Schmuckband Kreuzgang

Die zweite Rochuskapelle, errichtet im Jahr 1814

1880-Rochuskapelle-2 (c) Historische Geselschaft

Nach der Zerstörung der Rochuskapelle im Jahr 1795 lag diese dann bis zum Jahr 1814 in Trümmer und Schott. Lediglich die Außenmauern standen noch. Wohl noch Ende des Jahres 1813 wurde von der Stadt Bingen der Beschluss gefasst, die Rochuskapelle wieder herzustellen.

Nach dem Einrücken der verbündeten Truppen fühlte man sich an die französischen Gesetze nicht mehr gebunden. Man führte wieder Wallfahrten zur Ruine der Rochuskapelle durch und die  verbotene Rochusbruderschaft wurde wieder aktiv. Die Mitglieder der St. Rochusbruderschaft begannen sogleich mit der Sammlung von „milden Gaben“ für den Wiederaufbau der Rochuskapelle. Diese flossen so reichlich, dass schon im Februar 1814 Baumaterial gekauft werden konnte.

Die Kosten für den Neubau beliefen sich auf 8000 Gulden und konnte allein über die reichlich fließenden Spenden finanziert werden. Die neu errichtete Rochuskapelle wurde am 15. August vom Mainzer Domherrn Ludwig Jonas, ein geborener Binger, eingeweiht.

Weiterhin kauften die Binger noch vier alte große Gemälde (Die vierzehn Nothelfer, die schmerzhafte Muttergottes, das Hildegardgemälde und das Rupertusgemälde), die an der Bordkirche (Orgelempore) und zu beiden Seiten des Hochaltars in der Kapelle aufgehängt wurden. Die Orgel ersteigerten sie für 106 Gulden.

Und so wurden am 30. und 31. März 1814 der Hauptaltar, die Kirchenbänke, die Kanzel, die Orgel sowie drei größere Tafel- und Altarbilder über den Rhein nach Bingen gebracht. Kaplan Bruder gibt an, dass auch die Altäre nach Bingen gebracht wurden. Die Gegenstände kamen nach der Abholung mit dem Marktschiff in das Kelterhaus des Herrn Böhm, die Reliquien in das Pfarrhaus.

Am 15. August erfolgte die Einweihung der Rochuskapelle durch den Mainzer Domherrn Ludwig Jonas, ein geborener Binger, und am 16. August feierte man das Rochusfest zum ersten Mal seit 1802 wieder auf dem Berg. Während der morgendlichen Prozession wurden die Reliquien des hl. Rupertus, des Binger Heiligen aus dem 7. Jahrhundert, auf den Berg getragen. Sie befindet sich seit dieser Zeit in der Rochuskapelle. An dieser gewaltigen Rochuswallfahrt, die der Bischof Colmar zur Rochuskapelle führte, nahm Goethe teil (siehe Rochuswallfahrt 1814 – Goethe).

Goethe war von dieser Wallfahrt und der Verehrung des hl. Rochus so beeindruckt, dass er von seinen Weimarer Kunstfreunden ein Rochusbild skizzieren und von der protestantischen Malerin Louise Seidler malen ließ. Unter dem Bild steht „Ex voto“, d. h. in Folge eines Gelübdes. Das fertiggestellte Gemälde wurde im Juli 1816 mit der fahrenden Post an die H. Geistliche Behörde in Bingen abgesandt und kam am 15. August 1816 im Pfarrhof von Bingen an. Doch erst im Juni 1819 wurde es in der Rochuskapelle an der Ostwand neben der Kanzel aufgehängt.

Goethe hat am 5. September den Rochusberg ein zweites Mal mit der befreundeten Familie Brentano von Winkel besucht  ist hierbei im Gasthaus zum Weißen Ross eingekehrt. Goethe vermerkt, dass sie bei der Hochfahrt zum Rochusberg an den verfallenen Stationen vorbeigekommen sind.

Das von Goethe gestiftete Votiv-Bild wurde beim Brand 1889 mit einigen wenigen andern Bildern gerettet und im Rochushotel (heutiges Kloster der Kreuzschwestern) aufbewahrt, bis es im Jahr 1895 wieder in die neu errichtete Rochuskapelle gebracht wurde, wo es in der Grabkammer des für den Bau verantwortlichen Pfarrers Engelhardt hängt; doch Zeit und Weihrauch sind nicht spurlos geblieben.

Das Goethe-Bild

2022-Goethebild-Vollrath (c) W. Vollrath

Die Orgel wurde am 24. August 1814 auf den Rochusberg gefahren und am 25. August von Orgelbauern aufgestellt und wurde am 7. September an Maria-Geburtsfest  zum ersten Male gespielt; am 14. September wurde sie von Meister Rief mahagonieartig angestrichen.

Im Januar und Februar 1815 wurden 15 Nußbäume und 4 Lindenbäume an der Rochuskapelle gepflanzt.

Am 7. März wurde die vom Mainzer Schiffer Schmutz geschenkte Statue des leidenden Heilands neben dem St. Hildegardisaltar aufgestellt.

Am 13. Mai ist das Sebastiansbild, welches von Meister Reitz von Bingen in Mainz gekauft werden konnte, frisch lakiert und vergoldet in die Rochuskirche getragen worden.

Am 4. Juli wurde die große neue Rochusstatue von 6 Trägern der Rochusbrüder auf den Rochusberg und in die Rochuskapelle getragen. Sie wurde auf dem Hochaltar plaziert.

Viele Wohltäter schenkten zur feierlichen Gestaltung des Gottesdienstes zur Verzierung des Gotteshauses, wertvolle Kelche, Messgewänder, Kommuniontücher, Stola etc. und einen schönen Kronleuchter im Schiff  der Kapelle.

Im Jahr 1816 wurde eine in Stein gemeißelte Inschrift „Erbaut 1666. Zerstoert 1795. Erbaut 1814“ über den Eingang der Kapelle angebracht.

Am 16. Mai 1858, dem zweihundertjährigen Gedächtnis des Todes des ehrwürdigen Bartholomäus Holzhauser, feierte der Bischof von Ketteler die Übertragung des Reliquienschatzes der Gebeine des hl. Rupertus und der hl. Bertha in die Rochuskapelle.

Im Jahr 1863 ließ der Binger Pfarrer Wagner, um die Verehrung der hl. Hildegard von Bingen noch weiter zu wecken, sich mit Billigung des Bischofs von Limburg Dr. Peter Joseph Blum, ein großes Gebein (Rippe) aus dem Eibinger Reliquienschatz schenken. Diese Reliquie ließ Pfarrer Wagner in der St. Rochuskapelle auf dem Altar der Heiligen zur öffentlichen Verehrung aussetzen. Im folgenden Jahr 1864 führte er das Feiern des Festes der hl. Hildegard in der Rochuskapelle ein. Zudem erließ er eine Gottesdienstordnung für die Rochuskapelle (siehe Rochusbruderschaft). Im Jahr 1867 wird über dem Eingang in einer Nische eine Statue des hl. Rochus aufgestellt.

 

Das Innere der Rochuskapelle kurz vor dem Brand im Jahr 1889

 

 

Im Jahr 1870 war auf dem Rochusberg ein Feldlazarett errichtet worden zur Versorgung der Verwundeten im Deutsch-Französischen Krieg. Das Foto zeigt die zweite Rochuskapelle genau an der Stelle, an der später auch die dritte Rochuskapelle errichtet wurde. Es ist wahrscheinlich das einzige Foto mit der zweiten Rochuskapelle.

Rochusberg_Lazarett_1870 (c) Historische Gesellschaft und Willi Scholl
Rochuskapelle-Innern-1886 (c) Foto: Historische Gesellschaft

Von dem Innern der zweiten Rochuskapelle gibt es eine hervorragende Fotografie, die wahrscheinlich der Fotograf Dahlem im Jahr 1886 kurz vor dem Brand der Rochuskapelle angefertigt hat.

Kaplan  Dr. Bruder gibt eine ausführliche Beschreibung der Statuen und Bilder im Innern der Rochuskapelle, wahrscheinlich zu der Zeit, als er das Wallfahrsbüchlein schrieb, d. h. um 1875 - 1880. Diese Beschreibung ist fast deckungsgleich mit der obigen Fotografie. Kaplan Bruder schreibt:

Blickt man vom Eingang ins Innere der Rochuskapelle, dann befindet sich an der Ostseite die Kanzel an deren Vorderseite ein in Holz geschnitztes Haut-Relief zur Taufe Christi.

Im Chor stehen drei Altäre. Wegen der Höhe des Hochaltars wurden die Mauern der Kapelle beim Wiederaufbau um "vier Schuh" erhöht. Auf dem Hochaltar oben in einer großen Nische über dem Tabernakel steht die Statue des hl. Rochus, zu deren Rechten die des hl. Johannes des Täufers, zur Linken die des hl. Bernardus. Der Hochaltar war nach Art von Marmor gefasst, die Statuen sämtlich in Weiß und Gold gehalten. Zwischen dem Hochaltar und den Seitenwänden waren Türen eingebaut im Stil des Altars. Durch diese gelangte man auf der linken Seite (Evangeliumseite) zur Sakristei und auf der rechten Seite (Epistelseite) ins Freie zur Außenkanzel. Über der Tür neben der Evangeliumseite stand in lebensgroßer Statue die des hl. Benedictus; über der Tür neben der Epistelseite die der hl. Hildegard. Diese vier Großfiguren hatten die gleiche Anordnung wie im Kloster Eibingen. Zwischen der St. Rochusstatue und den beiden ihr zu Seiten stehenden Statuen hängen zwei mit Siegeln verschlossene Reliquientafeln, worin Gebeine heiliger Martyrer aus der Thebäischen Legion, aus der Gesellschaft der hl. Ursula u. a. aufbewahrt werden. Diese Reliquienbehälter konnten beim Brand 1889 gerettet werden und befinden sich heute in der Michaelskapelle im Erdgerschoss des Turms. An der Evangeliumseite ist die große St. Rochuskerze befestigt, welche die Bruderschaft alljährlich am St. Rochusfest opferte und mit der Prozession auf den Berg trug..

In der oberen Nische der westlichen Chorwand steht die Statue der hl. Walburgis und in der Nische der östlichen Chorwand die Statue des hl. Fidelis aus Sigmaringen aus dem Kapuzinerorden (nur die Nischen sind zu sehen).

Links neben dem Eingang zur Sakristei steht auf einer Wandkonsole die Ecce-Homo-Statue, welche am 17. März 1815 von den Schiffern als Geschenk der Mainzer dort abgeholt wurde. Gegenüber steht die Statue der hl. Mutter Gottes, die in der Eibinger Klosterkirche in der zentralen Nische des Hochaltars stand, wo jetzt die Rochusstatue steht.

Der Altar der hl. Hildegard am Anfang des Chores auf der Westseite hat ein Altarbild, das die Heilige in Lebensgröße darstellt, wie sie eben Briefe von einem Boten empfängt; im Hintergrund des Bildes erscheint St. Hildegard, wie sie durch Gebet und mit Hilfe der Engel böse Geister vertreibt. Im Reliquiarium unter dem Altarbild wird eine Rippe der Heiligen nebst Urkunde aufbewahrt.

Am Anfang des Chores auf der Ostseite steht der Altar des hl. Rupertus; siehe gerettete Gemälde.

Beide Bilder der Nebenaltäre sind 1770 unter der Regierung der Äbtissin Maria Benedikta von Dumont (1768-1780) entstanden.

Zwischen dem Altar und dem großen Gemälde des hl. Rupertus an der östlichen Chorwand steht in einer Mauernische der Reliquienschrein mit den Gebeinen des hl. Rupertus, der hl. Bertha, des hl. Wiperus und anderer Heiligen. Auf dem Altar in einem kleinen Tabernakel, worin bis zum Jahr 1878 das Haupt des hl. Rupertus aufbewahrt wurde, wird seitdem die Reliquie des hl. Rochus aufbewahrt; siehe Reliquien der Rochuskapelle.

Die Bilder der alten Rochuskapelle

An der Ostseite neben der Kanzel befindet sich das von Goethe geschenkte Bild des hl. Rochus.

An der Westseite der Empore hängt das in Öl gemalte Bild der 14 heiligen Nothelfer. Das dortige Wappen ist das der Äbtissin Maria Antonia Mühl von Ulmen, die im Eibinger Kloster um 1712 regierte.

Es folgt die Statue des hl. Sebastian und danach unterhalb der Orgel an der Vorderseite der Emporbühne auf der Ostseite das Ölgemälde der schmerzhaften Mutter Gotttes; siehe Verzeichnis gerettete Gemälde.

Rochuskapelle - Kapelle der drei Heiligen von Bingen

Mit der Inneneinrichtung wurde die Binger Rochuskapelle neben ihrer Funktion als Rochuswallfahrtskirche auch eine Hildegard-Gedächtniskirche.

Denn alles, was seit dem Wiederbeginn von Eibingen 1642 in Erinnerung an Hildegard von Bingen und dem Klosterheiligen St. Rupertus an kirchlicher Kunst in Eibingen geschaffen worden war, fand eine neue Heimat in der Rochuskapelle.

Pfarrer Wagner führte im Jahr 1864 das Feiern des Festes der hl. Hildegard in der Rochuskapelle ein.

Die Rochuskapelle ist aber zugleich die Kapelle der Drei Heiligen von Bingen, Hildegard, Rochus und Rupertus und so ist es Tradition, dass neben dem Hauptaltar des Hl. Rochus die beiden Seitenaltäre der Hl. Hildegard (links) und dem Hl. Rupertus (rechts) gewidmet sind.

Diese heilige Dreiheit ist und bleibt eng mit dem Rochusberg verbunden und präsentierte sich in den folgenden Jahrzehnten auch in baulicher Hinsicht:

Die neue St. Rochuskapelle ab 1895,

das St. Hildegardishaus seit 1920 und

das St. Rupertuskloster (Oblatenkloster) seit 1920.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

An der westlichen Chorwand neben dem Eingang zur Sakristei hängt ein großes, in Öl gemaltes Bild der hl. Hildegard mit 10 gezeichneten Szenen aus ihrem Leben.

An der östlichen Chorwand hängt ebenfalls ein großes in Öl gemaltes Bild des hl. Rupertus.Es zeigt 12 Szenen aus seinem Leben auf.

Diese beiden Bilder konnten zwar gerettet werden, sind aber heute verschollen; siehe gerettete Gemälde.

Neben der Epistelseite ist noch ein aus Holz geschnitzes Bild der schmerzhaften Mutter Gottes angebracht.

Die Katastrophe

Im Jahr 1889 wurde die Rochuskapelle im Innern einer gründlichen Renovierung unterzogen. Die Binger haben dazu 8000 Mark gesammelt, um die Kapelle auszumalen, mit Farbfenstern zu versehen und die Altäre zu vergolden. Die Restauration war nahezu vollendet für eine große Feier zum Rochusfest.

Da geschah das tragische Ereignis. In der Nacht vom 11. auf den 12. Juli 1889 um 1:30 Uhr schlug der Blitz in das Türmchen der Rochuskapelle, in deren Folge die Rochuskapelle bis auf das Mauerwerk niederbrannte (siehe die zerstörte Rochuskapelle 1889).