Schmuckband Kreuzgang
Text-Rochus

Die Rochuswallfahrt seit den Anfängen

Rochuswallfahrt von 1667 bis 1766

Nach der Fertigstellung der Rochuskapelle im Jahr 1667 fanden dann jährlich am Titularfest des Hl. Rochus am 16. August Prozessionen zur Rochuskapelle statt. Die erste beschriebene Rochuswallfahrt stammt aus dem Jahr 1680, d. h. drei Jahre nach der ersten Einweihung der Rochuskapelle. Der Pfarrer und Dekan Paulus Herckenrath schrieb dazu in das Pfarrbuch: „Heute, am Feste des hl. Rochus, wird Morgens um 6 Uhr eine sakramentalische Prozession zur St. Rochuskirche geführt. Daselbst ist feierliches Hochamt und Predigt, nach derselben eine viertelstündige Pause; hierauf wird Te Deum laudamus gesungen; dann zieht die Prozession zurück.“

An diesem Ablauf hat sich 100 Jahre lang wohl nichts geändert, - lediglich die Prozession startet eine Stunde später - wie dem Bruderschaftsbüchlein aus dem Jahre 1767 zu entnehmen ist. Dort heißt es: „An dem Titularfest wird Morgens um 7 Uhr ein solenne (feierliche) Procession aus der allhiesigen Pfarr-Kirch auf den sogenanten Sanct Rochi Berg in dasige diesem Heiligen gewidmete Kirch geführt werden, wo selbsten nach gehaltenem solennen Amt die Predig, darauf aber das Te Deum laudamus wird gehalten, nach gegebenem Seegen aber mit dem Hochwürdigsten Gut (Monstranz mit der konsekrierten Hostie) die Procession nacher Bingen in die Pfarr-Kirch wiederum zurückgeführt werden. Die an diesem Tag zu haltende Bruderschaft wird Sonntags darauf Nachmittag um 4 Uhr in der Pfarr-Kirch gehalten werden.“

D. h. zu Beginn war die Wallfahrt und Prozession eine reine sakramentale Angelegenheit. Man pilgete zum Rochusberg, nahm am feierlichen Hochamt mit Predigt teil und kehrte nachdem das Te Deum gesungen war nach kurzer Pause wieder nach Bingen zurück. Das sollte sich mit Anschaffung einer Rochusstatue im Jahr 1738 ändern. Diese ist jetzt Mittelpunkt der Rochusprozession. Danach wird sie bis zum nächsten Jahr in der Pfarrkirche St. Martin aufbewahrt.

Zur Verschönerung der Prozession wurde im Jahr 1738 eine Rochusstatue aus Holz angeschafft, welche vor dem Allerheiligsten hergetragen wurde. Diese Statue war schon zu Beginn mit Kleidungsstücken aus kostbaren Stoffen verziert worden. Diese wurden 1738 beim jüdischen Warenhändler Jakob Mencke gekauft, wie der von diesem beim Verwalter der Kapelle eingereichten Rechnung zu entnehmen ist.

Bei der Prozession und während des Hochamtes spielte die Musik. Die Gesänge waren meist in lateinischer Sprache und wurden von Männern und Knaben, den Choralisten oder Chorales unter der Leitung des Schulrektors gesungen. Auf dem Berg stießen noch die Kempter Choralisten dazu. Die bürgerlichen Korporale sorgten für die Ordnung. Es war üblicher Brauch, dass ihnen auf dem Rochusberg Wein verabreicht wurde.

Die Anzahl der Wallfahrer lässt sich an Hand der Hostienrechnungen abschätzen; sie lag in den Jahren 1698 bis 1710 bei etwa 600 Teilnehmer und ab 1730 bei etwa 2000.

An diesem Tag waren viele Beichtväter notwendig. Neben den Weltgeistlichen in der Pfarrkirche und den Kapuzinern in der Klosterkirche waren noch etwa 10 Priestern mit Beichthören beschäftigt. So musste im Jahr 1732 der Schreinermeister Michel Roß 8 Beichtstühle auf den Rochusberg liefern. Einheimische und fremde Kapuziner halfen bei der Lesung von Messen sowie bei der Austeilung der heiligen Sakramente und wurden von der Stadt verköstigt. Fiel das Rochusfest auf einen Freitag oder Samstag, so wurde neben Wein, Brot und Butter statt Fleisch Fisch gereicht (Weck, Wurst und Wein ist eine alte Binger Traditon seit 1471).

Auch der Wachsbedarf war am St. Rochustag enorm. So wurden im Jahr 1750 in der Kapelle 55 Pfund Wachs in Form kleiner Kerzen (ca. 1000) geopfert, im Jahr 1784 waren es schon 156 Pfund.

1766 - 100 Jahre Rochuskapelle

Besonders groß war der Andrang der Wallfahrer im Jahr 1766 zum hundertjährigen Jubiläum der Erbauung der St. Rochuskapelle. Die Festlichkeiten dauerten 8 Tage. Etwa 4000 Gläubige empfingen während der Oktav die hl. Sakramente. An Opfergeld gingen 21 Gulden ein und aus dem Verzapf von Wein erhielt der Verwalter der Rochuskapelle sogar 121 Gulden.

Aus Anlass dieses Festes wurde die Rochusstatue über dem Hochaltar von Meister Macher neuangestrichen und vergoldet. Am Portal der Kapelle errichtete der Schreinermeister Adam Weber drei Bögen und der Schlosser Joh. Peter Rau erbaute vor der Kapelle einen Triumpfbogen. Der Glöckner musste 8 Tage und Nächte in der Rochuskapelle verbringen, um die Kirchengeräte zu bewachen.

Bis 1770 feierte man das St. Rochusfest alljährlich am 16. August. Doch dann wurde zur Reduzierung der Feiertage 18 Feiertage durch Verordnung des Erzbischofs Emmerich Joseph vom 23. Dezember 1769 auf den folgenden Sonntag verlegt, so auch das Rochusfest. Trotzdem verblieben noch 16 Feiertage; Osterdienstag und Pfingstdienstag wurden gänzlich abgeschafft. Obgleich diese Verminderung mit Erlaubnis des Papstes geschah, kämpften die Binger mehrere Jahre dagegen an. Im Jahr 1774 billigte der Erzbischof von Mainz die Bittgesuche der Binger. Das Rochusfest konnte wieder am 16. August gefeiert werden.

1785 - Rochuswallfahrt wird zum Rochusfest

Die vielen Rochuswallfahrer mussten auch verpflegt werden. Zu Beginn  gab es nur eine einzige Weinhütte, „die Zapfhütt“ genannt wurde, in der auch nur Wein ausschließlich aus den zu der St. Rochuskapelle gehörenden Weinbergen verzapft werden durfte. Diese wurde alljährlich von 1732 bis 1739 von Christian Hauser aufgeschlagen. So erlöste man in der Zeit von 1730 bis 1750 zu Gunsten der Rochuskapelle 1492 Gulden aus diesem Weinverzapf. Im Jahr 1785 kam der Brauch auf, in der Zapfhütt auch Bratwurst zu verkaufen; Lieferant war damals der Metzger Peter Lunkenbein. So entwickelte sich die Rochuswallfahrt zu einem Rochusfest mit weltlichem Charakter. Neben dem Weinzelt hatten Krämer, Bäcker, Metzger und andere Geschäftsleute ihre Stände in der Nähe der Kapelle mit einem damals sehr geringen Standgeld von nur 1 Gulden für alle Stände

1795 - Zerstörung der Rochuskapelle

Im Jahr 1795 wurde die Rochuskapelle im Zuge des gegenseitigen Beschusses der auf dem Rochusberg neben der Kapelle verschanzten Franzosen und den Österreichern auf der anderen Rheinseite zerstört. Es verblieb nur noch eine Ruine mit den Umfassungsmauern stehen; das Dach und die Turmreste wurden von den Franzosen verbrannt und die Inneneinrichtungen geplündert. Trotzdem feierte man das St. Rochusfest in herkömmlicher Weise bei den Ruinen. Im Jahr 1802 haben die Binger Schiffer zur Abhaltung der Feierlichkeiten Zelte aus Segeltüchern und einen Notaltar errichtet. Danach mussten diese Feierlichkeiten unter französischer Herrschaft eingestellt werden. Es war der Pfarrer Kaffel, der sich weigerte Gottesdienste an der Ruine der Rochuskapelle abzuhalten. Und so wurde das Fest in der Stadt Bingen genau am 16. August alljährlich bis zum Jahr 1813 durchgeführt. Eine Prozession ging um die Pfarrkirche, danach war ein Hochamt mit Predigt.

1813 - Typhusseuche

Nach der Schlacht in Leipzig im Oktober 1813 wurde Bingen von den sich zurückziehenden Franzosen dermaßen mit Truppen belegt, mit teilweie 10 bis 12 Einquartierungen in den einzelnen Häusern, dass die Stadt nicht mehr wusste, wie diese versorgt werden sollten. Zugleich brachten diese den schrecklichen Typhus, das sogenannte Lazarettfieber, mit, das auch die Bevölkerung ansteckte. So starben dann in Bingen in den schlimmsten Monaten von November bis Februar 1814 an die 470 Personen. Und so wandte man sich verstärkt an den Hl. Rochus, um durch dessen Fürbitte Abwendung von der schrecklichen Krankheit zu erflehen. Jede Woche wurden mehrere Prozessionen auf den Rochusberg durchgeführt.

1814 - Neue Rochuskapelle

Als dann im Jahr 1814 die zerstörte Rochuskapelle in nur wenigen Monaten wieder errichtet war, fand im August dieses Jahres wohl die bis dahin größte Rochuswallfahrt statt, an der der Dichter Goethe teilnahm, und diese in seinen Aufzeichnungen ausführlich beschrieb. Das gibt uns Gelegenheit, an dieser Wallfahrt sozusagen persönlich teilzunehmen, in dem wir uns diese Wallfahrt von Goethe erzählen lassen (siehe Rochuswallfahrt 1814-Goethe).

Als im Jahr 1822 von der Großherzogl. Regierung zu Mainz verfügt wurde, dass das Rochusfest nur noch am Sonntag nach Maria Himmelfahrt (15. August) gefeiert werden darf, gab es etliche Eingaben des Binger Bürgermeisters und der Binger Bevölkerung, doch ohne Erfolg. Dabei schilderte Bürgermeister Georg Geromont den Ablauf der Rochuswallfahrt wie folgt und führt dabei an, dass selbst die wenigen Protestanten dieses Fest mitfeiern und sogar die Juden diesen Tag zu einem eigenen Fasten- und Bettage erhoben haben:

Die Festlichkeit des Rochusfesttages besteht darin, dass morgens um 7 Uhr eine Prozession, der immer der größte Teil der hiesigen Einwohner beiderlei Geschlechts beiwohnt, von der Pfarrkirche aus unter Gesang und Gebet auf den Rochusberg geht, woselbst sich ein Menge auswärtiger Bittgänger mit ihnen vereinigt, die oft zu einer Versammlung von 8000 und mehr Menschen anwächst. Die Feier eines musikalischen Hochamtes verbreitet sich dann aus der Kirche über die ganze Oberfläche des Berges hin, indem sich die Gesänge und Gebete der Versammlung außerhalb der Kirche mit jenen in der Kirche vereinigen. Ein Priester hält darauf unter freiem Himmel eine dem Feste angemessene Rede, nach deren Beendigung die Prozession gegen 11 Uhr mittags in der nämlichen Ordnung wieder den Weg nach der Pfarrkirche zurücknimmt.

(Diese, wie auch die folgendenen Beiträge wurden zum großen Teil dem Büchlein "Die Verehrung des heiligen Rochus zu Bingen am Rhein" von Kaplan Dr. Peter Bruder, 1881, und den vielen von Pater Dr. Krasenbrink angefertigten Broschüren entnommen.)

Wallfahrtsbild-der-alten-Rochuskapelle

Rochusstatue aus der alten Rochuskapelle

Gerämbs, Chorales, Katzenköpf

Bei der Prozession von der Pfarrkirche zur Rochuskapelle und während des feierlichen Hochamtes spielte die Musik. Da das Hochamt im Freien gefeiert wurde, besaß die Rochuskapelle schon nach der Wiederherstellung im Jahr 1698 einen Außenaltar. Für die Bläser wurde dort jedesmal ein eigenes Gerüst aufgebaut, welches in den Rechnungen als "Gerämbs" auftaucht.

Der lateinische Gesang während des Amtes wurde von den Binger "Choralisten" oder "Chorales" bestritten, die von den Kemptener "Choralisten" verstärkt wurden.

Die "bürgerlichen Corporals" hatten während der Prozession und bei den Feierlichkeiten für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Und die "Constabler" schossen zur Erhöhung der Feierlichkeiten mit den städtischen "Katzenköpf" feierlichen Salut, wozu reichlich viel Pulver benötigt wurde (an die 112 Pfund), welches man beim Kaufmann Manera besorgte.

Auch der Bedarf an geopferten kleinen Kerzen (Rechaudkerzen, heute Teelichter) war erheblich und lag bei etwa 55 Pfund und erreichte im Jahr 1782 soagar die Menge von 156 Pfund (ca. 2500 Kerzen).