Vierter Sonntag im Jahreskreis -

Monsignore Klaus Mayer

Datum:
So. 28. Jan. 2018
Von:
Monsignore Klaus Mayer

BIBELSONNTAG UND SHOAHGEDENKEN
LICHT IM DUNKEL
27./28.01.2018

"Das Volk, das im Dunkel lebte, hat ein helles Licht gesehen;
denen, die im Schattenreich des Todes wohnten, ist ein Licht
erschienen" (Jes 9,1). Dieses Gotteswort, im Hallelujavers heute,
trifft genau die Botschaft dieses Sonntags. Heute ist Gedenktag
für die Opfer des Nationalsozialismus. Am Tag der Befreiung
des Vernichtungslagers Auschwitz, dem 27. Januar 1945, erleben
wir das tiefste Dunkel in der Menschheitsgeschichte, "Leben in
Todesschatten", im industrialisierten Massenmord von allein
sechs Millionen Juden in den Jahren zwischen 1933 und 1945.
Gleichzeitig ist heute Bibelsonntag. Im Gotteswort der Bibel
erscheint das Licht in der Finsternis.

Ein Tagesbericht aus den Lagerakten von Auschwitz vom 6. Februar
1944: "Mit dem 67. Transport des RSHA aus Frankreich sind 1214
jüdische Männer, Frauen und Kinder aus dem Lager Drancy eingetroffen.
Nach der Selektion werden 166 Männer mit den Nummern
173228-173393 gekennzeichnet werden, und 49 Frauen, die die
Nummern 75125-75173 erhalten, als Häftlinge ins Lager eingewiesen.
Die übrigen 999 werden in Gaskammern getötet"» Das war
Auschwitz.

Noch am Morgen des 27. Januars 1945, bei der Flucht der letzten
SS-Einheiten des Lagers Auschwitz vor dem Einrücken der
Roten Armee, trifft eine Abteilung der SS im Nebenlager Fürstengrube
ein, beschießt die dortige Häftlingskrankenhaus-Baracke
und eine weitere mit gehfähigen Patienten und steckt sie dann
in Brand. Alle Häftlinge im Krankenbau verbrennen, in der Nachbarbaracke
überleben von 127 Häftlingen 14 (Kalendarium von Auschwitz S.992).

Das waren zwei Eintragungen aus dem Lexikonband "Kalendarium
der Ereignisse im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau 1939
- 1945, das auf 994 Seiten, immer mit Quellenangabe, dokumentiert,
was damals unfaßbar Grauenvolles geschah. Das war
Auschwitz, das größte und todbringendste Konzentrationslager,
aber nur eines der zahlreichen KZ- und Vernichtungslager.

Wir verstehen, wenn der jüdische Lyriker und Überlebende Paul
Celan in seinem Gedicht "Todesfuge" schreibt: "Der Tod ist ein Meister
aus Deutschland." Der Auschwitzüberlebende Elie Wiesel sagt:

„In Auschwitz ist nicht nur der Mensch, sondern auch die Idee
des Menschen gestorben. In Auschwitz hat die Welt ihr Herz
verbrannt." Bei einem Besuch des damaligen Bundespräsidenten
Roman Herzog in Auschwitz am 27. Januar 1995 tut er seine
Erschütterung kund: "Hier öffnen die Toten den Lebenden die
Augen." Das ist Auschwitz.
In einer Besprechung des Films "Ein Leben für ein Leben" von
Paul Schräder heißt es: "Wer kann noch an den Menschen glauben,
wenn er im KZ das Ende der Menschlichkeit erfahren musste."

In meinem, unserem Glaubensbekenntnis finden sich auch nicht
die Worte "Ich glaube an den Menschen", sondern "Ich glaube an
Gott." Und dieser Glaube wird geweckt, genährt, gestärkt, im
Gotteswort der Bibel. Damit sind wir am heutigen Bibelsonntag
angekommen.

Von Mose hören wir in der Ersten Lesung: "Damals sagte der Herr
zu mir: Einen Propheten wie dich will ich ihnen mitten unter
ihren Brüdern erstehen lassen. Ich werde ihm meine Worte in den
Mund legen, und er wird ihnen alles sagen, was ich ihm auftrage.
Auf ihn sollt ihr hören!" (Dtn 18,15.18).

Im Evangelium erleben wir ihn, dem die Verheißung Gottes an
Mose gilt, dem Gott seine Worte in den Mund legt: "In Kafarnaum
ging Jesus am Sabbat in die Synagoge und lehrte. Und die Menschen
waren sehr betroffen von seiner Lehre, denn er lehrte wie
einer, der göttliche Vollmacht hat. Einer fragte den andern:
Was hat das zu bedeuten? Hier wird mit Vollmacht eine ganz neue
Lehre verkündet" (Mk 1,21-28). Dabei war die Lehre gar nicht so
neu, sondern verheißen, gut vorbereitet, in den Heiligen Schriften
des Volkes Israel. Aber es ist eben ein riesiger Unterschied,
ob Gott durch seinen Sohn, den Gottmenschen Jesus Christus
spricht oder durch die Schriftgelehrten.

In der Erinnerung an die Schoa, an Auschwitz, wird uns die Botschaft,
wohin der Mensch kommt, wozu er verkommt ohne Gott,
wenn er nicht auf Gott hört, Gottes Wort missachtet. Sich
selbst überlassen, kann der Mensch zum Unmenschen werden,
zu den unfassbar schlimmsten Verbrechen fähig. Aus der Geschichte
zu lernen, das lehrt Auschwitz, dazu ruft Auschwitz.

In Beachtung und Befolgung von Gottes Wort in der Bibel wird
die Welt zum Guten revolutioniert, verwandelt hin zum Paradies.
Die wenigen Zeilen der Zehn Gebote, nochmals gesteigert, zusammengefasst
im Hauptgebot, Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe,
verkünden und gebieten, wie Menschen zueinander sein,
miteinander umgehen sollen zum eigenen Glück und Heil: Statt
Hass Liebe, statt Gewalt Frieden, statt Unrecht Gerechtigkeit,
statt Lüge Wahrheit, statt Herzlosigkeit Barmherzigkeit.

Dass wir nicht "im Dunkel leben und im Schattenreich des Todes
wohnen" dazu ist Erinnerung nötig, denn "Wer seine Geschichte
vergisst, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen. Wer seine
Vergangenheit vergisst, ist unfähig, die Gegenwart zu verstehen
und die Zukunft zu steuern" (Erika Rothschild, Auschwitzüberlebende)
.
Dass wir nicht „im Dunkel leben und im Schattenreich des Todes
wohnen", dazu mahnt uns Antwortpsalm 95,7: "Ach würdet ihr doch
heute auf seine Stimme hören! Verhärtet nicht euer Herz!" Denn
so sagt der Betende im Psalm 119.105: "Dein Wort ist meinem
Fuß eine Leuchte, ein Licht für meine Pfade." Wir können gar
nicht genug dankbar sein für Gottes Wort in der Bibel. In ihm
ist uns, die wir "im Schattenreich des Todes wohnen,
ein helles Licht erschienen."