Der Marienaltar, auf der rechten Seite beim Betreten der Kapelle sichtbar, zeigte gravierende Schäden durch Holzschädlinge, Rußablagerungen und durch unsachgemäße Überarbeitungen. Viele Farben und Details waren nur noch schwer, oder nicht mehr erkennbar. So entschloss sich die Binger St. Rochusbruderschaft im Jahr 2020 die Restaurierung zu übernehmen. Eine Expertise erbrachte ein Investitionsvolumen von ca. 50.000 €. Unterstützung fand man durch Spenden der Bevölkerung und durch eine Förderung des Diözesanbauamtes im Bischöflichen Ordinariat.
Die Restauratorin Fr. Ellen Gold aus Ingelheim übernahm zusammen mit ihren Kollegen, Hr. Müller und Hr. Recker die umfassenden Arbeiten. Nach der Schädlingsbekämpfung wurde zunächst der Originalbestand gesichert, anschließend aufwendig freigelegt und vorsichtig gereinigt. Danach wurden die Echtvergoldungen und Versilberungen aufgefrischt und die aufwendigen Schmucktechniken, wie Gravur, Punzierung und Lüstertechnik ergänzt und rekonstruiert. Abschließend erfolgte die Ergänzung der Farbfassung an den vielen filigranen Details. Nun erstrahlt die spätgotische Muttergottes und auch die Predella wieder in einem hellen ausdruckstarken Bild.
Restaurierter Marienaltar im Jahr 2021:
In der Mitte des Altars die spätgotische Muttergottes um 1510. Sie stammt aus der Sammlung Münzenberger. Sie wird umgeben von ebenfalls aus Holz gearbeiteten noch älteren Figuren, der hl. Katharina und des hl. Johannes zur linken und der hl. Maria Magdalena und der hl. Barbara zur Rechten. Die Predella stammt von einem anderen Meister um 1540. Es ist eine Darstellung der sieben Schmerzen Mariens.
Mairienaltar mit den eingeklappten Seitenflügeln. Zusätzlich sind nochmals die Außenseiten der Steitenflügeln gezeigt: Links, die Hl. Katharina und rechts die Hl. Barbara.
Die Predella mit 7 Szenen aus dem Leben Marias ist ebenfalls eine Meisterleistung der Holzschnitzerkunst.
Die einzelnen Szenen sind (von links):
Der zwölfjärige Jesus im Tempel, der Kreuweg, die Kreuzigung,
das Zeugnis von Hanna und Simon, die Flucht nach Ägypten, die leidende Maria, die Abnahme vom Kreuz, die Grablegung.
Dort wo heute der Marienaltar steht (rechter Seitenaltar), stand ursprünglich der Rupertusaltar, der aber nie vollendet wurde. Dagegen gab es im linken Seitenschiff neben dem Hildegardisaltar einen Marienaltar mit einer besonderen Geschichte:
Die alte Rochuskapelle besaß ein Ölgemälde von der Schmerzhaften Mutter, um welche die Binger Heiligen gruppiert sind. Es trägt die Jahreszahl 1645 und stammt aus dem Kloster Eibingen; es konnte bei dem Brand gerettet werden. Deshalb wurde in der neuen Kapelle dazu ein eigenes Kapellchen - direkt neben dem Hildegardisaltar - gewidmet, welches mit einem Glasgemälde (Mosaik-Glasfenster) von den sieben Schmerzen Mariä geziert wurde.
Der Altar des Kapellchens konnte vom Wallfahrtsort Broichausen erworben werden, der ebenfalls den sieben Schmerzen Mariä geweiht war. Dieses Altärchen wurde im 18. Jahrhundert durch einen Renaissance-Altar ersetzt. Das Altärchen selbst wurde in einem zur Kirche gehörenden kleinen, stets verschlossenen Anbau untergebracht und war in einem schlechten der Vermoderung ausgesetzten Zustand. Im Jahr 1894 waren mehrere Teile des am Schrein befindlichen Schnitzwerks und eine Darstellung aus dem Leiden Christi bereits nicht mehr vorhanden; die kleineren Figuren des Gesimses und der Türflügel sind ganz morsch und fielen in Stücken auseinander. Den Altar für die Pfarrkirche zu Broichhausen wieder herzustellen war wegen der Armut der kleinen Gemeinde und der Kirche nicht möglich.
Domkapitular Schnütgen und der Bildhauer Mengelberg, die den Altar besichtigten, gehen von einem Kostenaufwand von 3000 Mark für die Restaurierung aus. Deshalb willigte der Kirchenvorstand ein, den Altar zu veräußern, da der Dechant Engelhardt von Bingen ein günstiges Angebot zum Erwerb des Altars für die neuerbaute Rochuskapelle unterbreiten konnte. Der Binger Junfrauenverein wollte die Kosten der Renovierung übernehmen. Dank der Fürsprache des Kölner Domkapitulars Alexander Schnütgen und mit Einwilligung des Erzbischöflichen Vikariats in Köln und der königl. Preußischen Regierung konnte der Transfer in die Rochuskapelle erfolgen. Zuvor wurde er noch in der Werkstatt des Künstlers Wilhelm Mengelberg in Utrecht restauriert und ergänzt. Zu ergänzen waren die Pieta und zwei Reliefs sowie die schadhaften Ornamente. Die Schnitzerei des Altars gehört der spätgotischen Zeit, dem Anfang des 16. Jahrhunderts, an. Die vier aus Holz gearbeiteten polychromierte Heiligenfiguren zeigen Katharina (ganz links) und Johannes zur Linken der Pieta, Maria Magdalena und Barbara zur Rechten derselben, ebenso oben die Madonna mit dem Jesukind, Petrus (links) und einen Bischof (rechts). Auch die Reliefs auf der Predella zeugen von hoher künstlerischen Vollendung. Sie zeigen verschiedene in Holz gestrichene und polychromierte Darstellungen aus dem Leiden Christi. Auf den Außenaltarflügeln werden dargestell, links der heilige Antonius (alt) und rechts der heilige Wendelinus (neu). Der Marienaltar war aber offenbar in einem noch unfertigen Zustand, so dass er 1913 durch die Fa. Busch neugefasst und die beiden genannten Relieffiguren an den Außenseiten der Flügel neu hinzugefügt wurden.
Im Zuge der Restaurationsarbeiten in der Rochuskapelle im Jahr 1956 entschloss man sich, diesen wertvollen Marienaltar repräsentativ an die Stelle des Rupertusaltars zu setzen. Der gesamte Marienaltar mit Predella wurde an die Stelle des Rupertusaltars gesetzt. Lediglich die Pieta ( Maria mit dem Heiland im Arm) wurde durch eine Statue "Maria und dem Jesukind im Arm" ersetzt, eine spätgotische Lindenholzmadonna, die nach Angabe von Pater Krasenbrink bis 1956 an der Säule vor der Kanzel stand. Die Pieta erhielt einen Platz in der ersten linken Seitenkapelle.
Foto 1963: Maria mit Heiland