Lasset die Spiele beginnen

Gelebte Partizipation

Hier darf getobt und sich ausprobiert werde! (c) Kita St. Josef / Dieburg
Hier darf getobt und sich ausprobiert werde!
Datum:
Do. 27. Apr. 2023
Von:
Tamara Rohde-Wichmann

Die Kinder der Kindertagesstätte St. Josef in Dieburg  gestalten die Nutzung ihres Turmraumes neu.

Im Turnraum ist kreatives Chaos erwünscht! (c) Kita St. Josef / Dieburg
Im Turnraum ist kreatives Chaos erwünscht!

So war die Siutation vor den Änderungen, die die Kinder erwirkt haben:

Ist der Turnraum für alle Kinder geöffnet, werden von einer Fachkraft an der großen Infowand im vorderen Teil des Haupthauses, die Turnraumkarten in eine Box eingesteckt.

Wer in den Turnraum möchte nimmt sich eine Karte heraus und legt sie im Turnraum in das dafür vorgesehene Kästchen. Beim Verlassen des Raumes wird die Karte wieder in die Box an der Infowand eingesteckt.

Im Prinzip funktioniert das Modell auch, aber die „Lila“-Gruppe befindet sich im hinteren Neubaubereich der sechsgruppigen KiTa St. Josef. Der Turnraum liegt in entgegengesetzter Richtung, sprich im vorderen Flurbereich des Haupthauses. Daher hatten die Kinder der Lila Gruppe durch den langen Flur weniger Chancen an Karten zu kommen, denn die Kinder im vorderen Bereich brauchten nur gegenüber an die Infowand zu gehen.

Um uns dem Thema der Kinder anzunehmen, schauten wir uns unseren Gruppenraum und das Spiel der Kinder etwas genauer an.

Der Gruppenraum ist

mit Möbeln die sowohl an der Wand entlang als auch in die Raummitte gestellt sind ausgestattet. Auf dem Boden befinden sich drei unterschiedliche Teppiche.

In den Regalen sind Gesellschaftsspiele, Bastelutensilien, so wie Konstruktionsmaterialien vorhanden. Diese sind in unterschiedlichen Kästen und Körben, teils hinter Türen, teils sichtbar und erkennbar präsentiert, sowie für die Kinder frei zugänglich.

Das Spiel der Kinder,

im Alter von 2 bis 6 Jahren, ist geprägt von Toben, Rennen, Springen, Klettern, Hüpfen als auch von Rollenspielen in Form von Nachahmung der Tierwelt, Feuerwehr, Polizei, Paw Patrol usw. und bringt neben fantasievollen Spielen eine enorme Geräuschkulisse mit sich.

Die Folgen

Durch die mit Möbeln abgegrenzten Spielbereiche und dem aktiven, oft schnellen Spiel und wechselnden Spielabfolgen, als auch dem hohen Bewegungsdrang der Kinder entstehen des öfteren Konflikte und kleine Unfälle durch Ausrutschen, Hinfallen oder Anstoßen an Schrankecken und Tischkanten.

Durch die auf dem Boden liegenden, teils auf den gesamten Gruppenraum verteilten Spielsachen, waren viele Dinge schlicht und ergreifend kaputt, beschädigt oder Regelspiele unvollständig.

Durch eine Situationsanalyse und einem Zielfindungsprozess setzten wir uns mit dem Thema pädagogisch auseinander.

Was ist bei der Raumgestaltung zu beachten?

  • Der Gruppenraum soll alle Kinder zum Spielen anregen, sodass sie Eigeninitiative, Aktivität, Wahrnehmung, Körpererfahrung erleben können.
  • Die Kinder sollen die Möglichkeiten haben:

zwischen Bewegung und Ruhe, Spielpartner und Materialien, Spielort und Zeit,

 An- und Entspannung selbständig zu wählen.

  • Pädagogische Fachkräfte sollen unterstützend wirken. Ideen der Kinder aufgreifen und gemeinsam mit den Kindern weiterentwickeln.

Was geschieht beim Spielen der Kinder?

  • Kinder erschließen sich ihre Lebenswelt durch Spielen, indem sie Erlebnisse/Geschehnisse zum Ausdruck bringen um Eindrücke unbewusst zu verarbeiten.
  • Im Spiel erfährt das Kind wie Dinge funktionieren, sie setzen sich damit auseinander und entwickeln ein Verständnis für sich und ihre Umwelt.
  • Kinder brauchen andere Kinder um geistig, sprachlich, körperlich, sozial und emotional wachsen zu können.
  • Kinder brauchen anregende Materialien und den Respekt für die individuelle Sinngebung.
  • Das bewegte, aktive Spielen sorgt für die Ausschüttung von Dopamin, was sich auf das Gehirn auswirkt und hilft den Nervenzellen das Gelernte besser zu verstehen.

Jetzt wird geredet

Wir setzen uns mit den Kindern zusammen und tauschen uns aus, was wir an unserem Gruppenraum gut und was wir als weniger gut empfinden.

Das Ergebnis: Die Kinder wünschen sich das Spielen im Turnraum und beschweren sich darüber nie Karten für den Turnraum zu bekommen.

Plötzlich rufen alle im Chor: „DER TURNRAUM SOLL ZU UNS KOMMEN!“

Und dann ging es los:

Wir packen es an

Die kommenden Tage waren spannend, denn wir gaben das Thema direkt an die Kinder weiter, indem wir sie fragten: „Wie soll das gehen mit dem Turnraum?“

Als nun alle Möbel im Flur standen und die Kinder sich am Platzangebot mit Hüpfen, Springen, Fangspielen für einige Zeit erfreuten, beobachteten wir, dass einige jüngere und stillere Kinder sich eher in unsere Nähe aufhielten.

Nach und nach kamen Fragen wie: „Können wir Decken haben?“, „Wir brauchen eine Turnmatte“, „Ich will was bauen“ oder „Wir brauchen Turnsachen“.

Daraufhin ging eine Gruppe von vier Kindern mit einer pädagogischen Fachkraft in den Turnraum. Hier packten die Kinder die gewünschten Turnmaterialien auf den Wagen und transportierten diese in den Gruppenraum.

Lasst die Spiele beginnen

Jüngere und stillere Kinder ziehen sich nach wie vor zurück, suchen die Nähe einer pädagogischen Fachkraft und beobachten das Spielgeschehen.

Es gab Spielvarianten, wie vom Regal springen, die sich einfach als zu gefährlich erweisen. Die Kinder stellten Regeln auf und gestalten ein Plakat:“ Augen auf beim Springen und Toben!“, denn es soll kein Kind verletzt und keine Spielsachen kaputt gehen. Des Weiteren wollten die Schulanfänger einen Schrank mit Türen, an dem sie ein Stoppschild anbringen können. Die Idee dabei: „Das ist ein Spielschrank für uns Große und wenn wir uns ein Spiel holen sagen wir einem Erwachsenen Bescheid. Die Kleinen haben STOP.“ Auch einige Möbel bekommen einen neuen Platz in der Gruppe. Die Kinder arbeiteten engagiert, sie hatten eine genaue Vorstellung von ihrem Gruppenraum und von den benötigten Materialien. Dadurch sortierten sie sehr bewusst aus und entschieden gemeinsam was bleibt und wo es stehen soll. Die pädagogischen Fachkräfte begleiteten und unterstützten die Kinder bei ihren Planungen. Je nach Bedarf wurden auch Abstimmungen mit den Kindern vorgenommen.

Reflexion unsere Vorgehensweise

  • Indem die Kinder über Gegenstände, das Spielmaterial mitbestimmt hatten, können sie ihren sich veränderten Bedürfnissen und Interessen nun individueller nachgehen.
  • Ältere Kinder haben sich Rückzugmöglichkeiten geschaffen, um kreative Bauwerke

und Spiele kreieren zu können.

  • Jüngere Kinder haben durch immerwährenden Blickkontakt mehr Sicherheit und können sich neugierig spannenden Dingen zuwenden.
  • Konflikte wurden weniger und die pädagogischen Fachkräfte können nun mehr begleiten und beobachten. Das Spiel ist ein Spiel der Kinder.
  • Durch Beobachtung können Schlüsselsituationen wahrgenommen und gemeinsam mit den Kindern weiterentwickelt werden.

Ein Fazit

Sind Situationsansatz und Partizipation sowie auch Engagement und Spaß in den Kita-Alltag integriert, können pädagogische Fachkräfte gemeinsam mit den Kindern lösungsorientierte Prozesse entwickeln.

 

Kontakt bei Rückfragen:

Frau Juliane Brechtel 

06071 2796

kita-st.josef@st-peter-paul.de