Pfingstmontag zum 80. Lebensjahres von Karl Kardinal Lehmann - Pfr. Schäfer

Datum:
Mo. 16. Mai 2016
Von:
Pfr. Schäfer

Pfingstmontag 2016 - Pfr. Stefan Schäfer

Liebe Schwestern und Brüder,

zur Stunde feiert Kardinal Lehmann zum letzten Mal im Dom das Pontifikalamt als Bischof von Mainz. Weit über die Grenzen unseres Bistums hinaus hat er der katholischen Kirche ein Gesicht und eine Stimme gegeben. Nach über 3 Jahrzehnten geht, so darf man wohl sagen, heute wirklich eine Ära zu Ende.
Einem kleinen Buch, das seine Hirtenbriefe der letzten Jahre versammelt, hat der Kardinal eine Art Nachwort „zum Abschied" angefügt. Er betrachtet darin noch einmal das Leitwort, das er sich, als er 1983 zum Bischof von Mainz berufen wurde, für seinen Dienst gewählt hatte:
„Steht fest im Glauben."
Freunde, so schreibt der Kardinal, hätten damals gewarnt, das könne auch „von manchen im Sinne einer sehr konservativen Standfestigkeit", eines „starren" Beharrens verstanden werden.
Für ihn aber hatte dieses Pauluswort von Anfang an einen ganz anderen Klang.
Es steht am Ende des ersten Korintherbriefes. Der Apostel fasst seine Ermahnungen, Ermutigungen und Weisungen, die er vorher an die Gemeinde gerichtet hat, an dieser Stelle allgemein und grundsätzlich zusammen:
„Seid wachsam, steht fest im Glauben, seid mutig seid stark! Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe."
Der Glaube klingt mit der Liebe zusammen. Sie ist, schreibt der Kardinal in seiner Betrachtung, „die Lebensgrundlage schlechthin". Die Liebe zu Gott und zu den Menschen „soll das ganze Leben der Gemeinde leiten." Und auch auf die dritte der „göttlichen Tugenden", die Hoffnung, scheint Paulus anzuspielen: Die „Wachsamkeit" nämlich, zu der er aufruft, meint, so deutet Bischof Lehmann den kleinen Text des Apostels, „nicht nur die geistige Wachheit und Klarheit", (die Karl Lehmann, dem Gelehrten und Intellektuellen auf dem Bischofsstuhl sicher wichtig ist), „sondern auch die Bereitschaft immer auch offen zu sein für das Kommen des Herrn." Er begegnet, so würde man es heute wohl formulieren, in den „ Zeichen der Zeit", den Herausforderungen der jeweiligen Gegenwart, vor denen sich nicht ängstlich verschließen muss, wer von der Hoffnung getragen ist, dass in ihnen Christus selbst auf die Gemeinde zukommt .
Darum also geht es:
Um das Zeugnis des Glaubens in sensibler Aufmerksamkeit für den Anruf der Stunde, in Wachsamkeit, mutig und stark und in der Liebe zu Gott und den Menschen gegründet.
Im Laufe der Zeit, schreibt Kardinal Lehmann, sei ihm dieses kleine Wort des heiligen Paulus immer wichtiger geworden:
„Das Feststehen im Glauben ist notwendig, um wachsam und mutig zu sein. Wir brauchen immer ein festes Fundament, damit wir Bodenhaftung haben und nicht vom nächsten Wind weggetragen werden. Damit ist ganz gewiss Standhaftigkeit gefordert. Doch ist dies ja nicht als bloße Sturheit auszulegen. Diese Standhaftigkeit muss, gerade wenn sie mit Gott zu tun hat, immer tiefer gegründet werden: (. . .) in seinem Wort, in seinen Geboten und Wegweisungen, in der Liebe, in Jesus Christus, in Gott."
„Steht fest im Glauben."
Karl Lehmann hat in den Jahrzehnten seines Dienstes als Bischof auch Erfahrungen gemacht, die ihm wohl solche Standhaftigkeit in manchen Enttäuschungen abverlangt haben.
Nicht nur im harten Konflikt mit der Kurie um die Schwangerenkonfliktberatung.
Schon als er mit den anderen südwestdeutschen Bischöfen 1993 einen gemeinsamen Hirtenbrief zum Problem der Wiederverheirateten Geschiedenen veröffentlichte, wurde er nach Rom einbestellt, um von Glaubenskongregation und Papst die strikte Ablehnung der Bitte nach neuen, an der gesellschaftlichen Wirklichkeit und der Situation der Betroffenen orientierten und „barmherzigen" Wegen der Pastoral entgegennehmen zu müssen. Dass heute Papst Franziskus diese Gedanken der Bischöfe aufzunehmen scheint und sein Pontifikat unter das Schlüsselwort der Barmherzigkeit stellt, kann nicht darüber hinwegtrösten, dass es damals an Wachsamkeit für die Zeichen der Zeit gefehlt hat, dass seitdem Jahrzehnte verloren wurden und viele sich auch aus solchen Gründen von der Kirche abgewandt haben.
(Auch die jüngste überraschende Initiative des Papstes, das Thema „Diakonat der Frau" prüfen lassen zu wollen, passt ins Bild der Verspätung: das war schon einmal, Anfang der 70ger Jahre des letzten Jahrhunderts, Karl Lehmann war als Theologe prägend an dieser Kirchenversammlung beteiligt, eine demütige Bitte der gemeinsamen Synode der deutschen Bistümer an „Rom", die bis heute dem Vernehmen nach keiner offiziellen Antwort gewürdigt worden ist.)
Manchmal, so darf man vermuten, wird er wohl an den Kräften, die tatsächlich starres Beharren mit Standhaftigkeit verwechseln, gelitten haben und daran, dass seine Kirche auf viele Fragen der Menschen von heute, glaubwürdige, überzeugende Antworten schuldig geblieben ist.
Gleichwohl hat er „Mit langem Atem" 33 Jahre lang seinen Dienst als Bischof versehen. So lautet der Titel, unter dem ein großes Interview, das Markus Schächter mit ihm geführt hat, dieser Tage als Buch erschienen ist. Im Rückblick auf die Begegnungen und Erfahrungen seines Weges, kommt Kardinal Lehmann darin noch einmal auf sein Leitwort zu sprechen:
„Der Satz des Paulus, wenn man ihn genau betrachtet und „Glauben" richtig versteht, ist ein Aufruf zu einer Dynamik, die Mutlosigkeit überwindet."
Mit vielen Menschen in Stadt und Land, in der Kirche und darüber hinaus, sind wir mit Kardinal Lehmann jetzt, da er zum letzten Mal als Bischof von Mainz im Dom das Pontifikalamt feiert, verbunden. Die größte, dem heiligen Stephanus geweihte Glocke unserer Kirche trägt auf ihrem Glockenmantel sein Leitwort: „Steht fest im Glauben".
Wenn wir sie nachher zur Wandlung läuten, schwingt unser Dank mit und wird vom Stephansberg hinab zum Dom hin getragen.
Amen