nacht, sondern erst um 7:15 Uhr heute früh aus, nachdem mehrere Vergolder schon längere Zeit in der Kapelle gearbeitet hatten, ohne zu ahnen, was über ihnen vorging. Als eben Vorbereitungen des Gottesdienstes getroffen werden sollten, kam der Brand, den man in Rüdesheim schon um 4 Uhr früh bemerkt haben will, zum vollen Ausbruch. Die Herbeielenden retteten von der teilweise historisch merkwürdigen Einrichtung, was schnell losgemacht werden konnte; aber die schönen Altäre und die Kanzel, die Orgel u. a. wurden ein Raub der Flammen. Von der gemütvoll anmutenden Kapelle stehen nur noch die vier kahlen Mauern, die wohl niedergelegt werden müssen, da sie von den Flammen durchglüht wurden. Die Glocken sind vollständig zusammengeschmolzen, nachdem sie ihre Stimmen noch um Hülfe hatten weithin erschallen lassen.

Erhebend war es, wie Angehörige aller Konfessionen retteten, was zu retten war. Hoffentlich trägt die allgemeine Vorliebe zu der schönen Kapelle dazu bei, daß sie bald wieder hergestellt wird. Schade ist es um die prächtigen farbigen Fenster, welche in der letzten Zeit eingesetzt wurden, und die herrlichen Wandmalereien, welche die Lebensgeschichte des h. Rochus darstellten und nahezu vollendet waren.“ (1)

Fünf wertvolle Bilder konnten gerettet werden: Das Goethe-Bild, die Bilder der 14. hl. Nothelferund der schmerzhaften Mutter Gottes, das große Hildegard- und Rupertusbild.

Mit Hilfe der Rochusbruderschaft wurde provisorisch ein Zelt mit Holzdach aufgebaut. Als der Wiener Historiker Eugen Guglia im Jahr 1893 am Rochusfest teilnahm, war die Rochuskapelle schon bis zur Fensterhöhe errichtet. Daneben befand sich eine provisorische hölzerne Kapelle oder vielmehr drei Holzwände, an deren mittleren ein Notaltar stand. Dort waren die geretteten Einrichtungen untergebracht. Hier wurden die in gleicher Ordnung weiter gefeiert bis zur Fertigstellung der neuen Rochuskapelle.

Die Rochusbruderschaft übernahm deren Sicherung und die Binger und interessierte Besucher konnten dort die geretteten Gegenstände besichtigen mit der Bitte um eine Milde Gabe für den Wiederaufbau der neuen Rochuskapelle.

Das unten angefügte Foto vom Binger Fotograf Dahlem zeigt die Binger Rochusbruderschaft mit ihrem Präses Dekan Pfarrer Joseph Engelhadt (obere Reihe Mitte) im Bergungszelt im Jahr 1892. An der Wand hängen die geretteten Bilder. Auch wenn sie schwer zu erkennen sind, so hängt links oben das Bild  "Maria als Schmerzensmutter", links unten das Hildegardisbild und rechts unten das Rupertusbild (2)

1892_Rochusbruderschaft-3 (c) Foto: Stadt Archiv Sammlung

Dieses Ereignis und der Hilferuf der Binger für einen Wiederaufbau in den Medien der damaligen Zeit fanden einen beachtlichen Widerhall. Selbst ehemalige Landsleute in Amerika sammelten reichlich mit vielen Einzelspenden, und so kamen in kurzer Zeit etwa 10.000 Mark für den Bau einer neuen Rochuskapelle zusammen. Die Binger selbst hatten in wenigen Tagen mit einem eigenen Bazar im Mainzer Hof 30.000 Mark gesammelt, wozu noch eine Bewilligung von 100.000 Mark der katholischen Kultusgemeinde hinzukam. Die Binger ließen sich einiges einfallen, um zu Geld zu kommen. Sie ließen die geschmolzenen Glocken in der Münzprägeanstalt von Ludwig Chrisph Lauer in Nürnberg zu Denkmünzen verarbeiten.  Eine Weinlotterie brachte nochmals die ansehnliche Summe von 36.000 Mark zusammen.

So konnte schon bald nach der Brandkatastrophe an den Neubau gedacht werden.

Die eine Medaille aus Bronze zeigt auf der Vorderseite St. Rochus mit Hund mit der Inschrift „Zur Erinnerung an den Brand der St. Rochuskapelle bei Bingen 1889“ und auf der Rückseite die St. Rochuskapelle mit der Inschrift „Erbaut + 1666 + zerstört + 1795 + wiedererbaut + 1814 + durch + den + Blitz + entzündet + am + 12. + Juli + 1889.“ (3)

Auch nach der Fertigstellung der Rochuskapelle galt es den Innenbereich weiter auszubauen und auch der Außenbereich war noch nicht gänzlich fertiggestellt und dafür weiterhin Geld zusammeln.

Eine zweite Medaille aus Silber kam später hinzu. Sie zeigt auf der Vorderseite den St. Rochus mit Hund und Engel mit der Inschrift „Heiliger Rochus bitte für uns.“ und auf der Rückseite die neue Rochuskapelle mit der Inschrift „Rochuskapelle Bingen 1895“ (3)

Eine weitere Münze aus dem Jahr 1895 zeigt auf der vorderseite den hl. Rochus mit einem knienden Engel und der Inschrift "HEIL. ROCHUS BITTE F. UNS" und auf der Rückseite die Ostseite der neuen Rochuskapelle mit einem Teil der Außenanlage und der Inschrift "S. ROCHUS-KAPELLE BEI BINGEN A. Rh." offenbar zum Zweck, um für die Gestaltung der Außenanlage zu sammel.

(1) Zeitungsartikel von Dieter Schaub zur Verfügung gestellt
(2) Foto: Stadtarchiv Bingen, von Herrn Horst-Dieter Kossmann zur Verfügung gestellt
(3) Kopien der Abdrucke von Dieter Schaub und Rochusbruderschaft

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Medaille aus Bronze

Muenze-Rochuskapelle-1889 (c) Foto: Dieter Schaub

 

Medaille aus Silber

Muenze-Rochuskapelle-1889-Wiederaufbau (c) Foto: Dieter Schaub