2. Sonntag im Jahreskreis - Pfr. Stefan Schäfer
Liebe Schwestern und Brüder,
dem Anfang wohnt, so heißt es, ein Zauber inne:
dem ersten Wort des kleinen Kindes, dem ersten Schnee, der ersten Liebe und dem ersten Kuss.
Zuvor war das alles nicht in der Welt. Nun ist es da. Auf einmal und zum ersten Mal. Und auch wenn wir im Älterwerden aufhören, Anfänger zu sein und uns vieles schon bekannt vorkommt und nicht mehr überraschen kann: Es hört doch niemals auf, solange wir leben. Denn das Leben selbst ist in jedem Augenblick neu.
„Semper incipe" heißt es deshalb in einer alten mystischen Schrift, „fang immer wieder an".
Im Zauber, der dem Anfang innewohnt, erfahren wir etwas vom Geheimnis der Welt und unseres Lebens, das doch ein ständiger Aufbruch ist auf unserem Weg zu werden, was wir sind, auf dem Weg unseres Menschseins.
Auch die Liturgie scheint am Beginn eines neuen Jahres nicht aufhören zu wollen, den Anfang zu feiern:
Noch einmal wird heute die Erinnerung an die Taufe Jesu im Jordan heraufbeschworen, mit der sein Weg unter den Menschen begann. Wie schon am vergangenen Sonntag erscheinen noch einmal die Urmächte, die am Beginn der alttestamentlichen Schriften den Anfang der Schöpfung bestimmen:
Das Wasser, der Geist, der über den Wassern schwebt. Und auch das Wort in Gestalt der Stimme vom Himmel hallt noch nach in unser heutiges Evangelium hinein.
Es ist das Wort, von dem es im Prolog des Johannesevangeliums heißt, dass es „im Anfang war" und dass durch dieses Wort alles geworden ist.
Das schöpferische Wort der Liebe Gottes, das am Anfang von allem steht und das deshalb, wie verborgen für uns auch immer, allem bleibend eingeschrieben ist, als Versprechen und als Chance, im Vertrauen auf dieses Wort neu zu beginnen – hier verdichtet es sich und spricht sich noch einmal aus wie am Morgen der Schöpfung, einmal und ein für allemal in dem, von dem der Täufer bezeugt:
Er ist das menschgewordenen Wort, „er ist der Sohn Gottes".
In ihm ist uns der Anfang geschenkt und erschlossen. Nicht irgendein Anfang, sondern das Geheimnis jenes Beginnens vor und in allem Beginnen, das wir Gott nennen. Geschenkt und erschlossen als Liebe, in der alles erschaffen und ins Dasein gerufen ist, als Güte, die von Schöpfungsanfang an tief in diese Welt eingeschrieben ist und von der wir immer wieder ausgehen können und anfangen dürfen – mit uns selbst, mit den andern, mit unseren Aufgaben in der Welt.
In den ersten Wochen eines neuen Jahres wird die Liturgie nicht müde, uns vom Wunder zu sprechen, das diesem Anfang innewohnt.
Am kommenden Sonntag wird uns dann erzählt werden, wie dieser Anfang die Fischer am See von Galiläa mitnimmt, das Alte und Bekannt hinter sich zu lassen und Neuem entgegen aufzubrechen. Er wird ihnen den Weg zum Wagnis öffnen, auf dem der das Glück und das Leben findet, der sich hingibt und liebt bis in den Tod.
Auch uns, die wir manchmal stumpf sind und ohne Erwartung uns einrichten möchten im Gewohnten und in unserer Resignation, gilt dieser Ruf, dem Anfang, der uns in Christus geschenkt ist, zu vertrauen:
„Fange nie an aufzuhören.
Höre nie auf, anzufangen."
Sei ein Mensch, der auf Sein Wort hin, jeden Tag in diesem neuen Jahr einen Anfang macht.
Amen