Bischof Peter Kohlgraf (c) Bistum Mainz

Biblische Motivation: Hoffnung

Bischof Peter Kohlgraf
Datum:
Do. 31. Aug. 2023
Von:
Bischof Peter Kohlgraf

Brände erinnern an die Apokalypse. Auch Umweltaktivisten beziehen sich auf
die Endzeit. Apokalyptische Schriften der Bibel, betont Bischof Peter Kohlgraf im
„Wort des Bischofs“ in der aktuellen Ausgabe der Kirchenzeitung, sind jedoch auch von Visionen für die Zukunft geprägt.

In meinen Ferien habe ich ein interessantes Buch gelesen über die sogenannte Apokalyptik der Heiligen Schrift, die sich vor allem im letzten Buch der christlichen Bibel, der „Offenbarung des Johannes“ findet (Johannes Eckert, Apokalypse, Verlag Herder 2022). Apokalyptische Schriften sind geprägt von Schreckensbildern, aber auch von Hoffnung und Visionen für die Zukunft. Texte sprechen von der Zeit des Endes, von schlimmen Erfahrungen, von Kriegen und Katastrophen. Aber sie sprechen auch davon, dass Gott mächtig ist. Und sie sprechen davon, dass es gut ist, an die Auferstehung zu glauben, wach-sam zu sein statt resignativ und sich als glaubender Mensch mit der Welt auseinanderzusetzen, anstatt sie zu verteufeln. 
Die apokalyptischen Texte ermutigen, einer von innen und außen angefochtenen Kirche treu zu sein, weil Christus ihr treu bleibt. Ich konnte viel über unsere Zeit nachdenken, weil es meiner Wahrnehmung nach viele Parallelen gibt, so groß der Graben zu einer Welt vor 2000 Jahren natürlich ist. Menschen einer „letzten Generation“ greifen die endzeitlichen Bilder der Bibel auf. Überschwemmungen, verheerende Brände rufen apokalyptische Bilder auf. Die biblischen Propheten setzten der alltäglichen Bedrohung Hoffnung und das Vertrauen auf Gott entgegen. Greta Thunberg hat vor einigen Jahren ihrem Auditorium zugerufen, sie wolle, dass die Menschen vor den anstehenden Umweltkatastrophen Angst hätten und keine Hoffnung. Die biblische Motivation zur Veränderung ist hingegen eine andere. Glauben, Hoffnung und die Liebe sind die besten Motivationen, sich für Gottes Schöpfung und die Menschen einzusetzen. 
In den Zeitungen der letzten Wochen lese ich davon, dass Menschen immer weniger Vertrauen in die demokratische Politik unseres Landes haben. Es ist gut, wachsam und kritisch zu sein, es kann aber keine Lösung sein, sich innerlich herauszuziehen und extremen politischen Positionen nachzulaufen, die keine konstruktiven Ansätze bieten. Ich höre immer wieder vom Ende der Kirche, auch hier sind apokalyptische Töne zu vernehmen. In der Kriegssituation in der Ukraine reden wir öffentlich nur noch über Waffensysteme; Angstszenarien werden geschürt in Richtung aller Beteiligten, an Friedensvisionen und einer gerechten Weltordnung scheint kein aktives Interesse zu bestehen. Es wird vom Sieg über andere gesprochen, nicht vom Frieden. Wir kommen wieder in eine Situation, in der man ängstliches Starren auf die Stärke des jeweils anderen mit Frieden verwechselt. 
Viele andere apokalyptische Bilder könnte ich nennen, nicht zuletzt auch die Fluchtbewe-gungen, für die sich keine Lösungen finden, außer dass man meint, Grenzen hochziehen zu müssen. Die Bibel ist ein hochaktuelles Buch. Bei der Lektüre des genannten Buches über die Apokalyptik ist mir noch einmal durch den Kopf gegangen, wie wenig wir der Situation unserer Welt gerecht werden, wenn wir uns eine christliche Wohlfühlreligion basteln, die den Ernst der Wirklichkeit ausblendet oder allein um binnenkirchliche Themen kreist. Es geht doch darum, Gott ernst zu nehmen, auch seine Verborgenheit auszuhalten, aber Vi-sionen zu entwickeln, die Menschen motivieren. Das biblische Gottesbild erinnert an die Verantwortung des Menschen für die Welt, die Schöpfung und die Menschheit. Ich lade dazu ein, die kritischen und prophetischen Möglichkeiten der Heiligen Schrift neu zu entdecken. Langweilig wird es dann auch im  Christentum nicht. 

Ihr
+ Peter Kohlgraf

Diesen Artikel und noch viel mehr lesen Sie in der neuesten Ausgabe von Glaube und Leben vom 3.September 2023. Gibt's was Neues bei Ihnen, lassen Sie es uns wissen! Anruf - 06131/28755-0 - oder E-Mail: info@kirchenzeitung.de

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