Die Bilder in den Fenstern von St. Stephan zeigen Gestalten und Ereignisse des Alten Testaments. Der jüdische Maler Marc Chagall hat im Mittelfenster des Ostchors die Stammväter Israels, Abraham, Isaac und Jakob, und ganz oben Moses dargestellt. In den beiden seitlich davon kann der Betrachter die Heilsgeschichte von der Erschaffung der Welt bis über das Paradies, die Sintflut bis zu dem Prophet Jesus von Nazareth verfolgen, der für Christen auch der Sohn Gottes ist. Dieses neutestamentliche Motiv muss den Maler Otmar Alt besonders beeindruckt haben, als er 2009 nach Mainz zu seiner Werkausstellung in der Rheingoldhalle kam.
Als Hommage an die Stadt schuf er in seiner typischen, an die Pop-Art erinnernden Malweise ein blau grundiertes Bild mit den drei für ihn wesentlichen Elementen von Mainz: im Vordergrund eine ernst dreinblickend, phantasievolle Fastnachtsfigur, im Hintergrund der mächtig aufragende Dom mit Rauchwolke (als Erinnerung an die brennenden Dächer im Krieg?) und zwischen Clown und Dom der Gekreuzigte mit Engel.
Ganz offensichtlich hat hier der berühmte Maler des noch berühmteren Kollegen Chagall den Christus oben im rechten Fenster der Stephanskirche sich angeeignet. Dieser blickt mit ausgebreiteten Armen ernst auf das Treiben der Stadt. Spaltet das von oben hereinbrechende Dreieck den wankenden Dom auseinander? Andrerseits mildern die bei Alt nie fehlenden Blumen am unteren Rand und die knallbunten Farben den ernsten Eindruck dieses Portraits von Mainz.
In einem Interview mit dem SWR stellt der Protestant, Freimaurer und Mitglied in der katholischen Kolpingsfamilie Otmar Alt fest: „Es ist wahnsinnig wichtig, dass wir an eine höhere Macht glauben.“