Zur Einrichtung der 1795 zerstörten und 1814 wiederaufgebauten Rochuskapelle kaufte die Binger St. Rochusbruderschaft die gesamte Inneneinrichtung der Eibinger Klosterkirche. Der Binger Pfarrer Wagner war ein großer Verehrer der hl. Hildegard und so ließ er im Jahr 1863, um die Verehrung der hl. Hildegard von Bingen noch weiter zu wecken, sich mit Billigung des Bischofs von Limburg Dr. Peter Joseph Blum, ein großes Gebein (Rippe) aus dem Eibinger Reliquienschatz schenken. Diese Reliquie ließ Pfarrer Wagner in der St. Rochuskapelle auf dem Altar der Heiligen zur öffentlichen Verehrung aussetzen. Im folgenden Jahr 1864 führte er das Feiern des Festes der hl. Hildegard in der Rochuskapelle ein, die Rochuskapelle wurde damit auch eine Hildegard-Gedächtniskirche.
Im Jahr 1889 zerstörte ein Blistzschlag mit anschließendem Brand fast alle Spuren Hildegards bis auf einige gerettete Bilder. In Erinnerung an die Hildegard-Tradition ließ der Erbauer der neuen Rochuskapelle Max Meckel einen Entwurd für diesen Hildegard-Seitenaltar erstellen. Dazu diente ihm das gerettete groß-flächige Vita-Bild der Heiligen. Die Steinheimer Schnitzerfamilie Busch setzte diesen Entwurf um. Gestiftet wurde dieser Seitenaltar von der Witwe Margarethe Krug, geb. Merz.
Ausgeführt wurde der Seitenalltar als gotischer Baldachinaltar. Zentrum des Altars ist eine Halbrelief-Statue der hl. Hildegard als Abtissin vom Rupertsberg. Um diese herum befinden sich acht szenisch dargestellte Stationen aus dem Leben der Heiligen, vier im Mittelteil des Altars und je zwei rechts und links auf den inneren Seiten der Altarflügel.
Leider wurden nur die Szenen auf den Seitenflügeln als fein geschnitztes Holzrelief fertig ausgearbeitet. Das gesamte Mittelstück des Altars einschließlich der Predella scheint lediglich eine Vorstufe gewesen zu sein; es wurde in Gips angfertigt und anschließend bemalt. Die Ausarbeitung unterblieb aus Geldmangel. Daher wirken die Figuren im Mittelstück teils grob, es fehlen die feinen Konturen der Figuren auf den Seitenflügeln. Dieser Mangel hat aber die Beliebtheit des Hildegardisaltars nicht beeinträchtigt.
In der Mitte der Predella ist der Reliquienschrein der hl. Hildegard eingefügt. Er enthält eine Rippe der Heiligen und ein Stück ihres Ordensgewandes. Er wird zu beiden Seiten flankiert von je zwei Heiligenbüsten, der hl. Berta, dem hl. Wigbert, dem hl. Bernhard und dem hl. Rupertus (siehe Reliquien).
Die Außenseiten der seitlichen Flügel sind versehen mit zwei Großgemälden des leidenden Heilands, rechts ein Ecce-Homo-Bild, wohl in Erinnerung an die große Ecce-Homo-Statue aus Eibingen in der alten Rochuskapelle, links der vom Kreuz abgenommene tote Christus.
Im Jubiläumsjahr 1929 wurde der Hildegardis-Schrein für die nunmehrige Pfarrkirche nach dem Entwurf von Bruder Radbod Commandeur in Maria Laach und in Köln angefertigt. Das vergoldete Reliquiar ähnelt einem Gebäude, auf dessen Türflügeln die Kardinaltugenden allegorisch dargestellt sind: Gerechtigkeit, Tapferkeit, Klugheit und Mäßigung. Auf Vorder- und Rückseite sind je vier Heilige wiedergegeben.
Die Vita der Heilige beginnt für den Betrachter links im oberen Seitenaltarflügel. Die 8 Stationen in ihrem Leben sind unten aufgezeigt:
Hildegard schaut als Kind ein geheimnisvolles Licht
Hildegard wird von ihren Eltern zu Jutta in die Klause auf dem Disibodenberg gebracht
Hildegard schreibt auf dem Disibodenberg ihr Werk "Scivias - Wisse die Wege"
Erzbischof Heinrich legt 1147 auf der Synode von Trier Papst Eugen III. die Schriften der hl. Hildegard vor
Hildegard von Bingen (1097-1179) war Benediktinerin, Äbtissin, Visonärin und Universalgelehrte ihrer Zeit. In der römisch-katholischen Kirche wird sie als Heilige verehrt. Sie wurde 2012 von Papst Benedikt XVI. in den Stand einer Kirchenlehrerin erhoben und am 2. Februar 2021 von Papst Franziskus mit einem Genktag am 17. September in den weltweit litugischen Kalender der römisch-katholischen Kirche aufgenommen.
Empfang Hildegards durch die Bewohner von Bingen
Kaiser Barbarossa empfängt 1163 (nicht 1155) Hildegard in der Kaiserpfalz in Ingelheim
Hildegard predigt vor Klerus und Volk in Köln
Hildegard stirbt auf dem Rupertsberg im Jahr 1179