Predigt München (c) Marcus Schmuck

Predigt Diakon Marcus Schmuck

Predigt München
Datum:
Mi. 26. Jan. 2022
Von:
Jochen Alkemper

"Katholisch ist bene" - Gedanken zum Gutachten München

Liebe Schwestern und Brüder, Sie kennen diesen Aufkleber „Katholisch ist bene (gut)“ und ich habe ihn schon auf vielen meiner Autos gehabt und habe immer noch genug, um mir weitere Autos kaufen zu können. „Hallo Marcus“, schickte mir am Mittwochabend meine Schwester eine SMS, „na ist katholisch immer noch bene?“

Ich muss Ihnen gestehen, das habe ich um diese Zeit gar nicht mehr so wahrgenommen, da ich entgegen meiner sonstigen Angewohnheiten gerade schon 2-3 Wodka in mich rein geschüttet hatte. Ich hatte mittags die Veröffentlichung des Münchner Gutachtens gehört und war geschockt und entsetzt über das, was ich da gehört habe. Seit vielen Jahren bin ich ein großer Verehrer des Papstes Benedikt und habe fast alle seine Bücher gelesen, ja fasziniert gelesen, aufgrund seiner geistigen Schärfe und seines großen Intellekts. Auch wenn ich nicht immer all seine Meinungen und Ansichten geteilt habe, war Vieles nachvollziehbar und ich hatte Respekt vor ihm. Und jetzt? Wie gehe ich nach diesem Gutachten mit einem Papst um, den ich sehr schätze und mit einer Kirche, die ich eigentlich liebe?
Was sind die Fakten? Das Gutachten spricht von mindestens 497 Opfern und 235 mutmaßlichen Tätern. Bei den Opfern handelt es sich um vorwiegend männliche Kinder und Jugendliche, im Zeitraum von 1945 bis 2019. 67 Kleriker haben, so die Ersteller des Gutachtens,

kirchliche Sanktionen verdient, in 43 Fällen ist dies wohl unterblieben. Den Bischöfen Marx, Wetter und auch Ratzinger wird vorgeworfen, dass sie Täter gedeckt haben, sie versetzt haben und mehr im Blick hatten die Institution Kirche zu schützen, als die Opfer.

Ratzinger wird vorgeworfen, dass er vier Priester weiterarbeiten ließ: Pädophile Kleriker, die einschlägig vorbestraft waren und die trotzdem weiter in Kirchengemeinden eingesetzt wurden. Auch sind die Gutachter davon überzeugt, dass der damalige Erzbischof Ratzinger Kenntnis von der Vorgeschichte des Priesters Peter H. hatte, der 1980 aus dem Bistum Essen nach München kam. H. war als Pädophiler verurteilt und begann später im Erzbistum München weitere Missbrauchstaten. Es geht um eine Konferenz des Domkapitels, in der Fall H. besprochen wurde; Ratzinger hat behauptet, er sei nicht anwesend gewesen, doch es gibt erdrückende Beweise u.a. ein Protokoll der Sitzung und protokollierte Äußerungen von ihm, die belegen, dass er dabei war.
Katholisch ist bene, gilt das immer noch?

Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass der Limburger Bischof Bätzing in einer Stellungnahme gesagt hat, er schäme sich für die Kirche und er sehe in dem Missbrauchsskandal und dem Umgang damit ein desaströses Verhalten, auch von der Spitze der Kirche und bezieht sich dabei auf Benedikt XVI. Es geht ihm sicher wie vielen von Ihnen hier; er wird gefragt, warum er überhaupt angesichts all dieser Dinge noch zu „diesem Verein“ gehört und ich denke diese Fragen hören Sie -genauso wie ich- in den letzten Tagen oft.

Also – was tun? Wie damit umgehen?

Ich kann Ihnen keine Lösung anbieten, kann Ihnen nur sagen, wie ich selbst damit umgehen werde. Wir haben gerade in der Lesung gehört, dass die Kirche aus verschiedenen Gliedern besteht, die aufeinander angewiesen sind und die in Kooperation miteinander agieren. Sie wird mit einem Körper verglichen und das kann man getrost festhalten, wenn ein Glied dieses Körpers krank ist, leiden alle mit. Genau in dieser Situation sind wir eben; Sie und ich leiden an den kranken Gliedern der Kirche. Mir hilft es dies zunächst einmal nüchtern festzustellen: ich leide an der Kirche, wegen dieser Vorgänge, die ungeheuerlich sind und so viel Leid über die Betroffenen gebracht haben.

Mir hilft dann aber auch der Blick in unsere Gemeinde. Hier erlebe ich Kirche lebendig, ohne Doppelmoral und fühle mich wohl. Ich erlebe, dass wir offen miteinander umgehen, unsere gegenseitigen Standpunkte aushalten, uns nicht ausgrenzen oder Menschen verurteilen. Ich erlebe meine Kirchengemeinde hier vor Ort als Heimat, die ich nicht verlieren möchte. Ich erlebe unsere Pfarrgruppe als ein Leib mit vielen Gliedern, die gut aufeinander abgestimmt sind, die gut ineinandergreifen. Hier fühle ich mich wohl und zu Hause.

Dazu kommt noch meine ganz persönliche Geschichte mit Kirche. Ich war in Jugendverbänden, habe mich da wohl gefühlt, bin begeisternden und faszinierenden Seelsorgern begegnet, die mich geprägt haben und zu dem gemacht haben, was ich bin, die einen großen Anteil an „dem Marcus“ haben, wie er heute ist und wie Sie ihn erleben. Ich habe die vielen positiven Seiten von Kirche erlebt, die gerade durch die Vorgänge der letzten Zeit verdunkelt wird. Ich habe Männer und Frauen erlebt, die eben niemanden missbraucht haben, denen es wichtig war von ihrem Glauben zu erzählen, denen es wichtig war, junge Menschen zu begleiten, für sie da zu sein und mit ihnen Leben zu gestalten. Ich habe Seelsorger erlebt, die mich vorbehaltlos in den wichtigen Zeiten meines Lebens begleitet haben, die da waren wenn ich Fragen hatte, die niemals verurteilt haben, sondern mich angenommen haben wie ich bin. Auch das ist Kirche, ich möchte sagen, gerade das ist Kirche. Eine Kirche, die auch schillernde Persönlichkeiten hat, wie eine Mutter Theresa, einen Pater Maximilian Kolbe.
Und trotzdem, es bleibt natürlich die Frage, will ich ein Mitglied dieser Kirche bleiben, die so viel Schuld auf sich geladen hat und -was ich fast noch schlimmer finde -, die gerade so schlecht damit umgeht, so dass man den Eindruck hat es ist wichtiger die Institution zu schützen, als den Menschen zu helfen. Aber es gibt ja auch in den Reihen von Bischöfen, viele, die sich bemühen aufzuklären und die wie z.B. auch Bischof Overbeck von Essen, der eine Reaktion von Ratzinger/ Benedikt erwartet und ihn dazu auffordert.

In mir ist noch eine kleine Hoffnung: vielleicht hat Gott Benedikt so viele Lebensjahre geschenkt, dass er jetzt im hohen Alter seiner Kirche noch einmal ein Geschenk machen kann. Wie befreiend wäre es, wenn Papst Benedikt dazu stehen würde, was vor 40 Jahren war, wenn er sagen würde, ich habe da eine falsche Entscheidung getroffen und ich möchte mich dafür entschuldigen, dass ich falsch gehandelt und so viel Leid dadurch möglich wurde; er könnte sogar hinzufügen, dass man vor 40 Jahren noch anders über viele Dinge gedacht hat. Und – dies nur als Fußnote – für den Kardinal aus Finthen gilt, hättest Du geschwiegen, wärst Du Philosoph geblieben.

Katholisch ist bene – ja oder nein, ich weiß noch nicht, ob der Aufkleber am Auto bleibt…...

Allerdings: Sich zu entschuldigen, Verantwortung zu übernehmen, Kardinal Marx aus München hat es zumindest hinbekommen – das macht Hoffnung.

Amen.