In Bingen wurde im Jahre 1754 auf Anregung des Pfarrers Dr. Jakob Adams eine St. Rochusbruderschaft gegründet. Wohl von Anfang an scheint die Binger Rochusbruderschaft aus zwei Gruppen bestanden zu haben. Die Mitglieder im engeren Sinn bildeten die sogenannte Männerbruderschaft, zu den Mitgliedern im weiteren Sinn konnten Personen beiderlei Geschlechtes gehören. Präses der Bruderschaft war der jeweilige Pfarrer von Bingen. Der Zweck der Bruderschaft ist im Andachtsbüchlein der Bruderschaft von 1767 beschrieben:
Die erste und Haupt-Absicht dieser Bruderschaft ist die Ehre Gottes.
Die zweite Absicht ist die Verehrung des Heiligen Rochus als ein überaus diensames Mittel zu dem vorigen Haupt-Ziel.
Die dritte Absicht ist es, die Tugenden des Heiligen Rochus als Vorbild zum Nacheifern zu nehmen.
Die vierte Absicht ist der geistliche wie auch leibliche Nutzen, den wir durch die Fürbitte des Heiligen Rochus von dem grundgütigen Gott erwarten.
Einen vollkommenen Ablass verlieh Papst Benedikt XIV. unter den gewöhnlichen Bedingungen den Mitgliedern am Tag der Einschreibung, in der Sterbestunde und am St. Rochusfest; einen Ablass von sieben Jahren und sieben Quadragenen an den vier Bruderschaftsfesten, „wann sie nach gethaner Beicht und empfangender heiligen Communion bemelte St. Rochi Kirch besuchen und daselbsten vor das gemeine Anliegen beten werden."
Einen Ablass von 60 Tagen, sooft sie „denen Bruderschafts-Andachten beywohnen, einen Armen aufnehmen und beherbergen, Feind mit einander versöhnen oder dazu helfen, wir auch als oft sie einen zum Grab begleiden, denen Processionen beywohnen, das Hochwürdigste Gut begleiden, wann sie auch einen Irrenden auf dem Weg des Heils führen, die Unwissende lehren, oder sonst ein Christliches Werk ausüben werden.“
Im Jahr der Gründung, 1754, ließen sich 250 Personen als Mitglieder in die Bruderschaft einschreiben. Von 1755 bis 1784 finden sich im Bruderschaftsbuch über 900 Mitglieder eingeschrieben. Zu den Mitgliedern zählten außer Binger Bürgern auch viele Menschen aus allen Orten der nächsten Umgebung sowie aus fast allen Orten zu beiden Seiten des Rheins, von Mainz bis Koblenz, zu beiden Seiten der Nahe, von Bingen bis Bad Kreuznach und weit in die Pfalz hinein und den Hunsrück hinauf.
Der Initiative der St. Rochusbruderschaft war es zu verdanken, dass die Binger St. Rochuskapelle 1814 wieder aufgebaut und mit dem Inventar der aufgehobenen Klosterkirche in Eibingen eingerichtet werden konnte.
Am 18. Juli 1954 feierte die Binger St. Rochusbruderschaft ihr 200-jähriges Bestehen. Der Chronist des St. Rupertusklosters schreibt über dieses Ereignis:
„Brudermeister Toni Sperling hat alles aufgeboten, um das Fest recht glanzvoll zu gestalten. Das einleitende Triduum in der Kapuzinerkirche und die Festpredigt hielt Kaplan Heinz Eckes, ein gebürtiger Binger. Nach dem feierlichen Pontifikalamt in der Basilika, gehalten vom Hochw. Herrn Generalvikar und päpstlichen Protonotar Kastell (Mainz), fand eine akademische Feier im Mainzer Hof statt."
Die Binger St. Rochusbruderschaft wurde nach dem II. Vatikanischen Konzil (1962-1965) Opfer der Liturgiereform. Viele volkstümliche Frömmigkeitsformen verschwanden. Bemerkenswerte Details der 1666 versprochenen Prozession kamen abhanden. Viele Jahre sprach man nur noch, sich erinnernd, von den Rochus`jern der Prozession. Die Muschel als Pilgerzeichen geriet in Vergessenheit und die Rochusbruderschaft auch.
Erst 1994 gelang die Wiederbelebung der Bruderschaft. 1995, zum hundertjährigen Bestehen der Rochuskapelle von 1895, wurde die Tradition der Rochus`jer (siehe Bild) wieder lebendig durch die Rochus-Realschule, vor allem durch den Einsatz von Frau Entzninger. In den folgenden Jahren wurden die Rochus`jer sehr engagiert von Frau Götze betreut.
Die wiederbelebte St. Rochusbruderschaft hat sich dann unter der Leitung von Brudermeister Helmut Conrad zu einem unentbehrlichen Gremium auch für die praktische Arbeit entwickelt.
Die gelungene Freilegung der Josefskapelle, die Verbindung des Pilgerweges mit der Josefskapelle, die Erhaltung des Kreuzweges sind nur einige Beispiele der ehrenamtlichen Tätigkeit der Rochusbruderschaft.
Gekürzte Fassung aus "Die St. Rochusbruderschaften" Bingen am Rhein, am St. Rochusfest 2003 von Pater Dr. Josef Krasenbrink + 2008
Das linke Bild zeigt die von der Rochusbruderschaft gewählte Rochusdarstellung für ihr Logo. Alle Rochusdarstellungen sind ikonographische Versionen der Rochuslegende, vornehmlich der Vita des Diedo von Brescia und der Acta breviora. Gewählt wurde eine Darstellung mit Rochus als bärtiger kraftvoller Mann mittleren Alters. Er trägt einen Hut im Gegensatz zu den Rochusstatuen in und an der Giebelwand der Rochuskapelle. In der rechten Hand hält Rochus einen langen Pilgestab. Mit der linken Hand zieht Rochus demonstrativer als auf den meisten anderen Darstellungen seinen Rock beseite und deutet auf die Pestbeule. Ein kleinerer Engel zeigt mit der rechten Hand auf die Pestwunde. Die Binger Rochustradtion kennt keinen Rochus ohne den Hund des Gotthardus mit dem Brot im Maul, mit dem dieser Rochus regelmäßig mit Brot versorgte, als Rochus pestkrank im Wald ausharrte.
Die nachfolgenden Texte wurden entnommen:
"Die Verehrung des heiligen Rochus zu Bingen am Rhein" von Kaplan Dr. Peter Bruder, 1881
"Die Einweihung der St. Rochus-Kapelle Bingen am Rhein 17. August 1895", Druck Joh. Falk & Söhne, Mainz
"Wallfahrtsbüchlein für die Wallfahrten auf dem Rochusberg bei Bingen a. Rh.", Mainz 1889
Die Bücher "Die Wege zum Rochusberg" und "Die Binger St. Rochuskapelle von 1895 - Eine hundertjährige Kapelle für eine über 300jährige Wallfahrt" von Dr. Josef Krasenbrink und der Rochusbruderschaft, 1995
Zeitungsartikel und Bilder aus der Sammlung Stadtarchiv Bingen, zusammengestellt von Horst-Dieter Kossmann