2. Sonntag im Jahreskreis - Pfr. Stefan Schäfer

Datum:
So. 20. Jan. 2013
Von:
Pfr. Stefan Schäfer

Liebe Schwestern und Brüder,

von jeher haben Menschen die Hochzeit im Hochgefühl der Freude gefeiert: Im Ja, das Braut und Bräutigam zueinander sagen, berühren wir, wohin unsere Sehnsucht unterwegs ist: das Glück, die Erfüllung unseres Lebens, einen tragenden Sinn.
Hier scheinen wir dem Ziel unseres Menschseins nahe.
Denn darum geht es uns doch zutiefst: geliebt zu werden und zu lieben.
Im „Ja, ich nehme dich an", das ein geliebtes Du uns zuspricht, uns selbst und unser Leben annehmen zu können. Und im „Ja", das wir zu einem andern sagen, ihn selbst und die ganze Welt zu umarmen.
In den Zeiten, in Stunden und Augenblicken, in denen uns das geschenkt wird, erscheint das Leben als Fest.

Freilich- das wissen wir auch: Dass unsere Sehnsucht ihr Ziel nie ganz erreicht. Wie viele leiden an der Enttäuschung durch den anderen und durch sich selbst. Und wenn es Lebensstunden, „Hoch-zeiten", gibt, in denen wir uns ganz getragen fühlen dürfen vom „Ja" der Liebe, dann bricht gerade da umso schmerzlicher die Sehnsucht auf, dass es bleibe, dass es nicht vergehe. Schmerzlich, weil wir ja schon wissen, dass es ein solches Bleiben für uns nicht geben kann.

Unser Leben ist kein Fest. Es ist eher eine Pilgerreise durch gute und schlechte Tage, durch Feste und viel Alltag, durch „Hoch-zeiten" und durch manches tiefe Tal.

Diese Erfahrung scheint das heutige Evangelium anzusprechen:
Das Fest jenes Brautpaares in Kana in Galiläa löst nicht ein, was es verheißen hatte. Der Wein, das Symbol für die Fülle des Lebens, für die Freude, die es beflügelt, geht aus.
„Sie haben keinen Wein mehr!" Wie kann man da noch feiern, wenn der Wein ausgegangen ist?

Und irgendwann, so verstehe ich diese Erzählung, droht er uns eben immer auszugehen.
„Sie haben keinen Wein mehr!": Wenn die Lebendigkeit der Liebe in Gewohnheiten und Zwängen erstickt zu werden droht.
„Sie haben keinen Wein mehr!": Wenn die Begeisterung, mit der wir uns einst ins Leben und in unsere Aufgaben gestürzt haben, in den vielfältigen großen und kleinen Enttäuschungen des Alltags scheitert. Irgendwann kann jedem die peinliche Erkenntnis kommen, auf dem Trockenen zu sitzen, die Leichtigkeit und Freude an dem was man ist und tut verloren zu haben, ausgebrannt und leer zu sein.
Haben wir noch Erwartungen, die sich weiterspannen als bis zum nächsten Urlaub oder zur nächsten Gehaltserhöhung?
Und unser Glaube - lässt er uns freier durchs Leben gehen, wird er in uns zur Quelle der Freude? Oder ist er auch manchmal nur noch Gewohnheit und Pflicht?
„Sie haben keinen Wein mehr!": Das könnte doch manchmal durchaus auch im Blick auf uns und unser Leben gesagt sein!

Da verwandelt Jesus das Wasser auf jener Hochzeit zu Kana in Galiläa in Wein. Der Evangelist versteht dieses erste Wunder, das Jesus wirkt, als ein Zeichen: Es verweist auf das, was Gottes Liebe, die in Jesus erschienen ist, für uns tut.
Gott will nicht, dass unser Leben scheitert. Nicht, dass wir resigniert unsere Sehnsucht vergraben. Nicht, dass wir vertrocknen in Erstarrung und Langeweile.
„Die Ehre Gottes", so sagt es ein Theologe der frühen Kirche, „ist der lebendige Mensch".

Gerade dann wenn wir nicht weiterwissen, uns die Lebenskraft und -freude zu verlassen drohen, tritt er an unsere Seite.
So wird uns das heute erzählt: als das Fest zu scheitern droht, weil die Vorräte, die Möglichkeiten und Kräfte, die wir selbst bereitstellen, erschöpft sind, tritt Jesus aus der Verborgenheit:
Ich bin da! Ich bin treu!
In ihm hat Gott sein unverbrüchliches Ja zu uns gesprochen.

Wo dieses Evangelium uns im Glauben wirklich erreicht, da kann es in uns zum „guten" Wein werden, der keinen Rausch erzeugt und nicht zu einem bösen Erwachen führt, sondern der eine tiefere Freude aufbrechen lässt, auch noch in Trockenheit und schweren Zeiten:
Eine Freude, die bleibt, weil sie in Gottes mitgehender Liebe ihren verlässlichen Grund findet.

Der Benediktinerpater und geistliche Schriftsteller Anselm Grün hat eine vielleicht etwas gewagte Deutung des heutigen Evangeliums versucht, die aber in die Tiefe des Geheimnisses weist, das uns da heute verkündigt wird:
Von sechs steinernen Wasserkrügen weiß der Evangelist zu berichten. Die Zahl „6" aber sei, so Anselm Grün, nicht zufällig die Zahl der Unvollkommenheit, die Zahl der Arbeit und der Mühsal, des Alltags und der Freudlosigkeit.
Sie verweist auf die „7", die Zahl der Vollendung, auf einen siebten Krug. Das sei der Krug der Stunde des Herrn, von der Jesus zu Maria sagt, sie sei noch nicht gekommen.
Es ist die Stunde seiner Erhöhung am Kreuz, die Stunde, in der endgültig deutlich wird, bis in welche äußerste Trockenheit Gottes Liebe uns nachgeht.
Der siebte Krug ist der Krug des Herzens Jesu, das sich am Kreuz auftut, um die Liebe Gottes auf alle Menschen auszugießen.

Auch auf uns, wenn wir in den Fürbitten und in der Gabenbereitung jetzt gleichsam unsere Krüge zu ihm hintragen: unsere Welt und unseren Alltag, die Freuden und Sorgen, die Sehnsucht nach Glück und unser Versagen, unsere Armut und Leere. In alledem will Gott uns begegnen.
Unter dieser Verheißung könnten auch in uns Kräfte der Verwandlung aufbrechen, neues Vertrauen und eine Freude, die bleibt.

Amen