Gründonnerstag -

Pfr. Stefan Schäfer

Datum:
Do. 29. März 2018
Von:
Pfr. Stefan Schäfer

Liebe Schwestern und Brüder,
es ist wohl schon eine recht gemischte Gesellschaft gewesen, die sich damals versammelt hat im Abendmahlsaal in Jerusalem:
Ein Zöllner scheint darunter gewesen zu sein, Levi oder auch Matthäus, ein Kollaborateur mit den Römern. Aber ebenso auch ein „Zelot", Simon Kanaanäus, ein Eiferer also im Unabhängigkeitskampf gegen die verhassten Besatzer.
Da gibt es außerdem die beiden Söhne des Zebedäus, die „Donnersöhne" genannt werden, wohl wegen ihres etwas aufbrausenden Temperaments. Und den sanften Lieblingsjünger des Johannesevangeliums, der meist schweigt und zuhört und die Worte seines Meisters in sich aufnimmt.
Es gibt den Thomas, dem die Tradition den Ehrennamen „der Zweifler" gegeben hat, weil der Enthusiasmus der Anderen sich immer wieder an seinen Fragen bricht. Und andererseits einen Petrus, der sich felsenfest sicher gegründet wähnt in seinem Glauben und in seinem Bekenntnis zum Herrn.
Ihnen allen ist es gemeinsam, dass sie alles verlassen haben, um den Weg der Nachfolge zu gehen, fasziniert von der Ausstrahlung Jesu, begeistert von seiner Botschaft und dem Blick, den Perspektiven, die sie ihnen erschließt.
Wie sie da zusammenkommen im Abendmahlsaal sind sie wohl keine Heiligen gewesen. Und ganz bestimmt keine Helden. Das werden die kommenden Stunden in aller Deutlichkeit zeigen. Dann nämlich werden sie bestürzt und entsetzt und als hätte der Herr sie nicht schon lange auf das vorbereitet, was er auf sich zukommen sieht, nichts mehr verstehen und nur noch versuchen, sich selbst in Sicherheit zu bringen.
An das Versagen des Petrus, seinen Verrat, die Verleugnung, erinnern bis heute die Wetterhähne auf den Türmen katholischer Kirchen.
Sie haben alles verlassen. Und doch bis zum Schluss so gut wie gar nichts verstanden – die Jünger Jesu, die bis an die Schwelle zum Abendmahlsaal noch miteinander gestritten haben, wer unter ihnen der Größte sei.

Da gibt der Herr ihnen noch einmal ein Beispiel. Eines, das ihnen peinlich dicht auf den Leib rückt. Indem er sich klein macht vor ihnen, zum Diener, der den Sklavendienst der Fußwaschung an ihnen vollzieht.
Dazu ist er gekommen: Nicht um der Größte unter Großen zu sein, sondern um sich selbst zu erniedrigen in seiner Hingabe und Liebe. Er tut, sachlich und zärtlich liebevoll zugleich, was notwendig ist - wie könnte es eine festliche Mahlgemeinschaft geben, wenn der Mief ungewaschener Füße im Raum hängt? – und beugt sich dorthin, wo es unangenehm ist und wehtut und wo keine Ehre zu erwarten ist.
Mit dem Schweiß und dem Staub an den Füßen der Jünger ist all der Dreck mitgemeint, den wir alle von unseren manchmal schlammigen und mühsamen Wegen mitbringen: Das Versagen, das uns anhaftet, die Schuld, die wir mit uns schleppen, der Streit, den wir, wie diese Jünger, eben noch hatten und der uns mit dem Andern entzweit.

Damit wir überhaupt erst fähig werden zur Gemeinschaft untereinander und zur Gemeinschaft mit Gott, wendet Jesus diesem Bodensatz menschlichen Lebens sich zu und vollzieht den Dienst der Reinigung und der Befreiung:
Einmal, als er vor den Füßen seiner Jünger in die Knie geht.
Ein für allemal in seiner Selbsthingabe am Kreuz.
Und immer wieder, bis zum Ende der Welt, wenn diese Hingabe gegenwärtig wird und sich an uns verschenkt in jenem Mahl, dessen Einsetzung wir heute am Gründonnerstag festlich begehen.

Mit den Jüngern haben auch wir uns jetzt irgendwie im Abendmahlsaal eingefunden.
Eine gemischte Gesellschaft, auch wir: Kleine und Große, Erfolgreiche und solche, die sich schwertun, Fromme und Menschen, die mit den Maßstäben, wie sie etwa die Kirche ans Leben anlegt, nicht immer zurechtkommen.
Wir sind nicht viel anders als die Jünger von damals. Und gewiss nicht besser als sie. Keine Helden. Und auch keine Heiligen.
Wir kommen, vielleicht mit einer Sehnsucht nach Gott, einem Sinn, auf den wir setzen und einer Wahrheit, für die wir uns einsetzen können. Wir kommen mit unserem Willen zum Guten.
Aber auch als die, die im Moment der Bewährung immer wieder versagen, wie Petrus.
Und wie Thomas haben wir unsere Zweifel und unsere Fragen. Da gibt es manches, das es uns schwer macht zu glauben und zu vertrauen. Zerbrochenes und Scheitern in unserem Leben. Enttäuschung an uns selbst und am Andern.

Und wie damals den Jüngern bricht der Herr uns das Brot und macht es zum Zeichen seiner Gegenwart auch in unserem Leben, seiner Hingabe aus Liebe an uns Menschen, gerade auch in unserer Schuld und in unserem Versagen.

„Die Eucharistie", schreibt Papst Franziskus, ist „nicht eine Belohnung für die Vollkommenen, sondern ein großzügiges Heilmittel und eine Nahrung für die Schwachen."

Auch wenn die Konsequenzen dieses Satzes im Handeln der Kirche noch immer nicht gezogen sind und immer noch viele sich ausgeschlossen fühlen müssen – es ist dies eben doch ein Satz der die Türen zum Abendmahlsaal weit öffnet und in das Geheimnis hineinführt, das uns dort anvertraut wird:
Für dieses Leben, gerade für das, was darin zerbrochen ist, sagt uns das Geheimnis der Eucharistie Gottes Nähe und Gegenwart zu:
In unserer Bedürftigkeit, nicht in unserem Streben nach Größe und Vollkommenheit, ist der Herr uns nahe.
Das tröstende Licht seiner Gegenwart – vielleicht dringt es sogar vor allem durch die Brüche unserer Biographie in unser Leben. So dass es uns anrührt, wir uns davon berühren lassen können, wie tief sich der Herr auf uns einlässt, um uns nahe zu sein und niemanden aus der Gemeinschaft herausfallen zu lassen. Und etwas in uns zu heilen beginnt.

Wir dürfen kommen, hinzutreten und mitfeiern:
Mit unsere Schuld. Und wir empfangen im Sakrament die Versöhnung, ihn der sich hingibt „zur Vergebung der Sünden";
Mit unserer Angst um uns selbst. Und wir werden unmerklich mitgenommen auf Jesu Weg, der uns Mut macht, nicht nach der eigenen Größe in Konkurrenz mit dem Andern zu schielen und nach unserer Ehre, sondern einander zu dienen, wie er es uns vorgelebt hat;
Mit unserem ganzen, manchmal auch, wie der Papst sagt, „mühevollen" Leben. Und wir empfangen ihn selbst, seine Liebe als Heilmittel für unsere wundgelaufenen Füße und als Nahrung der Schwachen für unseren weiteren Weg.
Amen