Christkönig - Pfr. Schäfer

Datum:
So. 23. Nov. 2014
Von:
Pfr. Stefan Schäfer

Christkönig - Pfr. Schäfer


Liebe Schwestern und Brüder,

„in Ropschitz, Rabbi Naftalis Stadt", so erzählt es eine Geschichte aus der Weisheit des Judentums, „pflegten die Wohlhabenden, deren Häuser einsam oder am Ende des Ortes lagen, Leute zu dingen, die nachts über ihren Besitz wachen sollten. Als Rabbi Naftali sich eines Abends spät am Rande des Waldes erging, der die Stadt säumte, begegnete er einem solchen auf- und abgehenden Wächter. „Für wen gehst du?", fragte er ihn. Der gab Bescheid, füge aber die Gegenfrage an: „Und für wen geht ihr, Rabbi?" Das Wort traf den Rabbi wie ein Pfeil. „Noch gehe ich für niemand", brachte er mühsam hervor. Dann schritt er lange schweigend neben dem Mann auf und ab. „Willst du mein Diener werden?" fragte er endlich. „Das will ich gern", antwortete der, „aber was habe ich zu tun?" „Mich zu erinnern", sage Rabbi Naftali.

„Für wen gehst du? Welchem Herrn dienst du?"
Mir scheint, das ist genau die Frage, die uns heute gestellt wird.
„Uns zu erinnern", dazu feiern wir Christkönig.

Es möchte ja keiner sein Leben einfach so dahinleben. Wir suchen nach einer Aufgabe, einem Sinn, dem wir uns verschreiben können. Wir wollen dabei nicht von außen, von andern bestimmt werden. Fremdbestimmt, entfremdet leben. Und erfahren doch immer wieder, wie schwer uns das fällt. Tage-, wochen -, manchmal jahrelang kann es sein, dass wir meinen, wie unter der Fron einer fremden Herrschaft zu stehen und uns selbst fremd zu werden. Wir erkennen uns kaum mehr wieder in der Weise, wie wir unser Leben führen. So überformt ist es von der täglichen Sorge, vom Zwang zur Anpassung, dem Diktat der Termine, vom Druck der Leistung. Und manchmal fragt man sich dann, fast schon verzweifelt: Für wen tue ich das eigentlich alles?

„Für wen gehst du?"
Dass heutige Fest will uns erinnern: dass wir frei werden und wahrhaft zu uns selbst kommen, wo wir uns in den Dienst dieses einen Herrn stellen, der alle Mächte und Gewalten, die uns entfremden, sich unterworfen hat.
Nicht uns selbst sollen wir dienen, den eigenen Plänen und Interessen, der Sorge um unser kleines „Ich". Und auch nicht denen, die von außen Anspruch erheben, über unser Leben zu bestimmen, ihren Erwartungen, dem Meinungsdruck der Mehrheit, den gesellschaftlichen Leitbildern, dem Zwang zu Leistung und Konsum.
Wer so lebt, bleibt im Herrschaftsbereich des Todes, von dem Paulus in unserer Lesung gesprochen hat.
Christus sollen wir leben, seinem Gesetz unterworfen, ihm, der unser Herr ist, dem „alle Gewalt gegeben ist und den Gott zum Haupt einer neuen Schöpfung gemacht hat."

Wenn wir ihn heute als den König verehren, dem alles unterworfen ist, dann wissen wir auch: der Thron dieses Königs ist das Kreuz. Und hier offenbart sich das Grundgesetz, das in seinem Reiche gilt:
Das Gesetz der Liebe, des Daseins in der Hingabe. Und wir bekennen, dass wir darin auch für uns den Weg eröffnet sehen, der in seinem Gefolge, in seiner Nachfolge ins Leben führt: Wer sich hingibt, der empfängt, wer sich selbst vergisst, der findet.

Einst, so hören wir heute im Evangelium, wird er uns fragen, was wir aus unserem Leben gemacht haben. Und ob wir „für ihn" gegangen sind, in seinem Dienst.
Nicht nach unserem Ansehen, der Leistung und den Erfolgen. Sondern nach unserer Liebe wird er uns fragen. Nicht einmal nach unseren guten Taten wird er sich erkundigen, nach den Werken der Barmherzigkeit, die wir vorweisen möchten.
Ob wir in seinem Dienst gestanden und gegangen sind, wird sich vielmehr darin zeigen, dass wir darin so selbstlos und selbstvergessen waren, dass wir uns nicht mehr erinnern können:
Als wir geschenkt haben, ohne den andern verpflichten zu wollen,
wo wir uns versöhnt haben und den ersten Schritt gegangen sind, obwohl uns das viel gekostet hat,
wo wir dem andern gedient haben, ohne auf unsere Verdienste dabei zu schielen,
als wir uns wirklich selbst vergessen konnten,
haben wir in seinem Dienst gehandelt und sind in diesem Leben, manchmal ohne es zu wissen, „für ihn" gegangen.
„Das", wird uns dieser Herr und König, der unser Richter ist, dann sagen, „habt ihr wirklich um meinetwillen getan, um jener Liebe willen, für die Zeugnis zu geben ich in die Welt gekommen bin. Darin habt ihr mir gedient und mich als den Herrn eures Lebens bekannt. Und darin besteht eure Würde und euer Ruhm und das wahre Leben, nach dem ihr euch sehnt. In Zeit und Ewigkeit."

„Für wen gehst du?"
Manchmal wenn ich im Hochgebet der Messe die Zeilen bete: „Wir danken dir, dass du uns berufen hast, vor dir zu stehen und dir zu dienen", erinnere ich mich und richte ich mich innerlich ein wenig auf. Und ich wünsche Ihnen, dass es Ihnen ähnlich geht.
Der Dienst, in den dieser Herr uns ruft, knechtet und beugt uns nicht. Er lässt uns aufrecht stehen und führt in die Freiheit, zuallererst in die Freiheit von der Angst um uns selbst.

Amen