Auf der Nordseite der Rochuskapelle befindet sich eine Genktafel. Wenige Pilger gelangen zu dieser Stelle und manch einer fragt sich, was verbindet sich mit dieser Gedenktafel. Der Text ist heute nur noch schwer lesbar.
Am Osterdienstag, dem 17. April 1900, veranstaltete der Rheingauer Philisterzirkel wie alljährlich einen Ferienkommers in Bingen. Etwa 150 Philister, Aktive und Freunde nahmen daran teil. Um 21 Uhr — aber bereits in völliger Dunkelheit — gingen 20 Festgäste (16 Herren und 4 Damen) zum Rhein, um sich nach Rüdesheim übersetzen zu lassen.
Ahnungslos bestiegen sie einen von den zwei Brüdern Hauck geführten Nachen. Etwa in der Mitte des Stromes bemerkten sie, daß Wasser ins Boot drang, das dann über den Rand strömte. Das Boot sank, 22 Menschen kämpften um ihr Leben. Benefiziat Niel erteilte, bis an die Brust mit dem unter der Wasseroberfläche weitertreibenden Kahn stehend, den Ertrinkenden die Absolution. Allmählich verstummte das Stöhnen und Schreien um ihn. Erst nach einer dreiviertel Stunde wurden er und der Nachenführer Hauck, halb erfroren von einem Rettungskahn aufgefischt. Außer ihnen hatten sich noch zwei männliche Fahrgäste schwimmend gerettet. 17 Festteilnehmer und den Schiffer Karl Hauck hatte der Strom verschlungen.
Die Verhandlungen vom 29. September 1900 vor der Mainzer Strafkammer gegen den Schiffsführer Hauck ergab, daß Fahrlässigkeit die Katastrophe verursachte. Die beiden Brüder hatten nicht ihren eigenen Nachen benutzt, sondern einen fremden, der nur für 16 Personen zugelassen war. Ferner war nach Aussage eines Sachverständigen der Nachen schon zwei Jahre für Personenbeförderung ungeeignet gewesen. In den Boden konnte man mit dem Finger ein Loch durchstoßen. - Trotz einer kurz • vorher durchgeführten Reparatur hatte er an der Steuerbordseite eine noch nicht abgedichtete, einen halben Meter lange Fuge, die bis zu 4 Zentimeter weit klaffte. Das Aufsetzen eines Segels mag dazu beigetragen haben, dass der Nachen sich mit der schadhaften Seite zu tief ins Wasser neigte und so Wasser fasste.
Es war ein furchtbarer Schlag für den Verband. In vielen Städten Deutschlands wurden Trauergottesdienste und Trauerfeiern abgehalten, Sammlungen für die Hinterbliebenen durchgeführt. Mehrere tausend Mark wurden für die Errichtung eines Denkmals an der Rochuskapelle bereitgestellt.
Am 1. Jahrestag der Katastrophe wurde das Denkmal auf dem Rochusberg enthüllt, eine Pieta mit Votivtafel nach dem Entwurf des Erbauers der Rochuskapelle, Baudirektor Meckel. Hunderte von Kartellangehörigen und teilnehmende Einwohner Bingens nahmen an dem Levitenamt teil, das vom Benefiziat Niel zelebriert wurde.
In jedem Jahr lud der Binger Altherrenzirkel „Mäuseturm" im KV (Katholischer Studentenverband) alle Kartellbrüder — Aktive und Alte Herren — mit ihren Angehörigen zum traditionsreichen Ostertreffen des KV in Bingen am Rhein ein. In einer heiligen Messe in der St. Rochuskapelle und einer anschließenden Gedächtnisfeier am KV-Ehrenmal an der Rochuskapelle auf dem Rochusberg gedachten die Kartellbrüder ihrer verstorbenen Kartellangehörigen, insbesondere der Opfer des Binger Bootsunglücks und der Gefallenen beider Weltkriege.
Anläßlich der Tagung der KV-Verbandsgremien am 18./19. Oktober 1974 in Bingen, beschloß der KV-Rat, das Denkmal renovieren zu lassen, was 1975 geschah (siehe Binger AZ 26.08.1975).
Bingen 10. April 1901 (Velberter Zeitung, Montag 15. April 1901): Gestern fand auf dem Rochusberge unter großer Betheiligung der Bevölkerung von Bingen und Umgegend die feierliche Einweihung des Denkmals statt, das zum Gedächtnisse der bei dem großen Bootsunglück im vorigen Jahre Ertrunkenen errichtet ist. Nach dem Hochamt um 10 1/2 Uhr wurde die Weihe des Denkmals vorgenommen. Von dem Vertreter des Philisterzirkels Wiesbaden wurde an dem Denkmal ein Kranz niedergelegt. Von 20 katholischen Studentenvereinen waren Vertreter mit den Fahnen anwesend. Das Denkmal ist an der Nordseite der Rochuskapelle nach dem Rheine zu angebracht (Schaub, 2023)
Zur frommen Erinnerung an unsere Vereinsbüder,
deren Angehörige und Freunde, welche am Abend des 17. April 1900 bei
der Überfahrt von Bingen nach Rüdesheim im Rhein verunglückten.
Franz Badios stud. theol u Frl Susanna Badios Geisenheim,
Gg Baum stud math Zeilsheim, Dr Ad Bertreich Arzt Wiesbad,
Jos Engel stud phil Geisenheim, Friedr Erb Weingutsbes u
Fr Adelheid Erb Winkel, Fr Agnes Herm Frankfurt am Main u
Alph Heun Kaplan Eltville, Karl Növer stud med Wittelheim,
Wilh Ostern stud theol Geisenh, Jos Peiffer stud phil Presberg,
Joh Peinz Oberprimaner Rüdesheim, Frl Adele Kidder Winkel,
Dr phil Herm Kückert Oberlehrer Laisse, Theod Weber Kont-Östrich,
Karl Werner stud chem Schlangenbad; denen Gott gnädig sei
Gewidmet vom Verband der katrhol Studentenvereine Deutschlands