Ostern - Pfr. Stefan Schäfer

Datum:
Sa. 23. März 2013
Von:
Pfr. Stefan Schäfer

Ostern - Pfr. Stefan Schäfer

 

Liebe Schwestern und Brüder,

während des letzten Konzils fand sich eine Gruppe von Bischöfen vor allem aus der - damals noch so genannten - „Dritten Welt" zusammen. Sie beschlossen und unterzeichneten eine Erklärung, die eine Reihe von Selbstverpflichtungen enthielt und in der es unter anderem heißt:

„In Demut und im Bewusstsein unserer Schwachheit, aber auch in aller Entschlossenheit und Kraft, zu der uns Gott gewiss seine Gnade geben wird, verpflichten wir uns zu folgendem:
Wir wollen versuchen, in Wohnung, Nahrung und hinsichtlich der Verkehrsmittel, die wir benutzen (. . .) nicht anders zu leben als der Durchschnitt unserer Bevölkerung.
Wir verzichten ein für allemal auf jeden Anschein des Reichtums wie auf tatsächlichen Reichtum, speziell in unserer Amtskleidung (teure Stoffe, auffallende Farben), sowie in unseren Amtsinsignien (. . .)
Wir werden in unserem Verhalten und unseren sozialen Beziehungen alles vermeiden, was den Anschein erweckt, als gewähre es den Reichen und Mächtigen Privilegien ( . . . ) oder auch nur eine bevorzugte Behandlung ( . . . )
Wir werden danach streben, mehr menschlich präsent, offen und zugänglich zu werden ( . . .) offen zu sein für alle, gleich welcher Religion sie sind."

Den „Katakombenpakt" - so nannten jene Bischöfe ihre Selbstverpflichtung zum Dienen in einer dienenden Kirche. In Anspielung auf jene unterirdischen Gewölbe, in denen die ersten Christen in Rom heimlich und buchstäblich im Untergrund sich zu ihren Gottesdiensten trafen:
Im Gedächtnis des Todes und der Auferstehung Jesu feierten sie einen Glauben und eine Hoffnung, die damals so neu war und unerhört, dass sie von ihrer Umwelt als geradezu gefährlich und subversiv empfunden wurde.
Und die neu bleibt und eine Herausforderung auch für uns, denen sie so viele Generationen später verkündet wird.

In diesem Moment der Kirchengeschichte, da ein halbes Jahrhundert nach dem Konzil mit dem „Kardinal der Armen" Jorge Mario Bergoglio ein Bruder im Geist jener Bischöfe des „Katakombenpakts" zum Papst gewählt worden ist, leuchtet wieder etwas davon auf:
Von der Sprengkraft der christlichen Botschaft, wenn sie gelebt wird, von der Erschütterung aus dem Epizentrum jenes Ereignisses, das wir an Ostern feiern, die uns auch heute ergreifen und die versteinerten Verhältnisse in Kirche und Welt und in unserem eigenen Leben aufbrechen kann.

Das Osterhalleluja anzustimmen ist alles andere als selbstverständlich. Und es ist auch nicht harmlos. Es erklingt mitten in der Nacht und wie ein Protest in einer Welt, in der die Mächte des Todes noch immer am Werk sind, Unrecht und Unterdrückung des Armen, in der der Karfreitag nie wirklich zu vergehen scheint und der Gerechte tagtäglich auf´s Kreuz gelegt wird.

Als ewiges Drama beschreibt es die Ostersequenz: „Mors et vita duello", Tod und Leben liegen im Kampf. Und immer wieder scheint der Tod zu obsiegen. Sein mächtigster Verbündeter im Kampf ist die Angst. Durch sie gewinnt er Herrschaft mitten im Leben: Jeder ist dann nur sich selbst noch der Nächste und in der Jagd danach, sich von dem bisschen Leben, das uns gegeben ist, zu nehmen, was immer man kriegen kann, wird der Mensch selbst zum Komplizen des Todes und geht über Leichen. Im übertragenen Sinn ganz banal und alltäglich. Und weltweit im Kampf um den Platz an der Sonne und die immer knappen Ressourcen des Lebens auch tatsächlich und im wörtlichen Sinn. In einer „Kultur des Todes", die sich dann ausbreitet, bestimmen die Gleichgültigkeit oder der Zynismus den Blick füreinander. Bis in die Jugendsprache hinein lässt sich das heute verfolgen, wo der als „Opfer" bezeichnet wird, der sich nicht wehren kann und zu schwach ist sich durchzusetzen.

Auf diesem Hintergrund wird die Osterbotschaft verkündet.
Es geht nicht, oder zumindest nicht nur, darum, uns einfach einen trostreichen Blick in das Jenseits zu eröffnen nach dem Motto: „alles wird gut".
Es geht um den Kampf zwischen Leben und Tod, hier und jetzt, mitten im Leben. Und um das Bekenntnis unseres Glaubens, d.h. um die Frage, wessen Parteigänger wir in dieser Auseinandersetzung sind.

Der uralte Text der Ostersequenz bezeichnet Jesus als „dux vitae" als Fürst, als Anführer des Lebens. Er trifft damit die Botschaft der Evangelien: Von Anfang an hat dieser Jesus im Namen Gottes Partei für das Leben ergriffen, wenn er denen nachgegangen ist und die gesucht hat, die mitten im Leben in die Todeszone geraten waren: die Unreinen und Aussätzigen, die Armen und Kranken, als Sünder oder sonst wie an den Rand gedrängten, marginalisierten. Im Kampf mit den Mächten des Todes ist er auf´s Ganze gegangen, bis in den eigenen Tod hinein:
„dux vitae mortuus" klagt die Ostersequenz. Um dann in Jubel auszubrechen: „regnat vivus": „des Lebens Fürst, der starb, herrscht nun lebend."
In Jesu Sterben ist Gott selbst in den Kampf zwischen Leben und Tod eingetreten. In seiner Auferstehung offenbart er sich als der Gott, den Jesus verkündet hat: gegen alle Bosheit und Ungerechtigkeit als ein Gott voller Leidenschaft für das Leben.

Wenn wir nun gleich aufgefordert sind, unser Taufversprechen zu erneuern, dann ist uns die Frage gestellt, ob wir das glauben, auf welcher Seite wir stehen und ob wir dem „Anführer des Lebens" bereit sind zu folgen.
Die Antwort hat Konsequenzen.

Wo der Tod seine Herrschaft verliert, weicht die Angst zurück und wächst die Freiheit, neu und anders zu leben:
Im Widerstand gegen das, was den Menschen und diese Schöpfung zerstört, in der Solidarität und dem Mitleid mit den Leidenden, den Armen und Schwachen, in der Bereitschaft, sich selbst loszulassen und das Leben zu teilen. Da eröffnet die Hoffnung überraschende und neue Perspektiven. Da wird ein neuer Lebensstil möglich, in der Welt und für sie, ihr zugewandt, einladend und auch herausfordernd, wie bei jenen Bischöfen des „Katakombenpakts", aber nicht von dieser Welt. Sondern von Ostern her.
Und in dieser Welt, in unserem Leben, in unserer Kirche könnte etwas von diesem neuen, dem österlichen Leben manchmal schon sichtbar werden, „damit die Menschen neue Hoffnung schöpfen".

Amen