Interview über die "Kleine Sozialraumanalyse" im Dekanat Wetterau-West:Für die Zukunft: Sozialraumanalyse
Montag, der 21. Oktober, 9.00 Uhr. Es ist ein nebliger Morgen in Bad Nauheim an dem sich Juliane Glaum und Patrick Strosche in den Dekanatsräumen treffen, „um den Nebel etwas zu lichten“ und erste Hypothesen für die neuen Pfarreizusammmengehörigkeiten“ im Rahmen des Pastoralen Wegs zu entwickeln. Grundlage war eine kurze Sozialraumanalyse, die in den vorangegangenen vier Wochen von den Gemeinden im Dekanat Wetterau-West erstellt wurde. Zwar haben sich einige Gemeinden verspätet, aber die Datengrundlage reicht, um mit der Arbeit anzufangen Zwei Wochen später treffe ich beide zum Gespräch
Interview über die "Kleine Sozialraumanalyse" im Dekanat Wetterau-West
Montag, der 21. Oktober, 9.00 Uhr. Es ist ein nebliger Morgen in Bad Nauheim an dem sich Juliane Glaum und Patrick Strosche in den Dekanatsräumen treffen, „um den Nebel etwas zu lichten“ und erste Hypothesen für die neuen Pfarreizusammmengehörigkeiten“ im Rahmen des Pastoralen Wegs zu entwickeln. Grundlage war eine kurze Sozialraumanalyse, die in den vorangegangenen vier Wochen von den Gemeinden im Dekanat Wetterau-West erstellt wurde. Zwar haben sich einige Gemeinden verspätet, aber die Datengrundlage reicht, um mit der Arbeit anzufangen Zwei Wochen später treffe ich beide zum Gespräch
Juliane, Patrick, Ihr habt für das Dekanat Wetterau-West eine kleine Sozialraumanalyse durchgeführt. Was habe ich mir unter einer Sozialraumanalyse vorzustellen?
Strosche: Unser Bischof Peter Kohlgraf stellt immer wieder die Frage: Was brauchen die Menschen? Um diese Frage beantworten zu können, muss ich erst einmal wissen, wer denn eigentlich „die Menschen“ sind. Und da kommt die Sozialraumanalyse ins Spiel.
Glaum: In der Ausbildung haben wir gelernt, dass wir, um überhaupt vor Ort zielgerichtete pastorale Arbeit leisten zu können, zunächst einmal den Sozialraum in den Blick nehmen müssen. Was sind das für Menschen, die hier wohnen? Mit welchen Altersgruppen, welchen sozialen Schichten habe ich es zu tun? Darüber hinaus lohnt es sich auch, einen Blick auf die Infrastruktur zu werfen. Gibt es vor Ort z. B. Dinge des täglichen Lebens zu kaufen? Gibt es Schulen, Kindertagesstätten, Ärzte, Krankenhäuser, Sozialstationen und Altenpflegeeinrichtungen? In welchen Räumen bewegen sich die Menschen in ihrem Alltag, zum Beispiel auf dem Weg zur Schule oder in den Beruf?
Und was habt ihr genau gefragt?
Strosche: Welche konkreten Fragen man stellt, hängt natürlich ganz stark mit dem zusammen, welchen Auftrag man hat. Unser Auftrag war es, Vorschläge für die zukünftigen Zusammengehörigkeiten von Gemeinden im Dekanat Wetterau-West zu erarbeiten.
Glaum: Denn beim Workshoptag im August (Link) wurde deutlich, dass einige Haupt- und Ehrenamtliche sehr verunsichert in die Zukunft blicken. Andererseits ist vielerorts auch eine große Aufbruchstimmung spürbar. Keiner hat einen vorgefertigten Lösungsweg in der Tasche, aber es sind viele Ideen im Zuge des pastoralen Weges vorhanden. Manche wollen „endlich“ sichtbare Ergebnisse und mit diesen weiterarbeiten. Mit unseren Fragen haben wir versucht, die unterschiedlichen Energien etwas zu kanalisieren.
Strosche: Daher haben wir gefragt, wo sich der Sozialraum Wohnort ohnehin schon öffnet. Konkret: Wohin gehen die Kinder zur Schule? Wo arbeiten die Menschen? Wo werden kulturelle Veranstaltungen besucht? Dabei ist eine interessante Karte entstanden, die diese Bewegungen zeigen. Daneben hat uns aber auch interessiert zu schauen, was es denn in den einzelnen Orten des Dekanates gibt an Sozialstationen, Schulen, kirchlichen Einrichtungen, Kirchen und so weiter.
Glaum: Damit haben wir nun insgesamt eine gute Übersicht, an welchen Orten in unserem Dekanat es welche Bündelungen gibt und wo eher „weiße Flecken“ sind. Das wird uns auf dem weiteren Weg helfen, eine gute Zusammenarbeit aufzubauen.
Das macht doch viel Arbeit, warum engagiert ihr euch?
Strosche: Ich beginne mal so: Ich hätte auch sagen können, im Dekanat Wetterau-West wohnen 50.000 Katholiken. Durch drei geteilt macht das rund 16.500 Katholiken. Jetzt notiere ich alle Katholikenzahlen und schaue, wie ich am ehesten drei zusammenhängende Gebiete erhalte, in denen jeweils etwa 16.500 Katholiken wohnen. Fertig. Ich habe drei Pfarreien. Schnell getan. Ganz ehrlich: Dort wollte ich nicht arbeiten.
Natürlich macht so eine Analyse viel Arbeit, aber sie hilft, den Sozialraum der Menschen zu erfassen und daraus Schlüsse für unsere Arbeit zu ziehen. Sowohl für die in Zukunft zu bildenden Strukturen als auch für die inhaltliche Arbeit.
Glaum (lacht): Erstens werde ich hoffentlich weit über das Jahr 2030 (das Zieldatum des pastoralen Weges) im kirchlichen Dienst tätig sein. Es geht also in dieser „vielen Arbeit“ für mich auch um meine berufliche Zukunft. Es steht außer Frage, dass wir da für die kommenden Jahre, Haupt- und Ehrenamtliche zusammen, noch viele Ideen zu denken und auszuprobieren haben, immer auf der Spur: wie wollen wir gemeinsam Kirche sein? Zweitens finde ich die Sozialraumarbeit sehr spannend und aufschlussreich, weil ich im Alltagsgeschäft oft den Eindruck habe, dass wir auf eingetretenen Pfaden immer weiter laufen, ohne uns wenigstens ab und an der Sinnhaftigkeit unseres Tuns zu vergewissern. Der sozialräumliche Blick ist hier wirklich hilfreich.
Gab es Überraschungen bei der Auswertung?
Strosche: Da ich noch nicht so lange in der Wetterau bin, überlasse ich hier gerne das Wort meiner Kollegin (grinst).
Glaum: Ich bin in Friedberg geboren und habe die meiste Zeit meines Lebens hier verbracht. Daher meine ich, zumindest die Mitte des Dekanats recht gut zu kennen. So gesehen gab es für mich zunächst im Großen keine echte Überraschung. Dass Friedberg die Stadt der Schulen und Bad Nauheim die Stadt der Kliniken ist, war auch vorher bekannt. Ebenso, dass der Süden des Dekanats sehr stark von Frankfurt geprägt ist. Im Kleinen gab es allerdings doch die eine oder andere Ausprägung, die ich so nicht erwartet hätte. Ansonsten ist es gut, das, was vorher allenfalls eine Annahme oder eine Meinung war, noch einmal schwarz auf weiß bestätigt zu sehen.
Das Dekanatsprojektteam hat in seiner Sitzung am 30.10 ausführlich über die unterschiedlichen Varianten beraten, möchte aber den Meinungsbildungsprozess auf breitere Beine stellen und daher Eure Vorschläge in nächster Zeit auf der Internetseite www.pastoraler-weg-ww.de veröffentlichen und um Rückmeldungen bitten. Findet Ihr das gut?
Glaum: Grundsätzlich finde ich es gut und richtig, möglichst viele Menschen am Prozess zu beteiligen. Ich bin sehr gespannt, welche Antworten und Meinungen es hierzu geben wird. Auch jetzt schon zeichnen die Gespräche in den Gemeinden über den pastoralen Weg ein buntes Bild. Letztendlich wird es aber meiner Meinung nach nötig sein, eine Entscheidung zu treffen, auch wenn diese möglicherweise nicht alle einzelnen Stimmen mitnimmt.
Strosche: Da gebe ich Dir vollkommen Recht. Denn das Jahr 2021, in dem Bischof Kohlgraf unsere Vorschläge unterbreitet werden sollen, steht schneller vor der Tür, als uns lieb ist. Daher muss es irgendwann auch zu einer Entscheidung kommen.
Und wie geht es jetzt weiter?
Strosche: Wollte ich gerade sagen, weil es viel wichtiger ist: Wir müssen uns auch über die Inhalte Gedanken machen. Wie wollen wir Kirche sein? Was ist uns vom Evangelium her aufgetragen? Diese Fragen sind – meine ich – sehr entscheidend und sollten bald angegangen werden.
Glaum: Diese inhaltliche Seite muss in den Gemeinden, möglichst breit gefächert und bunt, ebenso durchgebetet und besprochen werden wie die strukturellen Fragen, denn darin steckt meiner Meinung nach die wirklich große Chance für unsere Zukunft als Kirche! Zumal unser Bischof uns ausdrücklich mit auf den Weg gegeben hat, den pastoralen Weg als geistlichen Weg zu gestalten. Strukturen sind nur der Rahmen, wichtiger als der Rahmen ist das eigentliche Bild, das Evangelium.
Zum Schluss: Wie willst du in 5 Jahren Kirche sein?
Strosche: Ich alleine kann nicht Kirche sein. Jesu Wort, wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen, zeigt, wie wichtig Gemeinschaft für Kirche ist. Die Gemeinschaft bei den Messdienern, bei den Sternsingern, bei den Weltjugendtagen, … war es, die mich immer wieder neu begeistert hat. Und die mich auch heute immer wieder begeistert: Wenn Menschen zusammen kommen und gemeinsam – nicht nur – von ihrem Glauben erzählen und diesen feiern. Und das wünsche ich mir auch für die Kirche in fünf Jahren, dass die Erfahrung von Gemeinschaft möglich ist.
Glaum: So, wie ich es auch heute jeden Tag versuche: Als Christin und Gemeindereferentin in meinen verschiedenen Aufgabenfeldern die Menschen immer wieder mit der heilenden und frohmachenden Botschaft des Evangeliums in Kontakt zu bringen und auf diese Weise mein Sendungsmotto zu erfüllen: Du sollst ein Segen sein!
Liebe Jule, lieber Patrick, was den Pastoralen Weg im Dekanat angeht, seid Ihr schon mal ein Segen. Ich danke Euch für das Gespräch und für Euer Engagement.