Schmuckband Kreuzgang

Das Innere der 1895 erbauten Rochuskapelle

Nicht alle Planungen konnten realisiert werden

Als die St. Rochuskapelle am 17. August 1895 durch den Mainzer Bischof Haffner feierlich konsekriert wurde, waren nur wenige Teile des ehrgeizigen Programms zur künstlerischen Ausgestaltung fertiggestellt. Am Tag der Weihe 1895 waren von den Nebenaltären nur die Baldachine fertiggestellt. Da die Finanzierung ausschließlich über Spenden erfolgen musste, konnte die weitere Ausstattung nur nach und nach angeschafft werden. Vieles blieb unausgeführt, wie der Hochaltaraufbau und die dekorative Ausmalung des Kircheninneren. Nach den Vorstellungen Meckels sollte die Rochuskapelle sechs Altäre erhalten, welche aber aus finanziellen Gründen nur zum Teil realisiert werden konnten. Auch der Hochaltar, geplant als gotischer Flügelaltar, dessen eine Ansicht die Legende des heiligen Rochus, die andere aber eucharistische Darstellungen zeigen sollte, kam nicht zur Ausführung. Lediglich der Unterbau mit den Figuren der zwölf Apostel und die Mensa wurden nach Meckels Plänen erstellt. Die Schnitzerein der Hochreliefs  unter der Mensa erfolgte 1903 durch die Firma Busch. Von den beiden Seitenaltären, welche wie in der alten Kapelle den Binger Heiligen Rupertus und Hildegard geweiht werden sollten, konnte dank einer Stiftung der Hildegardisaltar nach dem Entwurf Meckels als spätgotischer Baldachinaltar von dem Bildhauer Jakob Busch aus Großsteinheim 1898 realisiert werden. Aus Symmetriegründen wurde zeitgleich der feingliedrige Baldachin des zweiten Nebenaltares ebenfalls von Busch gefertigt, der Altar selbst kam jedoch nicht mehr zur Ausführung. In organischer Verbindung mit den drei Hauptaltären sollte das von Josef Fink nach einem Vorbild in der Kölner St.-Ursula-Kirche gearbeitete Triumphbogenkreuz stehen, das zugleich einen sehr wirkungsvollen Abschluß des Chores und eine Ergänzung des Aufbaues des Hochaltares bilden sollte. Im Gegensatz zur Konzeption der Altarausstattung konnten die Pläne für die künstlerische Gestaltung der Fenster vollständig verwirklicht werden.

Durch die Beteiligung der sogenannten „Kunsträte“ Schnütgen und Reichensperger war der Einfluß Meckels auf die innere Ausgestaltung der Rochuskapelle erheblich eingeschränkt. Meckel entwarf die Kanzel und die drei Hauptaltäre, von welchen lediglich der Hildegardisaltar und die Mensa des Hochaltares zur Ausführung kamen, sowie die Bethlehemskapelle mit dem Heiligen Grab und der Laterne auf dem Vorplatz.

Dagegen zeigt die Auswahl der ungewöhnlich zahlreich beteiligten Künstler und die Anschaffung original mittelalterlicher Altäre und Figuren deutlich die Handschrift Schnütgens. Sogar die Beichtstühle und die Sakristeieinrichtung wurden nicht vom Architekten des Baues, wie damals üblich, sondern von Wilhelm Mengelberg, der auch die Ausstattung für den Kölner Dom geliefert hatte, entworfen. Eine Besonderheit stellt die filigrane Ausführung der Kanzel aus Schmiedeeisen dar, einem Material, das Meckel auch an dem Abschlußgitter, dem Schalldeckel der Außenkanzel und an den Beschlägen der Türen einsetzte.

Die Innengestaltung

Betritt man die Rochuskapelle durch das Hauptportal an der Südseite, so hat man das Gefühl in eine große gotische Kirche mit zwei Seitenschiffen einzutreten, wiederum ein bautechnischer Kunstgriff Meckels. Das Kirchenschiff ist von einem einfach gestalteten Netzgewölbe überdeckt, während die Beichtkapellen in den Seitenschiffen, Chor und die Sängerempore mit reichgegliederten Sterngewölben ausgestattet sind, um so - nach Meckels Worten – den Hauptraum größer erscheinen zu lassen. Doch der Blick ist - wie bei allen Kirchen - auf den Hochaltar im Chor gerichtet. Er ist dem hl. Rochus geweiht. Deshalb steht dort auf einer Mensa (Altar) die alte gerettete Rochusstatue sowie links und rechts einige kleinere Statuen (Bilder Christi und der Apostel) aus dem Kunstnachlass des Geistl. Rathes Dr. Münzenberger in Frankfurt. In enger organischer Verbindung mit dem Hochaltar ist das große Chorkreuz (1898 angebracht) zu sehen. Als Vorbild diente ein berühmtes Werk von St. Ursula in Köln aus dem 15. Jahrhundert. Ausgeführt hat dies der Bildhauer Jos. Fink in Köln, welcher auch die Binger Pfarrkirche mit einem kunstgerechten Chorkreuz versehen hatte.

1900 erhielt der Chor mit der Kommunionbank einen würdigen Abschluß. Im selben Jahr setzte Pfarrer Engelbert, der innige Verehrer Kettelers diesem großen Bischof zum Andenken an seinen 50. Konsekrationstag ein bescheidenes Denkmal, indem er eine alte Grablegungsdarstellung renovieren und auf den Flügeltüren die Bilder Wilhelm Emmanuels und dessen Bruders Richard, gestorben als Kapuzinerpater Bonaventura, anbringen ließ.

Entsprechend dem Wunsch des Stifters der ersten Rochuskapelle Baron Frey von Dehren wird mit einer eingelassenen Bronzeplatte vor dem Hochaltar an diesen gedacht. Im Zuge der Sanierung der Rochuskapelle in den 1990er Jahre wurde diese von Josef Welling aus Koblenz neu geschaffen und vom damaligen Oberbürgermeister Erich Naujack gestiftet.

1901 kamen die schöne Kanzel, eine meisterhafte Schmiedearbeit, der prachtvolle Teppich für den Hochaltar, sowie das Wandaltärchen, den Tod des heiligen Josef darstellend, in die Kirche. Die Choraußenseite erhielt 1901 in dem Denkmal für die am 17. April 1900 im Rhein ertrunkenen Mitglieder der Katholischen Studentenvereine zu Ostern einen hervorragenden Schmuck. Beide Arbeiten wurden von Busch durchgeführt.

Rochuskapelle_Innen_bis1957 (c) Foto: Historische Gesellschaft

Die beiden Seitenaltäre sind wie in der alten Rochuskapelle der hl. Hildegard und dem hl. Rupertus geweiht und erhielten genau ihre frühere Stelle. Es sind spätgotische Baldachinaltärchen, welche einen festen Verschluss und eine wirkungsvolle Exposition der Reliquienschreine ermöglichen. Auf ihren Holzflügeln sind Darstellungen aus dem Leben der Heiligen zu sehen. So präsentierte sich der Innenraum kurz nach der Fertigstellung.

Rochuskapelle-1925-Innern-Berrenberg (c) Foto: Karl Berrenberg

Die Fotografie des Ingenieur-Studenten Karl Berrenberg am Binger Technikum zeigt das Innere der Rochuskapelle zu Weihnachten im Jahr 1925; da hatte sie noch die ursprünliche Ausgestaltung.

1903-Hildegardisaltar (c) Sammlung Schünemann

Hildegardisaltar um 1930, wie er auch heute noch aussieht.

1903-Inneres-Rochuskapelle (c) Sammlung Schünemann

Das Innere um 1930 mit dem Chorbereich und dem großen Mosaikglasfenster, welches bei den Bombenagriffen 1942 teilweise beschädigt wurde.

1903-Rupertus-Altar (c) Sammlung Schünemann

Bis 1956 war der rechte Seitenaltar der Rupertusaltar, in dem das große Gemälde des 1889 geretteten Bildes des hl. Rupertus hing.  Davor stand ohne Altaraufsatz der Rupertusschrein (siehe Reliquien).

1969-Rochuskapelle-Innen-Jung (c) Slg. Heinz Jung

Das Foto zeigt das Innere der Rochuskapelle im Jahr 1969 mit dem neuen Marienaltar in der rechten Seitenkapelle. Bis zum Jahr 1956 stand dort der wegen Geldmittel nur notdürftig ausgestaltete Rupertusaltar. Dieser befindet sich heute in der Kapelle der Binger Heiligen hinter der "Goethekapelle".

1963-Rochuskapelle-Altar-Röhr (c) Karl Röhr

Hochaltar im Jahr 1963

1956-Rochuskapelle-Innern (c) Zell

Hochaltar im Jahr 1889

2022-Rochuskapelle-Innern (c) Rochusbruderschaft - Wofgang Vollrath

Heute, auf dem Foto aus dem Jahr 2022, stellt sich das Innere der Rochuskapelle etwas anders dar. Im Zuge der Renovierung der Rochuskapelle zum 100-jährigen Bestehen bekam der Rochusaltar eine  neue Ausstattung mit der Rochusstatue in einer baldachinförmigen Nische. Vor allem der neue Innenanstrich mit der quaderartigen Strukturierung fällt auf, für den sich Pater Dr. Krasenbrink besonders eingesetzt hatte. Zwei moderne metallene Kronleuchter fallen ebenfalls auf. Im Jahr 1987 / 1988 erhielt der Chorraum einen Ambo, einen Zelebrationsaltar und einen Osterleuchter. Die Rochusstatue wurde im Jahr 2020 restauriert.

2020-Chorkreuz (c) Rochusbruderschaft

2020-Chorkreuz: Vorbild für dieses Kreuz war das berühmte Chorkreuz in der Kirche St. Ursula in Köln aus dem 15. Jahrh. Geschaffen wurde das Kreuz in der Rochuskapelle durch den Bildhauer Josef Fink aus Köln.

2020-Rochuskapelle-Innern (c) Rochusbruderschaft
Hildegardisaltar (c) Rochusbruderschaft
2020- Pestaltar mit Glasfenster (c) Rochusbruderschaft
Pestaltar im linken Seitenschiff (c) Foto: Rochusbruderschaft
Pestaltar im linken Seitenschiff

Wandaltar-Tod des hl. Joseph

2022-Wandaltar-Tod-Joseph-1 (c) Rochusbruderschaft

In Erinnerung an die Hildegardtradition in Bingen war für die neue Rochuskapelle ein aufwendiger Hildegard- und Rupertusaltar vorgesehen. Doch nur der Hildegardaltar wurde vollendet. In Anlehnung an das gerettete großflächige Vita-Bild der Heiligen hatte Max Meckel selbst den Entwurf für den Hildegard-Altar erstellt  und die Steinheimer Schnitzerfamilie Busch hat diesen 1898 ausgeführt. Zentrum des Altars ist eine Halbreliefstatue der hl. Hildegard. Um diese Statue herum sind acht Stationen aus dem Leben der Heiligen szenisch dargestellt (siehe Hildegardisaltar).

Ursprünglich stand rechts neben dem Chor der Rupertusaltar, der aber nie vollendet wurde, der dann im Zuge der Restaurierungsarbeiten in der Rochuskapelle durch den im linken Seitenschiff vorhandenen Marienaltar ersetzt wurde (siehe Marienaltar).

Lediglich die Pieta ( Maria mit dem Heiland im Arm) wurde durch eine Statue mit Maria und dem Jesukind im Arm ersetzt. Die Pieta selbst bekam einen Platz am Ende des linken Seitenschiffs.

Weiterhin wurden verschiedene wertvolle Figuren an den Säulen versetzt und an die Seitenwände der beiden Seitengänge angebracht.

Die alte Rochuskapelle hatte nur drei Altäre. Die neue Rochuskapelle hat deren sechs, zusätzlich den Hauptaltar des Außenchores. Die Vermehrung war ein Bedürfnis zur besseren Ausgestaltung der größeren Rochuskapelle.

Einer davon ist der schon erwähnte Marienaltar.

Ein weiterer neuer Altar ist der „Pestaltar“. Die alte Rochuskapelle besaß ein Bild von den 14 hl. Nothelfern, welches sehr verehrt wurde und ebenfalls gerettet werden konnte. Ihnen wurde ein eigenes Kapellchen mit Altar gewidmet. Das dortige Glasfenster über dem Altar zeigt eine Darstellung der vierzehn Heiligen von Geiges (siehe Mosaik-Glasfenster). Das Retabel des Altars bildet ein Relief aus Holz aus der Mitte des 15. Jahrhunderts, ein mittelalterliches Pestbild (siehe Pestaltar).

Das dritte neue Kapellchen befindet sich im unteren Geschoss des Turmes, versehen mit einem großen Mosaik-Glasfenster des hl. Erzengels Michael. Es befindet sich an der gleichen Stelle, wo im 18. Jahrhundert die Michaelskapelle mit Altar stand (siehe Michaelskapelle).

 

 

 

Über dem Eingang zur Goethekapelle ist der Wandaltar "Der Tod Joseph" angebracht, der im Jahr 2022 restauriert wurde (siehe Josephaltar).

Marienaltar 2012- restauriert 2021 (c) Rochusbruderschaft
Marienaltar 2012- restauriert 2021

Weitere Kunstwerke - Diebstahl

Durch Vermittlung des Domkapitulars kamen noch weitere mittelalterliche Kunsterke in die Rochuskapelle:
Eine sitzende Muttergottes, frühgotisch, Anfang des 14 Jhdts.,
eine hl. Elisabeth, spätgotisch, um 1400,
Anna Selbdritt, spätgotisch, um 1510,
hl. Christophorus, spätgotisch, 1520,
hl. Sebastiian, spätgotisch, um 1480,
zwei ehemalige Altarflügel mit der Darstellung der Verkündigung, spätgotisch, um 1460.

Die drei Figuren der hl. Elisabeth, hl. Christophorus und hl. Sebastian wurden im Mai 1964 aus der Rochuskapelle gestohlen und konnten nach drei Jahren in einem Ingelheimer Gartengrundstück gefunden werden. Da waren sie fast völlig zerstört und mit Wurzeln durchwachsen. Die restaurierten bzw. konservierten Fragmente kamen dann in das Diozösanmuseum in Mainz.

Daraufhin wurden alle mittelalterliche Kleinplastiken (9 an der Zahl) und Bilder aus der Rochuskapelle entfernt. Darunter befindet sich auch eine eindrucksvolle Beweinung Christi aus der Zeit um 1530.

Das dritte neue Kapellchen, die Michaelskapelle, befindet sich im Erdgeschoss des Turms. Es befindet sich an der gleichen Stelle, wo im 18. Jahrhundert die Michaelskapelle mit Altar stand. Es ist heute die "Kapelle der Binger Heiligen". Alle Reliquien der Rochuskapelle fanden in dieser Kapelle ihren Platz.

Zwischen Turm und Josephskapelle (Durchgangsraum zur Außenkapelle) sah Meckel einen kleinen Raum als Sakristei vor. Es ist der Raum, der heute Goethekapelle genannt wird, in dem das von Goethe 1817 geschenkte Votivbild hängt und sich das Grab des Erbauers der Kirche, Domkapitular Josef Engelhardts, befindet.

Betrachten wir jetzt die großen schönen Mosaik-Glasfenster.

Die Glasmalerei mit großen Mosaik-Fenstern hat in der Gotik einen hohen Stellenwert. Deshalb wurde auch auf die Farbenfenster der Rochuskapelle großer Wert gelegt, wofür Künstler ersten Ranges ausgewählt wurden. Die meisten Fenster fanden einzelne großzügige Spender (siehe Mosaikfenster)).

Die Glocken

Eine so große majestätische Wallfahrtskirche, weithin sichtbar auf dem Rochusberg thronend, benötigt auch ein stimmgewaltiges Glockenwerk, um die Pilger herbeirufen zu können. Neben den beiden Meßglöckchen besitzt die Rochuskapelle als Hauptgeläute sechs Glocken (siehe Glocken).

Die Orgel

Auf der Orgelempore steht seit 1895 die aus der Werkstatt des Herrn Martin Josef Schlimbach in Würzburg stammende Orgel mit 19 Register und Manuale. Sie wurde von dem Binger Kirchengesangsverein gestiftet und steht inzwischen unter Denkmalschutz (siehe Die Schlimbachorgel)

Weitere Quellen:
Die St. Rochuskapelle bei Bingen am Rhein, Binger Geschichtsblätter, 22. Folge, Werner Wolf-Holzäpfel, 1998
Hildegardisaltar: Abtei St. Hildegard