Betrachtungen für unterwegs:Was macht der geistliche Prozess mit dem Pastoralen Weg?
Betrachtungen für unterwegs
Der Pastorale Weg ist ohne geistlichen Prozess undenkbar. Warum?
- Ohne Gott geht es nicht.
- Ohne gemeinsames Fundament ist das „Haus auf Sand gebaut“ (vgl. Mt 7,24ff ||).
- Eine geistliche Atmosphäre hilft beim Miteinander statt Gegeneinander.
Warum ein geistlicher Prozess?
Seit einigen Wochen arbeiten erstmals Menschen aus den künftigen drei Großpfarreien des Dekanats gemeinsam und konkret an ihrer Zukunftsgestaltung. Je drei Teilprojektteams (TPT) sind im ersten Schritt aktuell mit der Bestandsaufnahme des kirchlichen Angebots in ihren heutigen Pfarreien beschäftigt. Diese Arbeit soll ab März in die Diskussion der künftigen Schwerpunkte übergehen. Davor ist ein geistliches Innehalten vorgesehen. Für was soll das gut sein? Kostet das nicht zu viel Zeit? Also: Warum ein geistlicher Prozess?
Für Herz und Seele
Nach so vielen faktenorientierten Überlegungen und Diskussionen braucht es eine Pause für Herz und Seele, für das Fundament unseres Glaubens. Kirche ist kein Selbstzweck, sondern vielmehr die Erfüllung von Gottes Auftrag. So ist es für die Menschen, die sich in und für die Kirche engagieren Grundvoraussetzung, Gott bei Ihrem Engagement einbeziehen zu wollen. Nichts Anderes meint geistlicher Prozess: In der Diskussion, in den übereinstimmenden oder verschiedenen Meinungen, in der Art wie Entscheidungen getroffen werden nach dem Willen Gottes zu fragen: Was will Gott von uns? Was will Gott für uns? Welche der bisherigen Aktivitäten dienen der Botschaft Jesu, sind vom Geist Gottes geprägt?
Drei Pole der Aufmerksamkeit
Das heißt nicht, dass man nicht auch kontrovers diskutieren kann, aber dahinter sollte immer die Haltung stehen: „Herr zeige du uns deine Wege. Wir glauben, dass Du uns führst.“ Diese Haltung kann man nicht per Knopfdruck herstellen, es ist auch eine Sache des Vertrauens und der Übung. Aber man kann sich den Fragen nach dem Willen Gottes nähern. Bei der Frage wie das gehen kann, erscheint zurzeit am populärsten die Überlegungen von Franz Meures SJ. Nach ihm braucht es drei Pole der Aufmerksamkeit: 1) auf die äußeren Ereignisse, 2) auf die inneren Ereignisse, 3) auf die Offenbarung Gottes.
Aufmerksamkeit für die äußeren Ereignisse
Die TPTs arbeiten zurzeit im gewissen Sinne an den „äußeren Ereignissen“. Es wird eine Bestandsaufnahme der kirchlichen Aktivitäten gemacht. Was gibt es, wer ist beteiligt und von wem wird dies genutzt? Dabei spielen auch Zahlen eine Rolle: Wie entwickeln sich die Zahlen der Gottesdienstbesucher, derjenigen, die zur Erstkommunion, zur Firmung gehen oder sich kirchlich trauen lassen? Und wie verhalten sich diese kirchlichen Zahlen zur allgemeinen Bevölkerungsentwicklung und Altersstruktur. Aber auch die Fragen nach der Sozialstruktur der Städte und Gemeinden sind für kirchliches Leben wichtig: Wie ist der Anteil der Hartz IV-Empfänger, wie entwickelt sich Infrastruktur und welche Bedeutung wird das für die kirchlichen Aktivitäten haben?
Dazu müssen die kirchlichen Rahmenbedingungen beachtet werden, demnach muss man von einer Halbierung des hauptamtlichen Personals bis 2030 und einer Kürzung der Haushaltszuweisung von 20 % in den nächsten Jahren ausgehen.
Aufmerksamkeit für die inneren Ereignisse und die Offenbarung Gottes
Aber Zahlen und Daten sind nur ein Aspekt. Denn gleich wichtig ist die Frage, was lösen denn diese Zahlen in mir aus. Bin ich frustriert und falle in Apathie? Oder bin ich frustriert und falle in Aktionismus? Denke ich „Jetzt erst recht!“ und tue alles, um das Bestehende zu erhalten? Denke ich „Jetzt aber mal“ und will das alte abschaffen und alles neu machen? Alle diese inneren Reaktionen kommen in der Regel in einer Mischung vor und haben ihre Berechtigung. In einem geistlichen Prozess gelingt es, davon zu erzählen und dem anderen zuzuhören. Zusammen mit dem dritten Pol, nämlich der Frage, was die eigentliche Botschaft/Auftrag Jesu ist, kann man dem Willen Gottes für uns etwas näher kommen.
Verständigung über das Fundament
Ein anderes Beispiel: Durch die sinkende Zahl der Priester ist es unwahrscheinlich, dass das jetzige Angebot der sonntäglichen Eucharistiefeiern in den nächsten Jahren beibehalten werden kann. Hier begegnen einem unterschiedliche Reaktionen. Die einen wollen eine Wort-Gottes-Feier in der eigenen Kirche, andere fahren in die Nachbarkirche, wieder andere setzen alles daran, einen Aushilfspriester zu finden, auch wenn man sonst zu diesem keinen Bezug hat.
Auch hier kann durch einen geistlichen Prozess deutlich werden, dass unterschiedliche Menschen unterschiedliche Bedürfnisse in ihrer Frömmigkeit haben. Den einen ist die Heimatverbundenheit mit ihrer Kirche und/oder die vertraute Gemeinschaft unter den Gottesdienstbesuchern wichtig. Andere haben eine ausgeprägte Eucharistiefrömmigkeit, wieder andere ist eine gehaltvolle Predigt von einem sympathischen Priester das Wichtigste.
Wenn in der Diskussion diese unterschiedlichen Motive oder Glaubensüberzeugungen zur Sprache kommen können, dann können die Beratungen eine ganz andere Tiefe gewinnen und haben das gemeinsame Interesse in den unterschiedlichen Meinungen den Geist Gottes zu hören.
Krisenfest
Für das ernst nehmen einer geistlichen Herangehensweise gibt es auch „weltliche" Argumente: In der Ratgeberliteratur zum Umgang mit Veränderungsprozessen (das heißt dann „Change Management“) findet man immer wieder Modelle, die typische Phasen eines Prozesses beschreiben. Und in allen Modellen kommen Krisen, depressive Phasen, Demotivation vor. In dieser Phase hilft es, sich auf sein Fundament, auf seine grundlegenden Ressourcen zu besinnen. Das kann jeder und jede für sich persönlich tun, aber es ist auch gut, wenn sich ein Team in der Krise an das gemeinsame Fundament erinnern kann. Ein geistlicher Prozess will immer wieder den Zugang zu dem gemeinsamen Fundament ermöglichen. Und machen wir uns nichts vor, es wird auch in den Teilprojektteams zu Krisen kommen, wenn sie nicht schon da sind.
Miteinander auch bei unterschiedlichen Meinungen
Schließlich und endlich macht die Arbeit im Team viel mehr Freude, wenn es mit Gottes Hilfe gelingt, dass eine Atmosphäre entsteht, in der gemeinsam für die gute Sache und nicht für die eigenen Interessen diskutiert wird. Das gilt übrigens nicht nur für den Pastoralen Weg, sondern für alle kirchlichen Gruppen und Gremien.