Das Haus um eine Orgel
Vor einigen Jahren lud mich Herr Dr. Hanser-Strecker, Musikverleger und ehemaliger Präsident des Musikverlages Schott / Mainz, zu sich nach Hause nach Wiesbaden ein, um dort seine Hausorgel zu besichtigen und diese zu spielen.
Gerne folgte ich dieser herzlichen Einladung. Beim Betreten des imposanten Wohndomizils hatte ich nicht das Gefühl, dass eine Orgel in seinem Haus steht, sondern vielmehr, dass hier ein Haus um eine Orgel gebaut wurde. Diese Orgel, ganz in Weiß gehalten, thronte inmitten des Hauses, welches sich mit drei offenen Etagen über der Orgel nach oben öffnete. Ich war beeindruckt und sprachlos zugleich.
Mit Stolz erklärte mir Hr. Dr. Hanser-Strecker, dass diese Orgel eine Sonderanfertigung der Firma Ahlborn sei, die diese Orgel auf seine eigenen Wünsche hin konzipierten und schließlich bauten. Eine Orgel mit drei Manuale, einem Pedal und über vierzig Register. Einige technische Raffinessen und ein majestätischer Prospekt aus echten Pfeifen gaben dieser Orgel den letzten Schliff.
Ich spielte auf dieser Orgel und wollte kein Ende mehr finden. Von meinem Enthusiasmus und meiner Zuneigung zu diesem Instrument beeindruckt, erzählte mir Herr Dr. Hanser-Strecker, dass bei ihm privat ein Umzug bevorstehe und er die Orgel, auf Grund der Größe, nicht mehr mitnehmen kann. Im Laufe des Gesprächs formte sich eine Idee, die immer mehr zu einem Entschluss führte. Herr Dr. Hanser-Strecker war von meinem Vorschlag begeistert, dass ich diese Orgel mit nach Mainz nehme und dort in dem Altarraum der großen Barockkirche St. Peter / Mainz positioniere. Eine Bestätigung des dortigen Verwaltungsrates besiegelte diese Idee und es dauerte nicht lange, bis dieses Instrument die Rheinseite wechselte und ebenso den „häuslichen“ Rahmen.
Umzug nach Ober-Olm
Nach einigen Jahren eines soliden Verbleibs machten Pläne, den Altarraum in St. Peter neu zu gestalten, den Aufenthaltsort der Orgel streitig. Leider muss die Orgel den Restaurierungsvorhaben der Gemeinde weichen. Meine Überlegungen gingen nun in die Richtung, wie ich die Orgel an einen Platz bringen kann, wo sie weiterhin gut aufgehoben ist und auch von mir gespielt werden kann. Es gab eigentlich nur eine Lösung: Diese Orgel muss nach Ober-Olm. In St. Martin steht zwar eine solide Orgel, aber diese neue Orgel würde die dortige wunderbar ergänzen und berreichern. Ein Gespräch mit dem Ortsbürgermeister Herrn Becker und Pfarrer Leja zeigten Interesse an dieser Idee und so kam es zu konkreten Pläne, die Orgel in St. Peter abzubauen und nach Ober-Olm zu holen. Ein wunderbarer Nischenplatz im Altarraum bot sich als neue Herberge für diese Königin in Weiß an. Dank dem unermüdlichen Einsatzes von Herrn Becker und einem Team freiwilliger Helfer, stand die Orgel schon bald auf einem rollbaren Podest im Altarraum der St. Martin-Kirche in Ober-Olm. Der Platz erweckte fast den Eindruck, als ob dieser Platz für die Orgel damals geschaffen wurde.
Zwei unterschiedliche Orgeln in einer Kirche - Modern trifft alt, Technik trifft Handwerk.
Ein spannendes Unterfangen, welches für die Zukunft musikalisch keine Wünsche mehr offen lässt. Ich freue mich über die Bereitschaft, das Engagement und das Mitwirken viele Hände, dass diese Orgel nun bei uns in Ober-Olm steht. Wir werden dieses Instrument bestimmt auf vielfältige Art und Weise zum Einsatz bringen. Die Organisten werden neu musikalische Wege finden und neue Ideen für musikalische Aufführungen werden zukünftig leichter umzusetzen sein. Ich freue mich, dass wir in St. Martin /Ober-Olm musikalischen Zuwachs bekommen haben.
Einige Stimmen behaupten: „Diese Königin hat nun endlich ihr wahres Zuhause gefunden!“
Mit freundlichen und musikalischen Grüßen
Andreas Leuck